Pavel Mayer Profile picture
Mar 18 25 tweets 5 min read
Dies hier ist die Fortsetzung eines Threads zum Thema No-fly-zone, wo primär die militärischen Aspekte von Luftoperationen beleuchte werden: Für die Gesamteinschätzung ist aber noch ein Blick auf die Situation am Boden wichtig, und die Rolle von Drohnen.
Die meisten Schäden und Opfer werden derzeit wohl durch durch Artilleriebeschuss hervorgerufen, weil die russische Luftwaffe nicht die Lufthoheit hat, und nicht einmal die Luftüberlegenheit, wie Russland behauptet.
Die medial spektakulären Zerstörungen im Landesinnern und in Innenstädten dagegen werden oft von Marschflugkörpern verursacht, die aus dem Russischen oder Weißrussischen Luftraum von strategischen Bombern gestartet werden.
Bombardierungen aus dem Luftraum der Ukraine heraus sind nach den hohen Verlusten der ersten Tage dagegen wohl eher die Ausnahme geworden, wobei das regional unterschiedlich ist und sich auch ändert.
Der Ukraine wäre demnach viel mehr mit Systemen zur Luftabwehr gedient als mit einer No-fly-zone, und aus Expertensicht auch mehr als mit der Lieferung der polnischen Mig-29.
Eine MIG-29 hat nämlich nur Sprit für 30 Minuten und könnte ohne Tankflugzeuge mitten über der Ukraine gar nicht an den meisten Fronten im Osten oder in Mariupol eingesetzt werden, wenn diese im Westen der Ukraine stationiert sind. Image
Tankflugzeuge könnte man über der Ukraine aber erst einsetzen, wenn die russische Luftabwehr ausgeschaltet wäre, und das wäre wie im vorigen Thread dargelegt mit massiven Angriffen tief nach Russland hinein verbunden und einem Seekrieg verbunden.
Außerdem dauert der Ausbau der NATO-Technik und Einbau neuer Technik eher Monate als Wochen, und die ukrainischen Piloten müssten auch umtrainiert werden, weil die polnischen MIGs ganz andere Waffenkonsolen haben. Die ukrainischen Piloten könnten sie zwar fliegen, …
...aber ohne längeres Training nicht effektiv mit ihnen kämpfen. Es soll wohl ukrainische Piloten geben, die auf NATO-Flugzeugen ausgebildet sind, aber Details kenne ich nicht. Außerdem ist unklar, welche Rolle mehr MIGs überhaupt übernehmen könnten.
In der Nähe der Front wären sie durch Luftabwehr beider Seiten hoch gefährdet, würden angeblich nur um die 5 Einsätze überleben. Im Landesinnern könnten sie Luftpatrouillen fliegen und ggf. russische Flugzeuge abfangen, aber eigentlich können die ukrainischen MIGs...
...sich nur im Tiefflug halbwegs sicher übers Land bewegen, weil sie sonst von den Langstreckensystemen der Russen erfasst und bekämpft werden können, die bis 350 km Reichweite haben. Im Tiefflug verbrauchen Flugzeuge zudem besonders viel Sprit.
So sind viele Experten mit viel mehr Ahnung als ich der Meinung, dass Luftabwehrsysteme zu liefern viel hilfreicher wäre, als die heiße Kartoffel polnische MIG-29 anzufassen.
Für den Umbau müssten die polnischen MIG-29 auch teilweise zerlegt werden, und weil auch das Überführen aus einem NATO-Land in die Ukraine ein problematischer Akt ist, wäre es einfacher, polnische MIG-29 zu zerlegen und unauffällig in Kisten in die Ukraine zu schaffen, ...
