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Mar 31, 2022 25 tweets 14 min read Read on X
Update #Ukraine .
Diesmal soll´s nicht um die Lage an der Front gehen, sondern detaillierter um zwei Fragen:
- Warum die Ergebnisse der russ.-ukr. Verhandlungen kaum Hoffnung machen;
- Wie sich Russland in den eroberten Gebieten scheinbar langfristig einnistet.
Thread👇
(1/25)
Zunächst zur Erinnerung.
Am Dienstag ist in #Istanbul die nächste Runde der russ.-ukr. Verhandlungen gelaufen.
Erst gab es keine Details zu den Verhandlungsergebnissen, später wurden sie aber doch recht detailliert von den Verhandlungsdelegationen bekanntgegeben.
(2/25)
Zusammengefasst beinhaltet der neue Friedensplan, dass die #Ukraine auf einen NATO-Beitritt und jegliche Atomwaffenambitionen verzichten muss.
Das Land darf zudem keine ausländischen Militärstützpunkte, Waffensysteme oder Kontingente auf ihrem Territorium stationieren.
(3/25)
Generell muss das Land einen "dauerhaft neutralen Status" ausrufen, darf also überhaupt keinen Militärblöcken beitreten.
Des weiteren verzichtet Kiew auf jegliche Arten von militärischen Rückeroberungsambitionen hinsichtlich des #Donbass oder der #Krim .
(4/25)
Stattdessen bekommt das Land Sicherheitsgarantien, die von einer Reihe von Staaten gewährleistet werden.
Zudem behalte das Land das Recht, der EU beizutreten.
Schließlich müssen russische Truppen aus allen besetzten Gebieten abziehen, außer Krim und #Donbass .
(5/25)
Der Friedensplan beinhaltet damit Punkte, die theoretisch beide Seite zufriedenstellen sollen .
Für Moskau, weil ukr. Neutralität und de-facto Verzicht auf Donbass und Krim zugesichert werden.
Für Kiew, weil russische Truppen wieder abziehen und die Invasion vorbei ist.
(6/25)
Und dennoch waren die Reaktionen darauf sowohl in RUS als auch in UKR extrem skeptisch.
Der Plan scheint weitegehend chancenlos zu sein.
Auf der ukr. Seite erklärte Kiew, dass eine solche Entscheidung wie eine dauerhafte Neutralität nur per Referendum angenommen werden kann.
(7/)
Und genau dies erscheint im Moment recht utopisch.
Der mediale Raum in der #Ukraine ist gefüllt mit Siegesmeldungen.
Zur Erinnerung.
93% der ukr. Bevölkerung rechnen mit einem militärischen Sieg.
Ein Referendum wird da vermutlich kaum Chancen haben.
(8/25)
Anders ausgedrückt:
Eine Bevölkerung, die zu 93% sicher ist, den Konflikt militärisch zu gewinnen, wird wohl kaum zustimmen, auf Dieses, Jenes, Drittes, Viertes zu verzichten.
Derart umfangreiche Zugeständnisse passen da einfach nicht ins aufgebaute Sieges-Narrativ.
(9/25)
Auch in großen Teilen der russ. Bevölkerung wurde der Friedensplan fast schon empört zurückgewiesen.
Kaum hatte der Chef der russ.Delegation Medinski den Plan vorgestellt, wurde ihm "Verrat" vorgeworfen - Verrat an "nationalen Sicherheitsinteressen" sowie an den Gefallenen.
10/25
So viele Opfer und sich dann aus all den, wie es in Russland formuliert wird, "befreiten Gebieten" einfach zurückziehen? Undenkbar, so der Grundtenor in weiten Teilen der russischen Bevölkerung.
Unter diesen Umständen ist es schwer vorstellbar, dass der Plan angenommen wird.
(11/
Auch einige andere Momente sprechen dagegen.
Moskau sicherte zwar zu, dass es seine militärischen Aktivitäten im Großraum #Kiew und #Chernihiv zurückfährt, um seine Verhandlungsbereitschaft zu demonstrieren.
Die Waffen werden aber nicht schweigen. Im Gegenteil,...
(12/25)
Die Truppen werden derzeit massiv in den #Donbass verlegt, wo bald die nächste "Generaloffensive" erwartet wird.
Bereits jetzt heißt es, dass die russische Artillerie im #Donbas im Dauerfeuermodus ist.
Vermutlich, um den Boden für ein Vorrücken der Infanterie vorzubereiten.
(13/)
Es ist also schwer vorstellbar, dass Moskau einerseits diese "Generaloffensive" vorbereitet, und andererseits dann aber den vorgeschlagenen Friedensplan unterzeichnet.
Eher scheinen es polit-diplomatische Manöver zu sein, die die zweite Offensivwelle flankieren sollen.
(14/25)
Des Weiteren zeigen auch die Aktivitäten vor Ort ein ganz anderes Bild.
Nach dem Plan müssten sich russische Truppen sofort zurückziehen...das passt aber überhaupt nicht damit zusammen, dass Moskau dort derzeit verwaltungstechnische Strukturen aufbaut.
