Da es im Rahmen der Aussagen von Volker @Wissing zur E-Mobilität gerade wieder diskutiert wird, heute mal etwas über #eFuels.

Was sind eFuels, wie funktionieren sie und welche Rolle spielen sie in der Mobilität (oder eben auch nicht)?

Ein Thread.
@Stefan_Hajek
@stang2k
Zunächst mal das Konzept grob erklärt:

Die Idee von eFuels ist es, eine strombasierte, synthetische Alternative zu heutigem Benzin, Diesel und Kerosin zu schaffen, die in Verbrennungsmotoren, Flugzeugtriebwerken etc. verwendet werden kann.
Im Zusammenhang mit eFuels fällt oft der Begriff "CO2-neutral". Das wird von vielen oft als "CO2-frei" missverstanden.

Um das Prinzip dahinter zu verstehen, muss man sich die Herstellung und Verwendung von eFuels ansehen.
Der Kraftstoff für Verbrennungsmotoren ist chemisch gesehen eine Kohlenwasserstoff-Verbindung (engl. "hydrocarbons").
Bei der Verbrennung entsteht (neben vielen anderen Luftschadstoffen) CO2.
Bei eFuels ist das "Ausgangsmaterial" Strom. Mit diesem Strom wird aus Wasser per Elektrolyse Wasserstoff gewonnen.
Um daraus jetzt eine Kohlenwasserstoff-Verbindung zu machen, entnimmt man einfach gesagt dem Kreislauf CO2 und synthetisiert aus H2 und CO2 den Kraftstoff (eFuel).
Dieser wird dann über die gängigen Wege verteilt und in einem Motor verbrannt, wobei CO2 und andere Luftschadstoffe entstehen.

Die ganze Sache ist nur CO2-neutral, weil im Produktionsprozess dieselbe Menge CO2 dem Kreislauf entnommen wurde, die nachher wieder verbrannt wird!
Und das führt uns auch zum Hauptproblem von eFuels im PKW Bereich:

eFuels können zwar einen CO2-neutralen Betrieb von Verbrennungsmotoren ermöglichen, lösen aber im Wesentlichen keines der anderen Probleme dieser Technologie.
Laut Untersuchungen sind die entstehenden Luftschadstoffe in den Abgasen praktisch identisch zu fossilem Kraftstoff, oder bestenfalls marginal geringer.
Ergo ändert sich durch eFuels praktisch nichts an der Luftverschmutzung in den Städten durch Abgase.
Auch ist die Energiebilanz von eFuels nicht besonders gut. Der Wirkungsgrad im PKW liegt insgesamt bei gerade mal 16-22% (und da ist die Motoreffizienz eher noch auf der optimistischen Seite).
Das bedeutet im Umkehrschluss: Je weniger Effizienz (Wirkungsgrad) ich habe, desto mehr Strom brauche ich. Laut @BMUV benötigt man bei eFuels um den Faktor 6-7 mehr Strom im Vergleich zu Elektrofahrzeugen (die gleichzeitig auch viele Probleme von Verbrennungsmotoren lösen).
Das ist ein Problem, denn wir brauchen in Zukunft in vielen Bereichen mehr Strom als Ersatz für fossile Energie. Ganz speziell erneuerbaren Strom.

Würde man die gesamte PKW Flotte durch E-Autos ersetzen, entspräche das im Betrieb einem Mehrbedarf von ca. 23-25% mehr Strom.
Würden wir die gesamte PKW Flotte mit eFuels betreiben, wäre das (auf Basis der Daten des BMU) ein Mehrbedarf von ca. 150%. D.h. wir verblasen letztendlich eine gigantische Menge an Energie für dieselbe Anwendung. Die Autos fahren dieselben Strecken wie sonst auch.
Das ist Strom, den wir SEHR dringend brauchen. Wir wollen alle Sektoren dekarbonisieren und das bedeutet in jedem Fall: Fossile Energie wird durch Strom oder eine strombasierte Alternative ersetzt.

Daher sollte in jedem Bereich eine möglichst effiziente Lösung angestrebt werden!
Im PKW Bereich ist das der batterieelektrische Antrieb.

Sind eFuels also allgemein Unsinn? Nein, absolut nicht!

Es gibt Bereiche, die zum heutigen Zeitpunkt nicht direkt elektrifizierbar sind. Dort können eFuels tatsächlich eine sehr vielversprechende Lösung sein!
Dazu zählt bspw. der Flugverkehr. Flugzeuge haben generell eine sehr lange Lebensdauer und benötigen enorme Mengen an Energie. Hier bieten sich absehbar nur eFuels als Alternative an.

