Früher haben wir in Texter-Kreisen über die BILD immer noch mal sagen können: „Das Blatt ist Scheisse, aber die Headlines manchmal genial.“ Keine Ahnung, wann das das letzte Mal gestimmt hat. Auf jeden Fall endete es mit der Regentschaft Diekmanns. (…)
(…) Und irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass BILD die Mechanik der digitalen Gegenöffentlichkeit überhaupt noch nicht verstanden hat. Dass prominente Menschen heute nicht mehr allein im Sturm gegen das Blatt stehen, sondern eine Community mitbringen, (…)
(…) die im Zweifel immer schneller, witziger, effizienter in der Gegenrecherche und die oft auch über die spezifische größere Themen-Reichweite verfügt. Boulevard funktioniert immer schlechter, weil jeder den eigenen Boulevard pflastert. Vielleicht wird es deshalb schmieriger.
Nicht nur Drosten, siehe auch Sido als anderes Beispiel der letzten Tage. Wirkungslos verpufftes Blendwerk eines journalistischen Selbstbildes, das in seiner Wirkkraft bei weitem dem nicht mehr standhält. Keine Ahnung, wie das jeden Morgen motivieren kann, sich das zu geben.
„Schämst du dich nicht? Bist stolz auf das, was du hier tust?“ Sido an seinem Gartenzaun zu filmenden Reportern. Und das sind zwei berechtigte Fragen, hineingerufen auch in SIDOs eigene riesige Community, selbst veröffentlicht von BILD, die damit etwas anderes bezwecken wollten.
Der Backlash war gigantisch und die Solidarisierung mit SIDO enorm, obwohl der Tage zuvor auch ordentlich Scheisse gelabert hatte. Aber die Redaktion peilt das nicht mal. Peilt nicht, wie stark Solidarisierungseffekte über die eigenen Kanäle heute funktionieren. Irre eigentlich.
Und der Drosten-Move heute von gleicher Qualität. Es Backfired heute nicht mehr nur aus den üblichen „linken“ Ecken, es backfired heute aus allen digitalen Ecken. Vor allem wenn die Communitys eine Kampagne riechen und meist haben die eine sehr gute Nase dafür.
Ich habe kein Mitleid.
