Dass #falsebalance die emotionale Haltung mitlenkt, merke ich an mir selbst als Mini-Modellorganismus. Ich lese hier tolle Kommunikation mit riesiger Resonanz ➡️ Freude! Stolpere ich über EINEN Schwurbeltweet, werde ich frustriert. Und beide Gefühle nehmen gleichermaßen Raum ein.
Und das, obwohl ich mich in einer wissenschaftlichen Bubble befinde und diese rein quantitativ viel präsenter ist - anders als beim Problem des medialen False Balancing. Auch wenn ich mir darüber bewusst bin, bestimmt es meine Gefühlswelt zur Gesamtsituation ebenbürtig mit.
Ich kann das dann sicherlich eigenständig wieder in den richtigen Kontext setzen, aber wie mag das erst sein, wenn man sich mit der Existenz dieser Dynamik rational gar nicht auseinandersetzt oder sich ihrer eben nicht bewusst ist?
Einer Mehrheit an Menschen nur die Chance zu geben, ihre Haltung flüsternd kundzutun, aber dafür eine Minderheit zeitgleich die ihrige schreien zu lassen, verzerrt selbstverständlich den Lärmpegel der Gesprächsparteien. Man beachte nur die „Spaltung der Gesellschaft“-Diskussion.
Das ganze fiel mir gerade nochmal so auf, weil ich merke, wie sehr mir eine solche Begegnung hinterhängt, obwohl ich es ja besser weiß.
Klar, die Kommunikation in den Medien dient sachlicher Informationsbeschaffung, aber ob sie es will oder nicht, sie prägt ebenso die rational-entkoppelte, emotionale Wahrnehmung. Das ist eine Verantwortung, die auch nicht durch „wissenschaftlichen Diskurs“ kompensierbar ist.
Und ganz reale Konsequenzen zieht diese Dynamik eben auch unmittelbar sowie langfristig mit sich. Als wäre Kommunikation in dieser Pandemie nicht auch ohne solche leichtfertigen, vermeidbaren Mechanismen Herausforderung genug.

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15 Jan
Da es gerade wieder oft um PCR-Testungen geht: wenn sich die „Test-Kapazitäten“ der „Volllast“ näheren oder „überlastet sind“, stehen dort übrigens ebenso überlastete Menschen dahinter wie überall sonst. Das klingt immer als wären schlicht die Plätze in Maschinen ausgereizt.
Mir fiel schon öfter auf, dass Menschen gar keine konkrete Vorstellung haben, was in einer virologischen Diagnostik z.B. an einem Uniklinikum läuft. Klar, vieles läuft automatisiert (ausgebaut durch Pandemie), aber natürlich arbeiten Menschen für diese Testungen!
Die Proben voller Nasenschleim, Gurgelwasser mit Brezelresten und jedweder vorstellbaren Körperflüssigkeit landen erstmal in menschlichen Händen.
Es zerschnippeln sich z.B. auch Hodenbiopsien von an COVID-Verstorbenen nicht von selbst, um auf Virus getestet zu werden können.
Read 6 tweets
14 Jan
Wieder einen Artikel gesehen, der ohne Einordnung über die fragwürdige Studie berichtet, die Aussagen zu Long COVID auf Nachweisbarkeit von Antikörpern stützte: deshalb ein paar (viele, ups) Worte ganz konkret zur veränderten Antikörperantwort bei #LongCovid bzw. #PostCovid 🧵
Vorab: einen solchen Thread kann man auch über weitere immunologische Unterschiede bei Betroffenen oder über neurologische (⬇️) oder zig andere Befunde. Um aber nicht in purer Informationsflut zu enden, hier Beispiele (natürlich unvollständig) spezifisch zum Antikörper-Aspekt: 1/
Alle sprechen pandemiebedingt über Antikörper, aber wiederholen wir kurz, was das überhaupt ist: Antikörper = „Immunglobuline“ (Ig), Proteine aus verschiedenen Klassen. So ist zB Klasse IgA auf den Schleimhäuten die (kurzlebige) vorderste Front (wie Türsteher an der Pforte). 2/
Read 21 tweets
12 Jan
Eines der wohl größten Missverständnisse. „Selten“ ruft bei vielen eine Assoziation zum Faktor Zeit hervor, bei „seltenen“ Nebenwirkungen von Impfungen ist jedoch der kritische Faktor nicht Zeit, sondern: Masse.