...wo sie dann überwiegend als Teilespender helfen könnten, die Flugzeuge der Ukraine einsatzfähig zu halten. Ich gehe davon aus, dass so etwas wahrscheinlich bereits erwogen oder vielleicht praktiziert wird.
Hört man den Experten zu, klingt das alles ganz überzeugend, aber ich frage mich, wie ich das sehen würde, wenn ich Ukrainer im Krieg wäre, und bevor man eine Meinung übernimmt, ist angeraten, alles intellektuell dagegen zu werfen, was man hat, und ein Perspektivwechsel hilft da.
Als Ukrainer im Krieg würde ich erst mal denken: Mehr Kampfflugzeuge sind besser als weniger, denn es ist ein Abnutzungskrieg, und die ukrainische Luftwaffe nutzt sich ab und wird langsam aufgerieben.
Außerdem läuft ein Kampf um Luftüberlegenheit, und die MIG-29 taugt für diese Rolle. Was die Umrüstung betrifft, würde ich sagen, unterschätzt uns Ukrainer bitte nicht, wir haben schließlich unsere eigenen MIG-29 selbst modernisiert und mehrrollentauglich gemacht;
...überlasst uns das doch einfach. Wir kennen uns damit aus. Schließlich würde ich noch denken, dass meine Truppen durchaus Luftunterstützung gebrauchen können, und das Risiko tragen unsere Piloten. Im Krieg sind Risiken unvermeidlich. Und die Luftabwehrsysteme nehmen wir auch.
Die Rolle von Drohnen, insbesondere der hochgelobten türkischen Bayraktar TB-2, ist eine etwas andere, als man medial den Eindruck gewinnen konnte. Zum ersten sagt sie mehr über die Unfähigkeit der russischen Luftwaffe und Luftabwehr aus als über die Leistungsfähigkeit der TB-2.
Die TB-2 ist eher mit einem leichten, einmotorigen Propellerflugzeug zu vergleichen, mit 650kg Startmasse und 150kg Zuladung, und sollte eigentlich für eine moderne Luftwaffe und Luftabwehr kein Problem darstellen. Image
Sie kann außerdem nur maximal 150 km von der Bodenkontrollstation entfernt eingesetzt werden und ist anfällig für Störsender, wobei die Russen diese nicht einsetzen konnten, weil sie damit mangels moderner Funktechnik in der Truppe auch ihren eigenen Funkverkehr gestört hatten. Bayraktar TB-2 Bodenstation
Die niedrige Nutzlast erlaubt zudem nur eine vergleichsweise leichte Bewaffnung, die zwar auch gegen Kampfpanzer wirksam sein sollte, aber es gibt nur eine bestätigte Meldung dafür, sie wurde aber erfolgreich gegen Tankfahrzeuge und Luftabwehrbatterien eingesetzt.
Den Hauptnutzen hat sie wohl bei der Aufklärung, Gefechtsführung und wegen der guten Bilder bei der Propagandaschlacht geleistet, und sie hat auch eine verunsichernde Wirkung auf die Bodentruppen.
Die Russen haben sich aber auch darauf eingestellt, so dass keine Wunder zu erwarten sind. Hilfreich wäre daher die Ausrüstung der Ukraine mit schwerer bewaffneten Kampfdrohnen, die die USA nun wohl auch liefern wollen.
Auch dieses Angebot von 50 Gepard, mit denen KMW einen Flugabwehrpanzerverleih betreibt, klingt interessant. Ich kann aber überhaupt nicht einschätzen, welches Training und welche Umbauten es bräuchte und wie nützlich sie tatsächlich wären. welt.de/wirtschaft/plu….

