Da meines Erachtens gerade viel Halbwissen über den #Stresstest zirkuliert, will ich das mal etwas einordnen:

"Das Redispatch-Problem" oder "Warum Wind im Norden für #Blackout im Süden sorgt"
#AKW #Strom
Stellen wir doch mal das Szenario "++" grob da:
Rekordlast von 85GW - Heizlüfter schnurren. Wir haben 45GW Wind, brauchen kaum Gas und können ganze 15GW exportieren (davon 10 weitergeleitet).
Der Strom ist an der Börse verkauft, alle sind glücklich. Bis auf die Netzbetreiber ...
Die sehen nämlich folgendes. Im Norden kommen die Importe aus den nordischen Ländern und Polen, von denen ein Teil über die Niederlande nach Frankreich wandern wird. Da der Wind stark weht ist im Norden jetzt zu viel Strom. Und eben mal 20GW in den Süden schieben geht nicht.
Im Süden hingegen fehlt jetzt massiv Strom. Und wir wollen ja sogar nach Frankreich exportieren!
Um das Netz wieder auszugleichen wird nun ein Redispatch durchgeführt. Das bedeutet, dass der Netzbetreiber, dort wo Strommangel herrscht, weitere Kraftwerke hochfährt.
Im Gegenzug wird an anderer Stelle Leistung reduziert.

Da Deutschland nur eine Preiszone hat, wird der Strom überall zum gleichen Preis verkauft (aka. "Deutsche Kupferplatte"). Auf Engpässe oder ungleiche Stromerzeugung innerhalb Deutschlands nimmt der Markt keine Rücksicht
Deswegen müssen nun im Süden ganze 13GW an Kraftwerken aufgetrieben werden, die kurzfristig ans Netz gehen können. Wenn das z.B. wegen Problemen bei der Kohleversorgung nicht klappt, müssen Lastabwürfe vorgenommen werden!
Das Problem sind also Transportengpässe, welche an der Börse nicht einfließen, und der zu sehr auf den Norden zentrierte WKA-Ausbau.
Bei Dunkelflaute wären die Kraftwerke im Süden regulär an der Börse zum Zug gekommen und man hätte durch höhere Strompreise weniger exportiert.
Das ist im Übrigen auch der wahrscheinliche Grund, warum Habeck das #AKW Emsland nicht weiterbetreiben will. Den Strom des Kraftwerkes bekommen wir in so einer Situation schlicht und einfach nicht in den Süden. Mit den Wahlen in Niedersachsen 2023 hat das nix zu tun.
Die Annahmen im Stresstest waren kritisch bis extrem. So wurde mit geringer Verfügbarkeit der Kraftwerke im Süden gerechnet. Die wichtigste Maßnahme ist daher, es nicht soweit kommen zu lassen. Die Bereitschaft der Kraftwerke und deren Versorgung mit Brennstoffen ist zu sichern.
Wenn diese Maßnahme nicht wie gewünscht klappt, sollen auch die AKWs Neckarwestheim und Isar am Netz bleiben. Ich fände es allerdings besser, wenn man unabhängig davon in den Streckbetrieb gehen würde. Die Gaseinsparung in D wäre zwar gering, und wir brauchen sie wsl. nicht,
aber es würde den europäischen Strommarkt entlasten. Damit eher ein Solidaritätsakt, aber m.E. sinnvoller, als die AKWs kalt vorzuhalten. Allerdings ist im Fall der Fälle dann weniger Leistung abrufbar. Mit Teillastbetrieb könnte man das wohl aber etwas ausgleichen.
Aber zurück zu Maßnahmen, jetzt die über den Winter hinaus:
Das Leitungsnetz muss weiter ausgebaut werden. Gerade in Bayern sieht es da schlecht aus, da man den Nord-Süd-Link blockiert hat. Im Süden sollen generell weitere Gaskraftwerke rein für die Kriesenvorsorge gebaut werden.
Im weiteren Schritten sollen einige Gaskraftwerke auf Öl umgerüstet werden. Bei manchen Anlagen ist das wohl mit überschaubaren Aufwand möglich.
Biogas soll mehr Strom erzeugen durch geänderte Flexibilitätsanforderungen. Flexible Lasten sollen ausgebaut werden.
Als weitere Maßnahme könnte man Deutschland in mehrere Strompreiszonen aufteilen. Die Idee ist nicht neu und wird auch schon aktiv untersucht. Jede Zone hätte so seine eigene Merit-Order und es würde auf den Markt durchschlagen, wenn regional Strom fehlt.
Dadurch würde der Strom im Süden teurer werden, da man dann nur noch das bekommt, was das Netz auch hergibt. Die Kosten für Redispatch, die deutschlandweit umgelegt werden, bleiben ebenfalls im Süden, wodurch es im Norden billiger wird.
Der CSU wird das aber nicht gefallen 🙃
Die Lage würde natürlich auch entschärft, wenn man im Süden ein paar mehr Windräder aufstellt. Das würde in diesem Fall sogar doppelt CO2 einsparen.
Nur Wind im Norden und nur PV im Süden ist an der Realität vorbei. Es braucht IMMER beides. Auch wenn viele das nicht begreifen.
Mit besserer Gaslage und den Maßnahmen ist 23/24 keine Mangellage mehr zu erwarten. Man sollte in Zukunft bei der Bedarfsanalyse Kriesenszenarien mit einbeziehen. Wir können nicht wie aktuell wahllos Kohlekraftwerke abschalten. Bei genügend EE wird die Kohle sowieso verdrängt.
Abschließend gilt es noch zu sagen, dass #Habeck mal Söder und Kretschmann die Pistole auf die Brust setzen sollte. Man kann nicht aus der Kohle aussteigen, wenn man alles andere blockiert und dann auch keinen sauberen Strom importieren will.

