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Kurzer Hinweis dazu, wie eine (stärker) zentralisierte Datenschutzaufsicht in Deutschland aussehen könnte.

Es gibt dort eine interessante Parallele zum Rundfunk-, bzw. Medienrecht, die vielleicht nicht jedem Datenschutzjuristen bekannt ist. (Thread)
Die Aufsichtsbehörden für den privaten Rundfunk (sowie über weitere Akteure rund um Rundfunk- und Medienverbreitung, Stichwort #Medienstaatsvertrag) sind die Landesmedienanstalten. Dies sind staatsfern organisierte Landesbehörden mit speziellem Aufgabenbereich.
Genau wie auch beim Datenschutz stellte sich auch im Rundfunkrecht die Frage: Wie kann eine Aufsicht organisiert werden, die zwar aus sachlichen Gründen bundeseinheitlich erfolgen muss - der Rundfunk macht nicht an Landesgrenzen halt - aber trotzdem bei den Ländern bleiben soll?
Die Landesmedienanstalten bzw. die Landesgesetzgeber haben darauf mit drei Maßnahmen reagiert:

- Vereinheitlichung des Landesrechts
- Hochzonung von Entscheidungskompetenzen
- Gemeinsame Geschäftsstelle

Im Einzelnen:
1)
Das Rundfunk-, bzw. Medienrecht ist über Staatsverträge vereinheitlicht worden. Staatsverträge sind völkerrechtliche Verträge zwischen den Ländern. Sie werden durch Landesgesetze transformiert und dadurch zu formalen Landesgesetzen. Beispiel: Rundfunkstaatsvertrag (RStV).
Im Datenschutzrecht ist dieser Aspekt weniger wichtig, weil viele Grundsatzfragen bereits EU-weit einheitlich durch die #DSGVO geklärt sind. Aber speziell bei den Öffnungsklauseln (z.B. beim #Medienprivileg, Art. 85 DSGVO) gibt es sehr viel Unterschiede und dadurch Verwirrung.
Zumindest bei den Fragen, bei denen eine bundesweit einheitliche Regelung sinnvoll wäre (z.B. Medienprivileg, Personaldatenschutz) wäre es sinnvoll, wenn die Landesgesetzgeber sich auf gemeinsame Grundlinien einigen. Das muss nicht zwingend über einen Staatsvertrag erfolgen.
2)
Die Landesmedienanstalten haben gemeinsame Kommissionen gebildet. Diese bestehen aus Delegierten der Landesmedienanstalten, bzw. deren Gremien. Die wohl wichtigste ist die ZAK, die "Kommission für Zulassung und Aufsicht", bestehend aus den Direktoren.

die-medienanstalten.de/ueber-uns
Rechtlich gesehen sind die Kommissionen Organe der Landesmedienanstalten, bzw. jeweils der Landesmedienanstalt, die nach außen tätig wird. Für diese Organisationsform hat sich der witzige Begriff "Wanderniere" eingebürgert. Geregelt in den §§ 35 ff. RStV.
gesetze-bayern.de/Content/Docume…
Im RStV ist recht detailliert festgelegt, welche Aufgaben genau zu den gemeinsamen Kommissionen "hochgezont" werden.

Falls ja, steuert die gemeinsame Kommission einen Teil des Verfahrens und trifft die wichtigsten Entscheidungen. Also nicht die einzelne Landesmedienanstalt.
Wann und wie eine Aufgabe "hochgezont" wird, ist recht kompliziert; ich gehe hier nicht in die Details.

Grundprinzip: Wenn eine Angelegenheit von bundesweiter Bedeutung ist, dann *muss* die lokal zuständige Landesmedienanstalt die jeweils zuständige Kommission damit befassen.
3)
Die Landesmedienanstalten haben eine gemeinsame Geschäftsstelle gebildet, und zwar in Berlin. Dort arbeitet ein Team an allen Aufgaben, die zu den gemeinsamen Organen "hochgezont" wurden.

die-medienanstalten.de/ueber-uns/geme…
In der Praxis heißt dies: Die meisten wichtigen Regulierungs- bzw. Verwaltungsentscheidung basieren auf einer Zusammenarbeit verschiedener Landesmedienanstalten bzw. von deren Fachleuten (organisiert in Fachausschüssen), sowie den Mitarbeitern der gemeinsamen Geschäftsstelle.
Dieses System ist sicherlich nicht fehlerfrei und kann noch verbessert werden. Für den Datenschutzbereich kann es aber m.E. trotzdem als Denkanstoß dienen.
Festzuhalten ist, dass es den Ländern hier gelungen ist, eine bundeseinheitliche Aufsicht zu organisieren, ohne die Kompetenz an eine Bundesbehörde abzugeben.

Man *muss* also nicht zwingend den @BfDI mit der Datenschutzaufsicht in Deutschland beauftragen - es geht auch anders.
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