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Pavel Mayer

Pavel Mayer Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @pavel23

Mar 19
"Es ist billiger in Syrien zu kämpfen als in Russland Wehrübungen abzuhalten." Angeblich soll das ein russischer General gesagt haben. () Passt zu dieser Meldung. Alles Propaganda oder trotzdem war? bbc.com/news/world-eur…
Ich bin geneigt, dem Glauben zu schenken; also, dass ein russischer General das gesagt haben könnte, und dass die russische Militärführung Syrien als willkommene Trainingsgelegenheit gesehen und genutzt und in dem Zug auch militärische Operationen durchgeführt hat,...
...bei denen der Trainingsaspekt entscheidenden Einfluss auf die Operationsplanung hatte und es so etwa zu exzessivem Einsatz schwerer Waffen kam, was wiederum zu vielen zivilen Opfern führte.
Read 25 tweets
Mar 19
Nachdem der vorige Thread mit dem für Putin bestmöglichen Szenario endete, das ich mir vorstellen kann, nun ein Hirngespinst über das bestmögliche für "uns", die NATO und den Großteil der Welt, einschließlich Russland.
Bis zu diesem Punkt verläuft die Entwicklung noch parallel; Ich kann mir bis da hin keinen anderen Verlauf plausiblen Verlauf vorstellen, der nicht irgend ein völlig überraschendes, unvorhersehbares Ereignis enthält und alles auf den Kopf stellt, ...
...wie Szelenskiys Auftritt in den ersten Kriegstagen. :-)
Inzwischen gibt es aber viele Dinge, die geschehen sind, viele Köpfe auf der ganzen Welt haben darüber nachgedacht, ihre Expertise, Meinung und Erwartungen geäußert, und bekannte Fakten sind in einem neuen Licht...
Read 24 tweets
Mar 19
Zum Schluss noch ein paar phantasievolle Überlegungen, wie es weitergehen kann und was die NATO tun und lassen sollte. Es schließt an diesen Thread an:
Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass die NATO alles lassen sollte, das dazu führt, dass NATO und Russland in der Luft oder auf See direkt aufeinander schießen, und insbesondere keine NATO-Truppenverbände in die Ukraine zu schicken. Das wäre ein Geschenk an Putin.
Das muss aber nicht für alle Zeit gelten; die Situation kann sich dahingehend ändern, dass das notwendig wird oder keinen Unterschied mehr macht. Es könnte auch zu Situationen kommen, in der es sinnvoll sein kann, den Einsatz von NATO-Truppen gegen Russland anzudrohen, ...
Read 25 tweets
Mar 18
Im dritten Thread mit Schwerpunkt "Militärluftfahrt" über der Ukraine und No-Fly-Zone geht es um politische Fragen. Er schließt an diesen Thread an:
Wenn die NATO wie im ersten Thread beschrieben professionell die Bedrohung aus der Luft unterbinden würde, würde Russland mit hoher Wahrscheinlichkeit taktische Atomwaffen einsetzen, aus der Vielzahl geschilderter Gründe.
Aktuell haben wir die Situation, dass die Welt sich so einig wie nie ist, dass Russland klar der Aggressor ist, und NATO und EU selten geschlossen sind, und in den USA arbeiten sogar Demokraten und Republikaner zusammen wie auch seit Ewigkeiten nicht mehr.
Read 24 tweets
Mar 18
Ein guter Artikel von einem Experten für Militärluftfahrt, Justin Bronk, Royal United Services Institute Research Fellow, Airpower & Technology.

Er argumentiert überzeugend, warum eine no-fly-zone keine gute Idee ist und eher Putin nützen würde.

rusi.org/explore-our-re…
Hier Bronk über seinen Artikel im Gespräch mit Ward Carroll, einem F14 Radar Intercept Officer (RIO) mit 20 Jahren Einsatzerfahrung auf US-Flugzeugträgern, Buchautor und Redakteur u.a. von military.com
Die beiden bestätigen meine bisherige Skepsis gegenüber einer eine No-Fly-Zone sowie die allgemeine Einschätzung von @timpritlove und mir über die militärische Situation, aber mit vielen Details und tiefer Sachkenntnis und zusätzlichen Informationen. Hier die wesentlichen Punkte.
Read 26 tweets
Mar 17
In the 1960/70s the extreme political left sided with the communist bloc and rallied against the U.S. government war efforts in Vietnam; today the extreme right sympathizes with Putin, helps to disseminate Russian propaganda and rallies against Ukraine support.
The symbol Z, which would be like western military marking heir vehicles with Ж or З, is a bit weird, but ok, it’s a symbol. Having normal people in Russia including children put it on their clothes and cars etc. reminds of the use of the swastika in Nazi Germany though.
Both together, use of the same symbol on military vehicles and have civilians wearing it, reminds more of the use of the swastika by SS-troups on vehicles rather than the regular Wehrmacht troups, although the Luftwaffe used randomly swastikas on planes. Am I overthinking this?
Read 24 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(