Auch Schiffe werden auf eine Art synthetischen Kraftstoff angewiesen sein.
Hier ist häufig von synthetischem Ammoniak auf Wasserstoff-Basis die Rede.

Ich denke auch im PKW wird sich eine Nische finden, wie bspw. Oldtimer, die mit eFuels betrieben werden können.

Jedoch sind eFuels als tatsächliche Massenlösung auch für die Zukunft des PKWs kein Ansatz.
Sie sind enorm ineffizient, lösen das Problem der Luftschadstoffe in den Städten nicht und sind obendrein auch teuer.
Derzeit kosten sie etwa 4,5€/L in der Produktion. Man hofft, das irgendwann auf 70-130ct/L zu senken, was immer noch ~2-4x so viel ist, wie fossiler Kraftstoff.
Den Erhalt des Verbrenners mit eFuels zu rechtfertigen, ist eine reine Verzögerungstaktik. Elektrifizierung ist in diesem Bereich alternativlos.

Das ist auch der Autoindustrie klar, weshalb die meisten Hersteller bis oder sogar vor 2035 aus der Verbrennerproduktion aussteigen.
Dass Teile der bestehenden Flotte mit eFuels betrieben werden ist sicher nicht ausgeschlossen, jedoch sind auch die geplanten Produktionsmengen bisher extrem gering.

Es ist nach heutigem Stand wahrscheinlicher, dass die Flotte bis dahin mehrheitlich elektrisch ist.
Auf eFuels als schnelle Übergangslösung für die Bestandsflotte zu hoffen ist also eher unrealistisch. Wenn es jemand macht, ist das natürlich prinzipiell gut. Danach sieht es derzeit aber nicht aus, da die benötigten Mengen wirklich gigantisch sind!
Deutschland allein verbraucht im Jahr etwa 51.900.000.000kg Kraftstoff.
Das größte mir bekannte eFuel-Projekt aus Chile plant für 2026 etwa 550.000.000l.
Also etwa 1% des deutschen (!) Bedarfs. Das ist gut, aber keine schnelle Lösung.
Dass @Wissing den Fokus auf Elektroantriebe klar benennt ist kein Zeichen von verloren gegangener "Technologieoffenheit", sondern einfach die Realität.

Das kommt auch für die Industrie nicht überraschend. Dort ist das längst klar!
Fragen und Feedback gerne hier drunter!
Hier findet ihr noch einen Thread von mir zum Thema CO2-Bilanz von E-Autos.
Unter meinem angepinnten Tweet sind weitere ggf. interessante Threads verlinkt.

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9 Jan
Ein Verein, der in seinen Kreisen seriöse Leute zu haben scheint, hält es wohl für nötig, ein schlecht gemachtes, verkürztes TikTok voller Falschaussagen zu teilen, um Wasserstoff positiv darzustellen, statt dies mit Fakten zu tun und stellt das als "Wahrheit" dar.

Faktencheck.
Das Video folgt eigentlich demselben Schema, dass man von allen Beiträgen dieser Sorte kennt.
Erstmal alles halbwegs gut darstellen und dann kommt der Hammer:
Das ist eigentlich total schlecht!

Angefangen mit Kobalt:
Man behauptet, Akkus bestünden aus Lithium und Kobalt.
Das stimmt für die meisten Akkus auch, ist aber verkürzt.
Die Menge Lithium und Kobalt, die man für einen Akku braucht ist sehr klein, im Vergleich zum Gesamtgewicht.
Read 24 tweets
14 Sep 21
Da mich Wolfgang Lohbecks Aussage zu 3l-Autos und deren angeblich besserer Eignung zur schnellen CO2-Einsparung vs. E-Auto dermaßen nervt, hier nochmal einige Fakten dazu.
@_mtiemann @Stefan_Hajek @sepp_reitberger
@Elektro_Robin @ZDF @emptysignifier
#emobility
[Thread]
Lohbeck behauptet im @ZDF, dass sparsame Verbrenner ("halbierter Verbrauch") besser geeignet seien um CO2 zu sparen als E-Autos.

