Thread by @pape_lapapp

Uh, meine Hand im Spiegel. Ausgerechnet so, bisschen enttäuschend.

Dachte immer dazu käme es erst, wenn ich so nem süßen Talkshowgesicht wie @NikolausBlome eine Torte verpasse.

spiegel.de/politik/deutsc…

Jedenfalls hab ich drauf geklickt & mir seine kleine Klimadelayerkolumne durchgelesen. Bin jetzt irgendwo zwischen Belustigung & Bestürzung über die Qualitätsstandards im Spiegel. Wahnsinn, dass solche Darbietungen für weiße Männer einfach normale Ausdrücke ihrer Karriere sind.

Er schreibt so schön staatsmännisch vom journalistischen Respekt vor der Politik, den er nicht verloren hat. Die journalistische Recherche scheint er hingegen nicht zu respektieren. Seine Kolumne hat vier thematische Schwerpunkte:

Klimakrise, Klimaaktivismus, Ökonomie und Demokratie, er schaffts in allen vier Themen irgendwo zwischen Fakenews und kursorischem Wissen rumzurudern - Ehm,
@derspiegel factcheckt ihr eigentlich noch?

1.) Ziviler Ungehorsam in einer Demokratie ist keine "Respektlosigkeit vor Politik" sondern Ausdruck einer sich ändernden gesellschaftlichen Situation.

Viele Errungenschaften der Demokratie wie das Frauenwahlrecht wurden durch Taktiken des zivilen Ungehorsams erstritten. Aber

das zu wissen ist bei einem Mann mit 30 Jahen Politikjournalismus- und Redaktionserfahrung wohl zu viel gehofft. (Leute, denkt an @NikolausBlome wenn ihr das nächste mal nen Anflug von Imposter Syndrome habt)

2.) Aber nein, die staatsmännisch aseptische Politik des Herrn Blome braucht so ne dirty Straßenkleberei auch gar nicht, denn "[dieser Politik ist es gelungen], den Energieverbrauch vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln oder den CO₂-Ausstoß in Deutschland um 40 Prozent (seit

1990) zu reduzieren"

Na, läuft doch mit der Klimapolitik, oder? Nein, beide Effekte sind wesentlich durch die Verlagerung der Produktionsstandorte aus der BRD heraus verursacht, die btw nicht ieL politisch erwirkt, sondern vorwiegend betriebswirtschaftlich entschieden wurden.

Nicht zuletzt, weil anderswo die Ausbeutung von Arbeitskraft billiger ist als hier. Aber unsere Wirtschaft und unser Konsum ist dadurch nicht weniger schmutzig, fossil, ressourcenintensiv.

quarks.de/umwelt/klimawa…

In Fachpublikationen zum Thema sieht man deswegen immer häufiger eine Aufdröselung nach Wealth und nicht nach Territorien. Ist es zu viel verlangt, dass er das weiß wenn er sein Geld damit verdienen will, über die Klimakrise zu sprechen und zu schreiben?

nature.com/articles/s4146…

3.) Er unterstellt uns Klimaaktivist:innen Demokratiefeindlichkeit:

"Wenn man trotzdem (wie sie) bis ins Innerste befürchtet, dass Demokratien nicht in der Lage sind, den Klimawandel in den Griff zu kriegen"

Oh boy, wir sagen, immer und immer und immer und immer wieder, so oft, dass wir uns selbst schon nicht mehr hören können, dass der *Kapitalismus* die Klimakrise nicht in den Griff kriegt.

Warum kriegen eigentlich so viele konservative Dudes den Unterschied zwischen Kapitalismus und Demokratie nicht auf die Kette und wie können wir ihnen da besser zur Seite stehen?

Wie Kai aus der Kiste kommt im Mittelteil natürlich auch noch

4.) subtiles Wachstums-Product-Placement, das wie so oft im Kapitalismus nix als längst widerlegte heiße Luft ist:

"wenn jeder und jede auf dem Planeten durch Wachstum eine gleiche Chance auf eine unbeschwerte Kindheit, eine Schule, eine Arbeit und ein langes Leben haben soll"

Wachstum basiert auf Ungleichheit, braucht Ungleichheit, intensiviert Ungleichheit. Ist es Wissenslücke oder konservative Anschauung, das flat out zu leugnen?

theguardian.com/global-develop…

4.) Klimaaktivisti verweigern sich der gesellschaftlichen Debatte:

"die Klimaschützer wollen es einfach haben und das um jeden Preis. Was da nicht passt, wird unter Hashtags wie #VollgasindieKrise von weltrettungsmoralisch ganz oben plattgemacht"

Digga, was?

#FFF hat literally ne Studie zu möglichen Dekarbonisierungspfaden in Auftrag gegeben, die die Bundesregierung eigentlich selbst hätte in Auftrag geben sollen, allein schon weil sie das Pariser Abkommen ratifiziert hat.
wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/51…

Ich kenn kaum Leute, die geduldiger sind als Klimaaktivisti. Viele machen den Shit schon seit 20,30 Jahren und ich wüsste einige, die auch früh morgens zu Olaf nach Haus fahren würden um ihm die Glatze für den Tag zu polieren wenn‘s was helfen würde. Wir sind fucking verzweifelt

& kommen sogar in eure beschissenen abgekarteten Talkshows, wo ihr uns dann für Klicks vorführt.

Wie das aussieht, konnten wir alle vorgestern auf #SternTV sehen, in dem @NikolausBlome selbst als Moderator seinem Gast @MuellerTadzio ganz im Stile eines respektvollen politischen

Diskurses unzählige Male über den Mund fuhr, nachdem er ihm aggressive Suggestivfragen gestellt hatte.

However, gegen Ende dieses unsäglichen Konvoluts aus Lausbubengeschichten von früher und random Ressentimentfragmenten blitzt dann doch auch etwas klemmige Ratlosigkeit durch:

„Wenn die radikalen Klimaschützer ihre eigenen Warnungen und Szenarien ernst nehmen, müssten sie dafür sorgen, dass wir in ganz wenigen Jahren auf CO₂-null in DE kommen. Doch das geht in keinem Fall mit dem Bundestag, das geht bestenfalls mit der Bundeswehr“

Er ist es, der es

der Demokratie nicht zutraut, sich wandeln & vom Kapitalismus emanzipieren zu können. Und deswegen bleibt ihm – durch und durch Staatsmann – nichts anderes übrig, als auch die Realität des Problems ganz von sich zu weisen:

Dann sind es nur „ihre Szenarien“, die „sie ernst nehmen“.. und sonst gar nichts.

Dabei haben sich, das müßte der Politikjournalist doch vielleicht auch wissen, Gesellschaften und Demokratien historisch so oft schon progressiv gewandelt, auch oft unerwartet.

Demokratie ist viel mehr als Warten auf Godot. Und die Lösungen sind da. Um sie kennen zu lernen müsste man nur vielleicht mal recherchieren.

Hier zur Aufmunterung: Ich mit meiner Hand vorm Bauernverband.