Ich schreibe nun einen langen Thread darüber was meiner Meinung nach in den Grundlagen von ABA falsch läuft. Es geht um Studien, Ethik und auch um Menschenrechte.
Über Wissenschaft und Evidenz bzw Wirksamkeit von ABA wurde in den letzten Tagen viel geredet.
Dabei kommen 1/
in der Debatte zwei Punkte zu kurz die meiner Meinung nach aber zur Wissenschaftlichkeit dazu gehören.
Da haben wir die Frage ob autistische Kinder, die in den eher schwach evidenten Studien gewünschte Verbesserungen zeigten, sich auch ohne ABA entwickelt hätten. ABA Praktiker 2/
verneinen dies immer wieder. Eltern wird oft erzählt das ohne ABA ihre Kinder sich nicht entwickeln würden. Oft werden Angstszenarien aufgebaut. "Wenn Sie nicht wollen das ihr Kind ein Leben lang Windeln tragen muss /nicht spricht/usw".ABA Studien geben auch keine Informationen3/
dazu weil in fast allen Studien die die Wirksamkeit belegen sollen ein wichtiges wissenschaftliches Qualitätsmerkmal fehlt: Die randomisierte Kontrollgruppe.
Was die Praxis aber Millionenfach zeigt: Autistische Kinder entwickeln sich auch ohne ABA. Das dauert unter Umständen 4/
länger als bei nichtautistischen Kindern liegt aber im Autismus als tiefgreifende Entwicklungsstörung begründet.
Kann und darf Wissenschaft die Realität ausblenden?
Ein mindestens genauso wichtiger aber seitens der ABA Institute und Gesellschaften unerforschter Punkt steht 5/
quasi diametral zur Wirksamkeit. Der Schaden der durch die Anwendung von ABA entstehen kann.
Ist es in der Medizin und Therapie nicht Grundsatz das auch die "Nebenwirkungen" und ein möglicher Schaden und dessen Umfang erforscht und geklärt werden müssen? BEVOR diese Methoden 6/
beim Menschen in der Breite angewandt werden dürfen?
In den verschiedenen Berufsordnungen, Berufsethiken und Berufseiden bei Medizinern, Psychotherapeuten, Psychologen und Pädagogen (die Hauptgruppen die ABA anwenden und oder propagieren) ist immer folgender Grundsatz zu 7/
finden: Dem Patienten bzw Menschen den man behandelt, therapiert oder mit dem man arbeitet darf durch die Handlungen kein Schaden zugefügt werden.
Wie kann man dann also ABA bei autistischen Kindern praktizieren wenn nicht einmal evident belegt ist das ABA keine Schäden 8/
im körperlichen oder psychischen Sinne verursacht? Wird die ethische Frage so gerne diskreditiert und ausgeblendet?
Kommen wir zu einem weiteren in meinen Augen wichtigen Aspekt der übergangen wird: Menschenrechte.
Hier wird gerne argumentiert, dass die Eltern als Erziehungs- 9/
berechtigte ja der Anwendung von ABA zugestimmt haben. Nur wurden diese unabhängig (!) und umfassend informiert? Geht das bei einer fehlenden Studienlage zu Schäden und Langzeitfolgen von ABA?
Ich bin kein Jurist, ich möchte Denkanstöße geben.
Fangen wird grundlegend mit dem 10/
Grundgesetz an.
Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Wer empfindet die Videos von ABA praktizierenden im Netz würdewahrend?
Artikel 2 (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit...
Dürfen Autist:innen ihre Persönlichkeit entfalten 11/
wenn man sie normalisieren möchte? Wenn man ihnen autistisches Verhalten abtrainiert, verbietet und sanktioniert?
Wohlgemerkt Verhalten und Symptome die autistisch bedingt und in der Ursache nicht zu ändern sind und zur Persönlichkeit der Autist:innen dazu gehören. 12/
Weiter mit Artikel 2 (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Ist die körperliche und psychische Unversehrtheit gegeben?
Die UN-BRK ist bei den Rechten behinderter Menschen allen Alters noch ausführlicher formuliert.
Es muss die Frage gestellt werden 13
ob die Anwendung von ABA nicht gegen grundsätzliche Menschen- und Behindertenrechte verstößt.
Dazu zählen körperliche und psychische Unversehrtheit, Selbstbestimmung und die Achtung der Person und deren Würde.