#Ukraine #Russia
(15/25)
So werden in den besetzten südlichen Gebieten der #Ukraine rasant sogenannte "militär-zivile Administrationen" aufgebaut, die das Alltagsleben neu ordnen und verwaltungstechnisch binden sollen.
Seit Mitte März hat Moskau damit begonnen, Löhne und Renten auszuzahlen.
(16/25)
Ab April soll in der Provinz #Herson offiziell der Rubel eingeführt werden.
#Rubel und die ukrainische #Hrywna werden dann parallel im Umlauf sein. Da aber die Renten und Löhne eben in Rubeln ausgezahlt werden, soll die Hrywna nach und nach aus dem Umlauf verdrängt werden
(17/25)
Alle ukrainischen Beamten, insb. die Polizei, wurden aufgerufen, ihre Posten zu belegen und ihre Amtstätigkeit regulär wieder aufzunehmen.
Lokale Ackerbauern wurden aufgerufen, sich bei russ. Anbietern zu innerruss. Preisen Düngermittel zu holen, um die Erntesaison durchzuführen.
Da weite Ackerflächen derzeit vermint oder von Verteidigungslinien durchzogen sind, haben Minenräummannschaften damit begonnen, diese Flächen zu entminen und die Befestigungsanlagen abzubauen, um sie für die Erntesaison vorzubereiten.
#UkraineRussiaConflict #Herson
(19/25)
All diese Schritte wären komplett unlogisch, wenn Moskau tatsächlich einen baldigen Abzug planen würde.
Ganz im Gegenteil, all diese Schritte sprechen dafür, dass Moskau sich langfristig auf diesen Gebieten einnistet und es verwaltungstechnisch einbindet.
#UkraineKrieg
(20/25)
Schließlich dürfte auch die Wasserversorgung der Krim einen essentiellen Punkt für den Kreml darstellen.
Nachdem ukr. Behörden im Jahr 2014 den Nord-Krim-Kanal kappten, der das Süßwasser des Dnjepr auf die Krim leitet, trocknete die Halbinsel massiv aus.
#Crimea #Russia
(21/25)
Als die Invasion begann, ging der erste taktische Vorstoß der russ. Truppen in Richtung des Kanals.
Nachdem er eingenommen wurde, wurde der Kanal sofort wieder geöffnet und Wasser in Richtung der Krim gelassen.
Erstmals seit 2014 sie die Stauanlagen der Krim nun voll.
(22/25)
Es ist kaum vorstellbar, dass Moskau diesen Kanal einfach räumt, und die Wasserversorgung der Krim in die Hände der ukr. Behörden wieder abgibt.
Ob über direkte militärische Kontrolle oder über irgendeine Art Pufferzone oder Protektorat, wird der Kreml da bleiben wollen.
(23/25)
Dazu passen auch die vielen ukr. Meldungen, dass Moskau ein Referendum in der besetzten Region #Herson plant, um eine HVR - also die "Hersoner Volksrepublik"- auszurufen, ähnlich zu den "Lugansker und Donezker Volksrepubliken" LVR und DVR.
So wären die Grenzen der HVR👇
(24/25)
Generell kann ein regelrechter Domino-Effekt nicht ausgeschlossen werden.
In wenigen Tagen kündigten gleich drei selbst erklärte Republiken "Referenden" über einen Beitritt zu Russland an:
- "Lugansker Volksrepublik",
- "Donezker Volksrepublik"
- "Republik Südossetien".
(25/25)

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May 15
Update #Ukraine
Im Überblick:
- russ. Truppen rücken im Charkiwer Gebiet weiter vor;
- ukr. Armee führt schweren Angriff auf russ. Airbase auf der Krim aus;
- Absetzung von Verteidigungsminister Schojgu: der neue Mann Belousov soll die Kriegsproduktion ankurbeln.
Thread 👇
(1/25) Image
Der #Ukrainekrieg tobt erbittert weiter, nun auch an neuen Abschnitten.
Schwere Kämpfe um Krasnohorivka westlich von Donezk halten weiter an.
Trotz des Verlustes des Industriewerkes im Stadtzentrum vor einer Woche hält die ukr. Garnison im Norden ihre Positionen.
(2/)
#UkraineWar Image
Weiter nördlich sind russische Truppen westlich von Avdiivka vorgerückt.
Netailove ist in Halbkessel geraten, Umanske steht kurz vor dem Fall, nach manchen Berichten bereits gefallen.
An der Reihe steht Novopokrovske, wo russ. Sturmtruppen ebenfalls bereits eingerückt sein sollen Image
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May 10
Update #Ukraine
Im Überblick:
- schwere Kämpfe um Krasnohorivka, Archangelske ist gefallen;
- neue russische Offensive in der Charkiwer Region begonnen;
- westliche "rote Linien": nach Paris debattiert nun auch London und Washington über Truppenentsendung.