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Aug 14
@Leon_Zippel Anmerkung: Ein Verbrenner hat in der Regel einen Wirkungsgrad von 20-30%. Das liegt daran, dass er überdimensioniert ist. Motoren haben ihren effizientesten Punkt, wenn sie ~70-80% ihrer Nennleistung bei optimaler Drehzahl abgeben - bei so viel Gas beschleunigt man aber stark.
@Leon_Zippel Die Auswirkungen sieht man hier.
77,5g Benzin haben einen Brennwert von 1 kWh (≙12,9kWh/kg). Fährt man effizient, braucht der Mazda 230g. Das sind dann 33,7% Wirkungsgrad. Rufen wir innerorts nur 10kW Leistung bei 2000RPM ab, brauchen wir ~500g, also nur noch 16% Wirkungsgr.
@Leon_Zippel Wer mit dem E-Auto fährt weiß wie viel Strom man bei verschiedenen Geschwindigkeiten so braucht. 70kW Momentanverbrauch werden die wenigsten länger als ein paar Sekunden haben.
Ein 5kW-Generator hat seinen effizientesten Punkt um um 4kW. Zwar ist die Effizienz prinzipiell >
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Jul 7
Schaut man aktuell in Europa auf die Future-Märkte für #Strom, wird einem schlecht. Das hier sind Börsenpreise von 33ct/kWh, normal wären 4-8ct/kWh!
Hier braut sich eine #Strompreis-Katastrophe zusammen.
Ich versuche hier mal die Situation zu erklären 🧵
#Preisdeckel #Gaspreise Balkendiagramm: In ganz Eur...
Über diesen Future kann man jetzt Strom kaufen, der aber erst 2023 geliefert wird. Das ist natürlich nur ein kleiner Teil des Strommarktes - ein Stromanbieter kann seinen Strom auch erst am Tag zuvor kaufen. Was billiger ist, ist natürlich immer Spekulation.
Und anscheinend haben Händler gerade Angst vor sehr hohen Preisen, und sichern sich ab. Allerdings liegt genau in diesem so genannten Day-Ahead Markt das Problem. Der Preis ist für jede Stunde anders, je nach Angebot und Nachfrage.
So funktioniert die Preisbildung:
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Jun 26
I did some more calculations regarding #power supply in #France. Unfortually, my initial estimation turned out too optimistic. If #EDF does not get at least 15GW of #nuclear back to the grid, we are very likely to see forceful disconnections or rolling #blackout|s this winter
🧵
As usual, during Winter the situation in France is always narrow. On the 6th of January at 8am, even 9.2GW of #gas was insufficient, requiring 9,4GW of imports to manage 84.4GW of load. This was when France had about 51GW of nuclear available.
CW 2/2022 was similar
Right now we are sitting on just ~28GW. That's 23GW missing!