Ein weiterer Aspekte der sich dem anschließt ist die Frage ob das 14/
Bild vom Menschen das ABA zugrunde liegt diese Würde garantieren kann. ABA mag sich verändert haben (oder auch nicht) aber die Grundlage des gesamten Konstruktes ist und bleibt das Menschenbild dahinter. Nur wer das verinnerlicht kann ABA verstehen und anwenden. Wie sahen 15/
nun Skinner als Begründer des radikalen Behaviorismus und Lovaas als ABA "Vater" die Menschen mit denen sie umgegangen sind? Hier trenne ich mal das Menschenbild des Behaviorismus von dem persönlichen Umgang der zwei Herren mit ihren "Forschungsobjekten".
Der Behaviorismus 16/
geht von folgende Grundlage aus:
Es gibt bzw zählt nur das Verhalten von Menschen. Also das was von außen zu sehen ist.
Dabei schließen sie vollkommen das Innenleben und die Gefühlswelt aus.
Menschen sind also leere Körper die agieren und reagieren.
Moderne Psychologie hat 17/
den Leitsatz das JEDES Handeln eines Menschen für diesen einen Sinn und einen Grund hat.
Ein weiterer massiver Schwachpunkt des Behaviorismus ist das ignoriert wird das die Wahrnehmung von Verhalten zum einen immer von Beobachter zu Beobachter abweicht und zum anderen immer 18/
auf gewisse Weise unbewusst gewertet wird. Das zu erkennen und anzuerkennen würde dem Behaviorismus widersprechen, es gibt bei Menschen ja kein "Innenleben".
Wer sich mit Autismus nur ein wenig befasst wird schnell merken das besonders hier die Schere zwischen Innen- und 19/
Außensicht besonders groß ist. Also auch ohne Behaviorismus schon das was beobachtet wird teilweise massiv von dem Innenleben und dem Erleben von Autist:innen abweicht. Und gerade dies viel Schaden anrichtet.
Kommen wir zum persönlichen Bild virallem von Lovaas. 20/
"„You see, you start pretty much from scratch when you work with an autistic child. You have a person in the physical sense—they have hair, a nose and a mouth—but they are not people in the psychological sense. ..." 21/
"... One way to look at the job of helping autistic kids is to see it as a matter of constructing a person. You have the raw materials, but you have to build the person.“
Möchten Sie das man Sie oder Ihr Kind so sieht bzw auf diesem Menschenbild "therapiert" ?
Lovaas arbeite22/
ebenfalls mit körperlicher Züchtigung und drohte autistischen Kindern schon mal an sie zu töten.
Zwang, Kontrolle, Dominanz und Zuckerbrot und Peitsche kennzeichnen den Behaviorismus und ABA.
Wundert es Sie das auch heute noch die Wirksamkeit von ABA mit den "Erfolgen" von 23/
Lovaas begründet wird?
Natürlich mit dem Zusatz heute keine Aversiva zu verwenden. Die Aversiva mit denen Lovaas überhaupt erst Erfolg hatte und aufgrund dessen man die eigene Wirksamkeit begründet? 🤔
Übrigens kommen heute noch Strafen zum Einsatz. Die aber nicht als solche 24/
gesehen und kommuniziert werden.
Man rät Kindern essen zu entziehen im dann Verstärker in Form von Essen wirksamer zu machen.
Oder man nimmt wichtige Routinen autistischer Kinder weg um dann diese Routinen als Verstärker einsetzen zu können.
Ihnen geht es nicht gut bei diesen 25
Beschreibungen? Ihr Gefühl sagt "Nein!" und sie fühlen mit den Kindern mit?
Für Verteidiger von ABA irrelevant.
Bauchgefühl sei unwichtig, die wissenschaftliche Evidenz zähle.
Und genau das macht ABA so entmenschlichend. Die eigenen Gefühle sind "minderwertig" im Vergleich 26/
zur Wirksamkeit. Dabei braucht es eines für autistische Kinder und Erwachsene:
Empathie, Verständnis und die Botschaft "Ihr seid gut wie Ihr seid".
Und weniger Drill, Normalisierung u. das ständige Feedback "Dein NEIN wird ignoriert oder bestraft. Dein Wille ist unwichtig" 27/27
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Herr Prof Dr. Bördlein:
Haben Sie dieses Niveau nötig?
Zum einen unterbinden Sie Antworten auf Ihre Reaktion zu mir. Das sagt einiges über Sie aus.
Zum anderen unterstellen Sie mir das ich nur den Abstract und nicht das gesamte Dokument gelesen habe. 1/
Wie kommen Sie zu dieser Behauptung? Und warum erwähnen Sie es? Haben Sie evtl die Intention mich ggü den Lesern Ihrer Tweets als ihnen kognitiv und intellektuell unterlegen darzustellen?