Diese Aussage ist auf so vielen Ebenen falsch.
Sie geht erstmal davon aus, dass es einfach so möglich sei, ein heutiges Fahrzeug mit 3l Verbrauch zu bauen. Lohbeck macht das an einem Prototyp fest, der vor 25 Jahren gebaut wurde.
Dieser ist ein Leichtbau Kleinstwagen mit einem 0,36l Motor und 55PS. Verbrauch wohl 3,2l.
Read 14 tweets
13 Sep 21
Ich schaue mir jetzt mal diesen Beitrag vom @ZDF an.

Vorab: Meine Erwartungen waren niedrig. Nach dem Beitrag kann ich nur sagen: WOW.

Ein kleiner Fact-Check.
@Elektro_Robin @Stefan_Hajek @VQuaschning @HolzheuStefan @sepp_reitberger
#emobility
zdf.de/dokumentation/…
Es fängt schonmal gut an:
"Sind E-Autos wirklich so sauber wie alle denken?"

Diese Frage baut das komplette Framing dieses Beitrags auf. Man beginnt schonmal skeptisch, denn da kommt ja etwas Neues. Bei Neuem muss man vorsichtig sein. Könnte ja auch der falsche Weg sein.
Diese Frage nach der CO2 Bilanz wurde mittlerweile eigentlich dermaßen oft mit JA beantwortet, dass ich mich frage, warum wir noch darüber reden.

@Elektro_Robin sagt es im Beitrag treffend: EVs sind ein wichtiger Baustein hin zur CO2 Neutralität.
Read 34 tweets
21 Jun 21
Kolben-Koch und co. gehen davon aus, dass ein ID.3 mit 224.000km Laufleistung 2030 doppelt so viel CO2 verursacht haben könnte als angenommen (exkl. Produktion, ich nehme aber an inkl. Batterie), nämlich bis zu 30t CO2.

Ich versuche das mal grob zu überschlagen:

- MiniThread -
Wenn der ID.3 mit dem worst case bei der Batterieproduktion gebaut wurde, verursacht die Batterie ~6150kg CO2 in Produktion (theoret. Annahme, afaik kompensiert VW das).

Um bei 224.000km und 16,1kWh Verbrauch auf 30t zu kommen, müsste der Strommix bei ~660g CO2/kWh liegen.
Der Strommix 2020 lag bei ~365g CO2/kWh.

Koch und co. gehen also, wenn ich das richtig lese, davon aus, dass der ID.3 im SCHNITT (!!) über 10 Jahre mit einem Strommix fährt, der 81% höher ist als heute.

Das ist ja mal so ein unglaublicher Unfug, wie kommt der auf sowas?
Read 11 tweets
17 Jun 21
Der Tweet von @Karl_Lauterbach hat mich inspiriert mal etwas über die CO2-Bilanz von E-Autos zu schreiben.

Warum E-Autos nicht umweltschädlicher sind als Verbrenner, wie die Bilanz heute aussieht und wie man Aussagen zum CO2 Rucksack interpretieren muss.

Ein Thread.
Hartnäckig halt sich in der Gesellschaft das Gerücht, dass E-Autos eine schlechte CO2 Bilanz hätten.
Es wird von CO2 Rucksäcken >150.000km (Fahrleistungs-Äquivalent) geredet oder gar in Frage gestellt, ob das E-Auto (im Folgenden EV = electric vehicle) überhaupt CO2 einspart.
Angeführt werden dann häufig irgendwelche Kalkulationen, Studien oder Meinungspapiere, die das beweisen sollen.

Und genau hier liegt das Problem. Man muss diese Kalkulationen verstehen können, um ihre Aussagekraft und Korrektheit zu interpretieren.
Read 34 tweets
2 Jun 21
In meinem Umfeld wird gerade wieder die Kobalt-Story rumgereicht.

Ich kanns langsam nicht mehr hören. Diese Diskussion wird so unglaublich einseitig geführt...

Darauf angesprochen reagieren die meisten pampig und meinen alles besser zu wissen.
#emobility
Etwas Kontext für Leute, die nicht so im Thema drin sind:

In den meisten Akkus (allgemein, auch EVs) wird heute Kobalt verwendet, der Trend geht jedoch in den nächsten Jahren zu kobaltfreien Batterien, die teilweise auch schon erhältlich sind (Tesla Model 3 SR aus China bspw.)
Ebenfalls wird Kobalt für die Herstellung hochfester Stähle und anderer Bauteile verwendet, die in Verbrennungsmotoren und deren Abgassträngen genutzt werden, sowie für die Entschwefelung von Kraftstoff für diese Motoren.

Es gibt also viele Anwendungsbereiche.
Read 8 tweets

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