Letzte Arbeiten an dem Vortrag heute Abend.
Historisches Wörterbuch d Philosophie, „Nation, Nationalismus“: „Der Begriff ist nur selten eindeutig und ausdrücklich definiert; seine Bedeutung ist häufig schillernd“.
Eine historisch angemessen komplexe Definition!
Johann Georg Zimmermann,1783: „Nationalstolz“, das "Bewußtseyn des wahren Wertes seiner Nation“, sei „eine politische Tugend von grosser Wichtigkeit“, müsse aber immer zu "edlen Handlungen“ forciert werden, um nicht in feindselige Vorurteile gegenüber anderen Nationen abzugleiten
Rousseau greift als einer der ersten den Begriff im modernen politischen Sinn auf und spricht vom „Corps de Nation“, in dem alle Staatsbürger gleich seien.
Historikerin Liah Greenfeld 1993:
„Democracy was born with the sense of nationality. The two are inherently linked, and neither can be fully understood apart from this connection.“
Und @Alex_J_Thiele: „Dass Volkssouveränität (als Ausgangspunkt moderner Demokratie) und Nationsgedanke in der Französischen Revolution zusammenkamen, war kein Zufall“.
-> Nation plausibilisierte die abstrakte, revolutionäre Idee der Gleichheit.
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WAHLEN in AMERIKA!
Heute einige Tweets zu einem Phänomen, über das Europa schon immer gestaunt und sich gewundert hat.
Und zwar aus historischer Perspektive mit dem Schwerpunkt im 19. Jahrhundert.
„County Elections“ von George C. Bingham (1852) ist wohl die bekannteste Darstellung. Es sieht alles ganz harmlos aus. Aber wer genau schaut, sieht die Verletzten, die Korruption, die „Wahlschlepperei“, den Alkohol - und bemerkt die Abwesenheit von Frauen und Afroamerikanern.
Mit der Ausbreitung des Massenwahlrechts in den USA (seit den 1820ern, verstärkt seit den 40ern) nahm die Gewalt massiv zu. Wahlen entwickelten sich zu einem „manly sport“, so der Historiker David Grimsted - ein Fest für junge weiße Männer, die sauften, sich prügelten, wetteten.
Egal ob ob wir seine Verfechter oder Verächterinnen sind: Warum ist der Kapitalismus so unfassbar erfolgreich? Die Antwort ist natürlich zu schwierig für Twitter. Aber ein Blick auf die Zeit des Kaiserreichs, als er so richtig abhob, hilft vielleicht weiter.
So wie die Plausibilisierung des Gleichheitsgedankens nicht ohne Nation möglich gewesen wäre (Dieter Langewiesche bezeichnet Nation als "Gleichheitsvehikel“), so hätte die Massenpolitisierung ohne den Kapitalismus und seine Auswirkungen kaum stattfinden können.
Der Kapitalismus riss die Grundfesten der Gesellschaft ein, nichts im Leben der Menschen ließ er unberührt. Er zerstörte die alten Werte und Hierarchien, bot den Nährboden für brutale Ausbeutung. Und die Ungleichheit stieg in nicht gekannte Höhen. Aber das war nur die eine Seite.
Das moralische Entsetzen gegenüber der Geschichte erscheint mir für den Nationalsozialismus angemessen, ja gar nicht anders möglich. Er war der Bruch mit aller Menschlichkeit & Zivilisation. Aber als Historikerin diese Haltung auf den Rest der Geschichte auszudehnen? 1/x
(Es geht in diesem Thread nicht darum, jemandem „Säuberungen“ u. ä. vorzuwerfen, denn die Diskussion um Straßennamen, Denkmäler etc. ist so wichtig. Es geht mir darum: Wie sinnvoll ist es, normative Fragen in der Geschichte grundsätzlich in den Vordergrund zu stellen.)
Eine Person, die Geschichte v. a. unter dem Gesichtspunkt der eigenen moralischen Haltung beurteilt, verfehlt sie nicht zumindest als Historiker/in etwas Entscheidendes: die Einsicht, dass Menschen in anderen Zeiten anders getickt haben - und die interessante Frage, wie das kam?
Thread.
Weil es hier einige kluge Leute gibt, denen Quote & Gleichstellung merkwürdig erscheinen (HABEN WIR JETZT NIX BESSERES ZU TUN 😤), hier eine Erläuterung.
Anlass ist nicht zuletzt der viel diskutierte Artikel von @jana_hensel: 1/ zeit.de/gesellschaft/z…… via @zeitonline
2/ Hauptargument gegen die Quote ist (soweit ich sehe), dass man a) objektiv über Qualität urteilen kann & daher b) Geschlecht keine Rolle spielen darf. Es ist die Annahme, dass wir unabhängig von allem - von Geschichte, Erfahrung, Strukturen etc. - denken.
Seriously?
3/
Émile Durkheim (1858-1917), einer der 1. Soziologen, kam in seinen Studien zu einem verblüffenden Ergebnis: Eine der intimsten, individuellsten Handlungen ist stark von gesellschaftl Zusammenhängen abhängig: der Selbstmord (portal.dnb.de/opac.htm?metho……).
Aus welcher Zeit stammt eigentlich unser medizinisches System? Die Autorität der Medizinerinnen und Mediziner? Entscheidende wissenschaftliche Grundlagen?
Thread
Wie so vieles, was unsere Welt prägt, stammt es aus dem Kaiserreich. Medizinische Berufe professionalisierten sich (Männer=Ärzte= Studium= absolute Autorität // Frauen= Schwestern/Hebammen etc.-> ohne Studium).
Die Vorstellung, dass ALLE (auch die Menschen auf dem Land) Anspruch auf ein potentes Gesundheitssystem haben: Kaiserreich-Idee. Gab es 1887 15.824 Krankenhäuser, so waren es vor dem Weltkrieg über 30.000.
(Charité Anfang 20. Jhs)
Ich höre und lese immer wieder, in Deutschland gäbe es nur eine sehr geringfügige demokratische Tradition.
It is not so (und jeder Nazi hätte es besser wissen können).
(Thread)
Die Behauptung der schwachen deutschen Demokratietradition wurde nach 1945 bes laut- wohl auch, um das eigene Versagen zu entschuldigen. 1 Bsp. dafür findet sich in dem Tondokument eines "Dialogs über den deutschen Wiederaufbau nach 1945" im RIAS 1947: deutschlandfunkkultur.de/vor-70-jahren-…
Ich will hier einige Beispiele für die deutsche Demokratietradition nennen (die sich in vielem der Tradition anderer westlicher Länder gleicht). Heute: Die Verfassungsfeiern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.