Mehr als 1,3 Millionen Geflüchtete aus der #Ukraine sind seit Kriegsbeginn in #Polen angekommen. Viele von ihnen in der Stadt #Przemyśl. Mittlerweile hat dieser Ort des Ankommens und Weiterreisens auch Sekten, Fleischbarone, Rechtspopulisten und einige mehr angezogen. Ein Thread:
Zentraler Ankunftsort ist der Bahnhof Przemyśl. Züge direkt aus der Ukraine kommen hier an und die Menschen reisen dort weiter. Flüchtende die mit Bussen kommen, müssen zu Fuß durch den Grenzübergang Medyka und werden von der Feuerwehr in die Stadt gebracht und weiterverteilt. Eine Gruppe von Flüchtenden...
An den Orten, wo sich Menschen zur Weiterreise sammeln, wie den Grenzübergängen und dem Bahnhof, fallen sofort die großen Schilder der Zeugen Jehovas auf. Sie scheinen hier wirklich überall zu sein. Anwerbeversuche kann man allerdings nicht beobachten. Ein Mann steht mit einem Sc...
Maciek und Wojtek aus Polen stehen den ganzen Tag mit ihren Schildern an der Grenze. Sie erzählen, sie würden dort auf Glaubensschwestern und Brüder warten und sie in Empfang nehmen. Laut Webseite der ZJ gibt es in der #Ukraine 129.143 Zeugen Jehovas. Ein Portrait von zwei Männe...
Das ist Lucas aus Schweden. Er sei für die Church of England zum missionieren hier, sagt er. Als ich mich mit ihm unterhalte, spricht er die Zeugen Jehovas an: Sie würden nur mit ihren Schildern im Weg stehen und könnten doch Essen verteilen. Einig werden sie sich nicht. Image
Ingesamt zeigt sich an der polnischen Grenze: Große Hilfsorganisationen sind kaum vor Ort. Am meisten leistet die Feuerwehr. Ansonsten sind Freiwillige aus der ganzen Welt gekommen. Manche auch mit fragwürdigem kirchlichen/"christlichen" Hintergrund.
Besonders fällt die sektenartige Gruppe „Awakening Europe“ auf, deren Gründer Ben Fitzgerald sogar persönlich vor Ort ist. Auf Instagram berichtet die Bewegung von einer Wunderheilung eines ukrainischen Mädchens. Sie habe jetzt ihr Leben für Jesus gegeben. "After being led to pr...
In einem Hotel hören wir zufällig ein Gespräch von deutschen und amerikanischen Missionaren. Sie beschwerten sich, dass die Geflüchteten hier nur weiterreisen möchten und keine Zeit hätten, zu Jesus zu finden. In anderen Worten: Es ist zu gut organisiert, um Menschen anzuwerben.
Auch fällt auf: Jede*r kann Menschen aus der Ukraine im Auto mitnehmen. Junge Frauen, die in das Auto eines Fremden steigen, der sie in ein anderes Land bringen will. Das hinterlässt oftmals ein mulmiges Gefühl. Kontrollieren lässt sich das kaum. Es sind einfach zu viele Menschen
Drumherum hat sich - wie immer in solchen Situationen - ein immenser Medienzirkus entwickelt. Da gibt es Liveschalten in alle Welt, Reporter*innen drängen sich um Protagonist*innen, Hotels sind überall ausgebucht. Es wird das Offenbare deutlich: Journalismus profitiert von Krisen Image
Przemysl zieht auch einige Politiker*innen an. Rechtspopulist Salvini, bisher eher dafür bekannt Seenotretter*innen zu kriminalisieren, hat plötzlich seine Solidarität für Geflüchtete entdeckt. Der (ebenfalls rechte) Bürgermeister hat eine klare Antwort:

Auf einmal steht dann auch Clemens Tönnies in #Przemyśl. Der Milliardär, der bisher eher durch Ausbeutung, Corona-Hotspots, Cum-Ex und Rassismus aufgefallen war. Er fühlt sich seit dem Angriffskrieg Russlands von „Putin getäuscht“. (Foto von 2006, Reuters) Clemens Tönnies hält gemein...
In Przemyśl zeigt sich Tönnies sichtlich berührt und man nimmt ihm das auch ab. Er habe einen Hilfskonvoi organisiert. Vielleicht ist das ein Zeichen von Erkenntnis. Trotzdem bleibt ein Beigeschmack von Doppelmoral. Kaum jemand könnte unmittelbar mehr tun, um Dinge zu verändern. Clemens Tönnies gibt der AR...
Am Bahnhof Przemyśl bilden sich zwei Schlangen. Die viel Größere mit Menschen, die aus der #Ukraine kommen, die Kleinere, mit Menschen die in die Ukraine wollen. Auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Das sind Andreas(33) und Joel(26) aus Schweden. Sie reisen in die #Ukraine um sich dem rechtsextremen Asow-Regiment anzuschließen. Militärische Erfahrung haben sie keine. Andreas war im Knast, drogenabhängig und ist seit 20 Monaten clean. Zwei junge Männer mit milit...
Joel berichtet, er habe ein langweiliges Leben in Schweden geführt: "Ich habe nur gearbeitet und Videospiele gespielt". Andreas wirkt wie der Anführer der beiden und es macht den Eindruck als brauche er nach seiner Drogensucht einen neuen Kick. Darum geht es jetzt in den Krieg.
Auf Asow angesprochen, verharmlosen sie das Regiment zunächst. Je länger das Gespräch geht, desto mehr tritt ihre Gesinnung zu Tage. Sie würden für die weißen Menschen kämpfen, sagt Andreas. Schwarze Menschen hätten ja schließlich auch nie für ihn gekämpft.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Lage hier weiter entwickelt. Je mehr Flüchtende kommen und je länger diese Ausnahmesituation bestehen bleibt, desto mehr fragwürdige Organisationen und Menschen werden hier hergezogen.
Eines gilt es abschließend klarzustellen: Viele leisten hier unerlässliche Arbeit und helfen mit ganzem Herz und wo sie können. Die Solidarität an vielen Orten ist unbeschreiblich. Trotzdem lohnt es sich, immer genau hinzuschauen.
Wer es bis hier her geschafft hat, folgt gerne den Kolleg*innen, die von den europäischen Außengrenzen berichten und unglaublich wichtige Arbeit leisten: @SitaraAmbrosio, @f_grillmeier, @iv_anno, @mic_tra

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Familie, Freunde, Kontakte, Schule, Sprachkurse etc.. All das müssen jetzt 135 Menschen hinter sich lassen und kurzerhand in einem anderen Ort wieder aufbauen. Helfer*innen und Stadt FFB kritisieren diese Praxis zurecht. sz.de/1.5543105
@SZ Kommentator Peter Bierl fasst die Praxis der bay. Regierung treffend zusammen: „es gibt Flüchtlinge erster und zweiter Klasse, fein sortiert nach der Herkunft. Die unterschiedliche Behandlung markiert den rassistischen Charakter europäischer und deutscher Flüchtlingspolitik.“
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