Beispiel: ich möchte prüfen, in wie vielen Wassermelonen, die „kernlos“ sein sollten, eben doch Kerne drin sind. Im Winter gibt es sie kaum zu kaufen - bis ich an genügend Wassermelonen rankomme, um eine aussagekräftige Anzahl an kernhaltigen Melonen zu finden, brauche ich ewig.
Im Sommer allerdings gibt es überall massig Wassermelonen zu kaufen. Ich habe die gleiche Anzahl an Wassermelonen in wenigen Tagen prüfen können, für die ich bei geringem Melonenaufkommen durch begrenztes Winter-Angebot bestimmt 10 komplette Winter gebraucht hätte.
Read 7 tweets
9 Jan
Was ist der Unterschied zwischen #LongCovid und dem Post-COVID-Syndrom? Wer sind die Betroffenen und wie viele sind es? Wieso sind Zahlen aus Prävalenzstudien mit Vorsicht zu genießen? Ein kleiner Überblick:
1/ Image
Ganz prinzipiell: Die akute Phase von COVID-19 kann bis zu 4 Wochen bestehen. Long COVID beschreibt anhaltende Symptome >4 Wochen, vom Post-COVID-Syndrom wird ab 12 Wochen gesprochen. "Post-COVID" vermittelt gut, dass NACH der Infektion ein chron. Erkrankungsbild entsteht, 2/ Image
während "Long" evtl suggeriert, die Erkrankung ziehe sich halt bisschen. Eine Viruspersistenz ist definitiv relevant, z.B. wurde in Darmbiopsien asymptom. Infizierter noch nach 4 Monaten virales Erbgut & Immunoreaktivität nachgewiesen. Nicht nur dort: 3/
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8 Jan
Bin nicht sicher, was ich mit diesem kleinen wissenschaftsaffinen Account jemals bezwecken kann. Sicher bin ich aber, dass über Wissenschaft zu sprechen nicht in der Mehrheit denen überlassen werden sollte, die sie leugnen. Also schreibe ich hier eben Zeug hin. Yeah Wissenschaft!
Auch bin ich der festen Überzeugung, dass Wissenschaft dadurch ein Gesicht gegeben werden kann, indem Menschen erzählen, was #Wissenschaftganzkonkret bedeutet. Wie läuft ein Experiment konkret ab, über dessen Ergebnis pandemiebedingt alle sprechen?
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7 Jan
Ich hielt kürzlich einen Vortrag zur Impfaufklärung. Seitdem erreichen mich wöchentlich Mails eines Zuhörers, mit Quellen abstruser Fake News und der Bitte um „wissenschaftliche Aufklärung“. Dieser Zuhörer ist promoviert, hochgebildet, aber fällt auf jede altbewährte Falle herein
Na klar nehme ich mir jedes Mal die Zeit zu erklären, weshalb es jeweils fahrlässige Fehlinformationen sind und woran das erkennbar ist. Zuletzt ein offener Brief gegen die Impfpflicht, mit (surprise) Homburg in der Autorenliste. Es ist immer das gleiche und es macht mich müde.
Dass solche Grafiken echt immer noch gezeigt werden, um die vermeintliche Gefahr der Impfung zu „beweisen“, ohne die eig. relevante Kurve der Neuinfektionen zu zeigen und damit auch noch durchzukommen! Wie zu behaupten, Sonnencreme führe zu Übersterblichkeit durch Sonnenbrand. Image
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