Thread 👇
(1/25) Image
Schwere Kämpfe gehen im #Ukrainekrieg weiter.
Westlich von Donezk tobt die Schlacht um Krasnohorivka. Bei massiver Luft- und Artillerieunterstützung eroberten RUS das Industriewerk im Stadtzentrum und hissten ihre Flagge.
Ohne das Werk wird die Stadt schwer zu halten sein.
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Weiter nördlich ist Archangelske gefallen.
Es heißt, ukr. Einheiten hätten sich fast kampflos zurückgezogen. Angesichts des vorherigen Ocheretyne-Durchbruches wurde dies aber weitgehend erwartet.
Nach dem Fall der benachbarten Ortschaften war Archangelske kaum zu verteidigen
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Read 25 tweets
May 2
Update #Ukraine
Im Überblick:
- Frontdurchbruch bei Ocheretyne weitet sich aus, Verteidigungslinie bei Berdychi-Pervomaiske gefallen;
- Washington beschließt neue Hilfen für Kiew, Auswirkungen umstritten;
- RUS rechnet mit baldigem ukr. Angriff auf die Krimbrücke.
Thread👇
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Der #Ukrainekrieg tobt unvermindert weiter.
Besonders schwer gestaltet sich die Lage für ukr. Truppen westlich von Donezk und Bachmut.
Heftige Kämpfe toben um Krasnohorivka, wo Russen - flankiert durch schwere Luftangriffe - schrittweise nordwärts zum Stadtzentrum vorrücken.
2/


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Weiter nördlich sind sowohl Berdychi als auch Pervomaiske und mit ihnen die zweite ukrainische Verteidigungslinie westlich von Avdiivka gefallen.
Russische Truppen stießen mittlerweile bis nach Nitailove vor sowie weit im ländlichen Gebiet bei Umanske.
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#UkraineWar Image
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Apr 23
Update #Ukraine
Im Überblick:
- Frontlinie nordwestlich von Avdiivka durchbrochen, Russen rücken in Ocheretino ein;
- schwere Kämpfe bei Tschassiv Jar;
- massive gegenseitige Angriffe auf Militärflughäfen;
- Kiew will die Krimbrücke bis Mitte Juli vernichten.
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Schwere Kämpfe toben im #Ukrainekrieg entlang der gesamten Frontlinie weiter.
Am Robotyne-Verbove-Bogen konnten ukr.Truppen die Lage vorerst stabilisieren.
Die Kämpfe toben seit mehreren Wochen weitgehend an der gleichen Linie.
Robotyne selbst existiert allerdings kaum noch.
2/25


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Weiter östlich ist Novomikhailovka de facto gefallen.
Es heißt, russ. Truppen hätten die lang umkämpfte Ortschaft unter Kontrolle gebracht und ihre Flaggen über den wichtigsten Punkten gehisst.
Ukr. Soldaten kontrollieren nur noch einige Häuser am westlichen Zipfel des Ortes
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Apr 19
Update #Israel #Iran
Im Überblick:
- Iran führt massiven Raketen- und Drohnenangriff auf Israel aus;
- Ergebnis bleibt umstritten: beide Seiten melden sich als Sieger in diesem Duell;
- Region in Anspannung: Folgt(e) ein großangelegter israelischer Gegenangriff?
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Der Iran hat in der Nacht zum Sonntag den schwersten Angriff auf israelisches Territorium seit Jeher ausgeführt.
In mehreren Wellen flogen Kamikaze-Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen auf Israel zu.
Die Gesamtzahl wird bei ca 300 Flugobjekten geschätzt.
(2/25)
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Der Angriff kam mit Ansage.
Wenige Wochen zuvor hatte Israel die iranische Botschaft in Syrien bombardiert und mehrere hochrangige iran. Revolutionswächter-Generäle getötet.
Ein Angriff auf Botschaft gilt als Angriff auf den Staat selbst.
Teheran schwor baldige Vergeltung.
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Apr 11
Update #Ukraine
Im Überblick:
- ukr. Verteidigungslinie vor Tschassiv Jar gefallen, Schlacht um die strategisch wichtige Stadt hat begonnen;
- russ. Einsatz von 3t-Lenkbomben steht bevor;
- Selenski warnt vor Niederlage und bittet um westliche Hilfe auf Kredit.
Thread 👇
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Schwere Kämpfe toben im #Ukrainekrieg unvermindert weiter.
Westlich von Donezk sind russische Truppen an breiter Front vorgerückt:
- Novomykhailovka ist schwer umkämpft;
- in Krasnohorivka sind RUS eingerückt;
- Pervomaiske ist gefallen;
- Berdychi steht kurz vor dem Fall.
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Damit sind russische Verbände bei Donezk auf einem Frontabschnitt von etwa 50km Breite vorgerückt.
Das Ganze ist die direkte Folge vom Fall von Avdiivka.
Ukrainische Armee lässt sich Schritt für Schritt zurückfallen, wobei jeder Meter auf das Schwerste umkämpft ist.
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