Es war ein Morgen im Herbst der ersten Covid-Wellen. Kurz nach 6:00 Uhr. Schichtbeginn auf einer internistischen Intensivstation eines großen, überregionalen Klinikums.
Für mich war es die 1. Schicht als NotSan-Schüler auf ITS - aber nicht die 1. insgesamt auf Intensiv. 1/ #ITS
Wir, dem ich zugeteilte PAL und ich, waren drei Räume zugewiesen. Auch eine Art Aufnahmezimmer.
Dort lag seit dem Vorabend ein Patient. Er kam fussläufig selbst in die ZNA.
Drei Mal wurde er seither reanimiert. 2/ #pflegebrennt
Er kam, weil er sich unwohl fühlte. Plötzlich. An #Covid dachte zunächst niemand. Die normale Diagnostik lief - EKG, Blutdruck, Temperatur, Blutentnahme fürs Labor, Anamnesegespräch.
3/
Vielleicht war sein Puls zu flott, vielleicht hatte er bereits etwas Fieber - ich weiß es nicht.
Ich weiß nur: Plötzlich war er tot.
Klinisch tot.
Er war in einer ZNA - die #Pflege rief das Rea-Team, begann zu reanimieren. Erfolgreich. All dies unter FFP2 Masken, im Kittel…
4/
…mindestens zu Dritt war man, vermutlich eher zu viert, fünft…
Faceshield, Kittel, Haube, Handschuhe, FFP2/FFP3 Maske. #Herzlungenmassage 100-120 Mal/ Minute.
Intubation, Beatmung, Zugang - Medikamente aufziehen…
5/
Alles geschieht routiniert, Kommandos wechseln sich ab, zwischenzeitlich gucken alle gebannt auf den EKG Monitor - ist der Herzschlag zurück? Könnte man mit dem Defibrillator das Herz in Takt bringen?
Ich war da, bei dieser #Reanimation, nicht dabei - aber selbst schon oft genug um zu wissen, wie groß die physische und psychische Belastung für jeden dort gewesen sein kann:
Die Momente höchster Konzentration, das fokussieren auf die Maßnahmen die jeder für sich gerade vollziehen muss, die Wahrnehmung auf sich, das Team, die Geräusche, das Defi-Gerät, den Patienten, das Gespür für das #Herz um das man kämpft.
Das Leben in der Hand.
8/
Dann kommt, manchmal, wenn die #Zeit noch nicht gekommen ist, dieses Herz das man spüren kann, das nicht das eigene, nicht das einer geliebten Person - aber das eines dir zufällig in die Hände gelegten Lebens, zurück.
Manchmal flackernd, aus dem Takt - aber wieder da!
9/
Mit dem Herzschlag kommt der Mensch der gerade tot war, zurück ins Leben. Bewegt vielleicht wieder Hände, Beine - #Augen! Kaut auf dem Tubus der Beatmung rum, der in seiner Luftröhre steckt…
10/
Der Tubus der, zusammen mit der Herzdruckmassage den Sauerstoff in die Zellen bringt - ohne den diese unwiederbringlich sterben würden. Und mit ihnen der #Organismus der vielleicht Klaus, Marion oder Julia heißt.
Vielleicht auch Mustafa oder Samuel, Ivan, Piet oder Aurelie.
11/
Zu fragil! Noch ist dieses Herz zu schwach für die ganze Dosis Welt!
Man relaxiert die Muskulatur, sediert den Geist - künstliches #Koma, damit der Körper Zeit bekommt, die neue Chance nutzen zu können.
12/
Jetzt geht es auf die #Intensivstation. Das Labor ruft an: Covid!
Die Sättigung ist auch nicht wirklich gut. Röntgen des Thorax!
Die Lunge ist voll mit Entzündung. Rasant, innerhalb von wenigen Stunden vermehrt sich das Virus an der Achillesferse der Atmung: Den Alveolen.
13/
Das #Immunsystem dieses kräftig gebauten, großen Mannes bäumt sich dagegen auf! Schiesst aus allen Rohren gegen den Untergang. Jetzt wird es zu friendly Fire: #Zytokinsturm. Das Immunsystem zerstört seinen Auftraggeber. Zelle für Zelle.