The highest import I found was 13,5GW (highest export: 17,7GW).

Given that the avg. import on these days was ~5GW, less than 39GW avail. nuclear capacity would very likely make a 84GW scenario impossible to handle!
Read 4 tweets
Apr 3
Rekord-#Strompreise in #Frankreich. Fast 3€/kWh (!) an der #Strombörse morgen um 8 Uhr in der morgendlichen Lastspitze. Solche Preise beunruhigen mich sehr. Denn es sagt viel über die Marktsituation aus.
(Danke an @herbertsaurugg der mich darauf aufmerksam gemacht hat)
🧵
Zunächst einmal stellt sich die Frage nach dem Warum. Heute Nacht wird es in Frankreich relativ kalt, mit Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt im ganzen Land, außer direkt an der Küste. Warum ist das so relevant? Frankreich heizt viel mit Strom
Oft sich es nicht einmal Wärmepumpen sondern ineffiziente Heizstäbe. Dadurch ist der #Stromverbrauch heute Nacht sehr hoch. Dazu kommt das in Frankreich gerade sehr viele #Atomkraftwerke ausfallen. Nur noch 31GW sind aktuell am Netz, 20GW weniger als 2021.
Read 6 tweets
Apr 2
Weil ja immer noch vom Comeback der #Atomkraft geträumt wird, hier mal ein Thread:

Letztes Jahr wurden Brokdorf, Grohnde (beide PreussenElektra) und Gundremmingen (RWE) abgeschalten.
Dieses Jahr folgen Neckarwestheim (EnBW), Emsland (RWE) und Isar (PreussenElektra).
(1/10)
Zunächst einmal, was sagen die Betreiber dazu im Angesicht der Ukraine-Krise:
Sehr klar äußert sich die EnBW: Die Verlängerungsdiskussion sieht sie als "rein hypothetisch" und will sich nicht daran beteiligen.
(2/10)
RWE schließt es zwar nicht aus, aber sieht "hohe Hürden". So müssten Sicherheitsprüfungen im Eiltempo durchgeführt werden.
Lediglich PreussenElektra (EON) äußert sich positiv für das Kraftwerk Isar 2. Die beiden bereits abgeschaltenen Kraftwerke wurden nicht weiter erwähnt
(3/10)
Read 10 tweets
Feb 27
Meine Analyse zur AKW-Verlängerung um Gas einzusparen:
Wie auf der Grafik ersichtlich, verbrauchen wir nur einen sehr kleinen Teil unseres Gases für die Stromversorgung. Je ein Drittel entfällt auf die Haushalte (Heizung/Gasherd/Gas-WP) und die Industrie

🧵(1/7)
Am Strommix hatte Gas letztes Jahr einen Anteil von 16%. Die 6 AKWs kamen insgesamt auf 12%. Das bedeutet jetzt allerdings nicht das dadurch Gas ersetzt wird. Gas wird zur Regelung eingesetzt und deckt Verbrauchsspitzen ab, z.B. abends um 18 Uhr.
(2/7)
Da Atomstrom klassische Grundlast ist, wird er vor allem Kohle verdrängen während Gas weiterhin zur Regelung eingesetzt wird. Die in der Grafik sichtbare "Grundlast" im Gas dürfte vor allem auf BHKW entfallen, die wegen Fernwärme weiterlaufen müssen.
(3/7)
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