Nicht die feine Art. Aber ok.
Dann kommen wir mal zum Inhalt.
Ihr Einwand ABA sei nicht 2/
nur EIBI ist eine Nebelkerze. Denn EIBI ist ABA.
Sie zitieren den Cochrane Report.
Da ist die Rede von positive effects. Das heißt nur das sich etwas verbessert hat. Um welchen Grad oder mit welchem Ausmaß ist offen. Weiterhin verweisen Sie auf 3/
Im Wissenschaftsrat der #GWUP sind 10 von 19 Mitgliedern aus Medizin und Psychologie. Darunter ein Neuro- und ein Wahrnehmungspsychologe. Plus eine Erziehungswissenschaftlerin.
Und die erkennen alle nicht das ABA Konversionstherapie und wissenschaftlich veraltet ist? #Autismus
Andersherum gefragt:
Wenn eine "Therapie" mit fachunkundigen Aushilfen oder den Eltern als Co Therapeuten umgesetzt wird, teilweise massive Folgen wie PTBS und Essstörungen erzeugt, aus Befehlsfolgen im Sekundentakt besteht, 40 Stunden pro Woche an Kleinkindern praktiziert
wird und von vielen autistischen Menschen kritisiert und abgelehnt wird ist das doch ein starker Indikator dafür dass zum SCHADEN von Menschen Geld verdient wird, oder?
Ich dachte immer genau das ist etwas wo die skeptische @gwup hinschaut.
Das skeptisch auf den Prüfstand
Ein paar Worte und Tweets über das Spiel mit Evidenz, die Wissenschaftlichkeit und Ethik bei #NoABA.
Ohne über eine mögliche Evidenzbasierung von ABA streiten zu wollen (Metastudien und Chocrane Reviews kritisieren die Qualität von ABA Studien) mal ein hartes Beispiel dazu 1/
dass ABA ständig mit der Evidenzbasierung beworben und verteidigt wird:
Einen Menschen zu köpfen ist zweifellos evident tödlich. Rein wissenschaftlich gesehen. Setzt man es deshalb in der Praxis um? Nicht alles was man mit wissenschaftlicher Methodik theoretisch belegen kann 2/
ist auch in der Praxis angemessen.
Was mich zum zweiten Punkt bringt: Die Ethik. Gerade seitens eines Mitglieds der GWUP kam die Aussage das Ethik objektive Bewertungskriterien hat und man nicht auf ein Bauchgefühl vertrauen sollte. Davon abgesehen das jeder Mensch Ethik anders3/
Bei einer Therapie
- die als Konversionstherapie bei Homosexualität angefangen hat
- sich selbst Wissenschaft nennt
- auf einem entmenschlichenden Menschenbild beruht
- deren Evidenzbasierung wissenschaftlich löchrig ist
werden Skeptiker nicht skeptisch und drücken alle Augen zu?
Diese Liste kann man noch erweitern.
- sich als EINZIGE wirksame Therapie bei #Autismus beschreibt
- deren zertifizierte Anhänger sich dazu verpflichtet haben nur positiv über ABA zu berichten
- und negative Berichte umgehend zu "korrigieren"
Da sollten alle Alarmglocken läuten!
Wer trotz dieses Wissens die Augen zu macht und sagt "Es ist nicht unsere Aufgabe" macht sich mitschuldig.
Wer sagt "Diskussion ist wichtig, aber... Ohne uns" drückt sich vor Verantwortung und Courage denen Menschen gegenüber die darunter zu leiden haben.
Habt Ihr Euch einmal
Ergänzend zu dem Thread gestern heute noch ein paar Worte zu der Situation autistischer Aktivist:innen und dem Bereich Selbstvertretung.
Kaum einer kann sich wohl vorstellen wie es bei uns aussieht. Wie auch? Man schaut zu den Aktivist:innen anderer 1/
Behinderungen, sieht deren Erfolge die hart erkämpft sind und schließt daraus auf #Autismus zurück.
Das klappt nicht. Leider. Ich wünschte wir wären auf dem Stand der anderen Aktivist:innen und hätten deren Basis.
Während z. B. in den 70er Jahren sich auch in Deutschland die 2/
sogenannte "Krüppelbewegung" formierte und die Grundsteine für eine Emanzipation behinderter Menschen legte tat sich bei uns nur eines: Eltern gründeten Verbände. Zeitgleich oft mit dem Anspruch das autistische Kinder nicht sprechen bzw nicht für sich sprechen könnten. Ein 3/