14/
Abermals schafft der Körper, das Herz es nicht, setzt aus.
Erneut, mitten in der #Nacht, kämpfen 4 fremde Menschen, Ärzte wie Pfleger um dieses Leben.
Erneut gewinnt man den Kampf.
Am seidenen Faden.
15/
Der Morgen graut. Noch ist es dunkel als matte #Pflegekräfte, gehetzt von Raum zu Raum, Patient zu Patient, immer wieder Hände desinfizieren, Kittel wechseln, Faceshield an Raum A, neues in Schleuse B, dazwischen Medikamente vorbereiten. Bloß keine #Fehler, nichts vergessen!
16/
Der Druck keinen #Fehler machen zu dürfen steigt mit jeder Schicht, jedem zusätzlich zu versorgenden #Patienten, jedem ausfallenden oder kündigenden Kollegen. Etwa 5 bis 8 Jahre dauert es, eine ITS-Pflegekraft auszubilden.
Weiß man das im #Bundestag?
17/
Als die Sonne nun aufgeht, kommt die Frühschicht. Nicht ahnend, das die matte, abgekämpfte Nachtschicht vor wenigen Minuten einen Kampf verloren hat. Den um das Leben eines geliebten Menschen.
Frau und Tochter warten schon draußen. Wollen #Abschied nehmen.
18/
Der #Tod liegt schwer in dem kalten Raum, kalt, bläulich sind seine Flecken. EKG Kabel zur Überwachung, Sensoren an Finger, im Arm. Das volle Programm. Der ZVK ist noch an diverse Perfusoren angeschlossen. Sterben auf Intensivstation ist ein Sieg des Todes gegen die #Technik
19/
Ein würdevoller #Abschied? Allein der Anblick schreckt, zeigt anhand der blank zur Schau getragenen Technik die Gewalt der Erkrankung, dem der Körper nichts mehr zu entgegnen zu vermochte.
Wir extubieren nun, säubern Gesicht und Hände.
Den Tod erträglicher zeigen.
20/
Leicht gedimmt ist nun das #Licht in dem sonst so kalten Raum der ITS. Warm, würdevoll, ruhig.
So ist nun der Abschied der so unvermittelt kommt. So hart. So ohne Chance das was kam zu greifen, zu begreifen.
Beide Frauen weinen.
Auch wir haben feuchte Augen. #Mitgefühl.
21/
Der Abschied ist zeitlich begrenzt, das Zimmer unter #Quarantäne, der Leichnam infektiös. Wir müssen an die Zeit denken. Der Raum wird gebraucht. Und wir. Noch zwei weitere Zimmer mit Patienten sind unter unserer Obhut.
Wenn ein Perfusor piept, bleibt wenig Zeit.
22/
Wenn eine KollegIn ihre Zimmer, ihre Patienten nicht bedienen kann, dann müssen die anderen das auffangen. So ist das ungeschriebene #Gesetz der ITS.
Auch bei Krankheit oder gar Tod gilt: streiken geht nicht, dicht machen? Nur, wenn’s keine Patienten gibt.
23/
7100 Intensivbetten weniger als im April 2020 können im Oktober 2022 belegt werden. Das #Personal ist weg. Hat gekündigt, ist chronisch krank oder sogar tot.
Als ich dies erlebte, wurde noch nicht einmal geklatscht. Hat ja auch nicht gereicht.
24/
Der Leichnam ist freigegeben. Die KriPo war auch gerade da: Der Tod kam plötzlich, war ggf. unnatürlich.
Alles wurde beschaut. Jetzt können wir…
…den Leichensack in den Keller bringen.
Tod auf ITS. An #Covid. Nicht mit.
Einer von nun über 150.000.
25/25
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Die Atemnot wird nun schlimmer. Angst. Panik. Todesangst. Ganz plötzlich.
Man ruft den Rettungsdienst.
Der ist schnell da - aber man hat den Hausarzttermin erwähnt. Klingt nicht dramatisch. Kein Notarzt wird mit alarmiert. 3/ #BloodclottingC19#COVID19