Das war ein Servicetweet für alle, deren Leben zu kurz ist, um jede epische Twitterschlacht selbst zu studieren.
Man kann den Bericht über diese Schlacht aber auch wirklich ganz kurz fassen, weil die Sache klarer nicht sein könnte. (Kein Stoff für Kluge oder Pynchon.)
Was ist geschehen? Die @WELTAMSONNTAG verbreitete per Tweet vorab ein Zitat aus dem Leitartikel von @robinalexander_. Das Zitat war mit Anführungszeichen als Zitat ausgewiesen.
Schlachtentscheidend: Der Vorab-Werbetweet erklärte auch den Bezug des Zitats. Mit den wörtlich zitierten Sätzen äußerte sich @robinalexander_ demnach "über den #Rundfunkbeitrag".
Wohlgemerkt: über den Rundfunkbeitrag, nicht die Rundfunkbeitragskrise oder die Aufregung über den Rundfunkbeitrag. Damit konnte man das Zitat nur so verstehen, wie @polenz_r es verstanden hat. Eine andere Interpretation ist nach den Regeln der deutschen Sprache ausgeschlossen.
Es ist müßig, daran zu erinnern, wenn kluge Leute sich dumm stellen. Aber sei's drum: Das Beharren auf einem einfachen Wortsinn gegen die Dehnungs- und Verbiegungsübungen der unbegrenzten Auslegung müsste im hermeneutischen Sinne einer "bürgerlichen" Zeitung sein.
Der Tweet soll irreführend gewesen sein, wird nun suggeriert. Aber die Schuld daran wird dem Irregeführten aufgebürdet. Nie ein so klassisches Beispiel für Täter-Opfer-Umkehr gesehen!
Bis hierhin zur Schlacht. Aaber auch der Inhalt des Leitartikels jenseits des Zitats verdient Kritik. Tendenziöse Argumente und eine Falschinformation ergeben in der Summe eine Tendenz, die @polenz_r ganz richtig erschlossen hat.
Die Trennung von Sachfrage und Politik/Ideologie beim Stichwort Rundfunkbeitrag ist selbst ideologisch. Denn die Kritik des Beitrags ist ein politisches Projekt ideologischen Charakters. Das hat Stahlknechts Interview demonstriert.
Und in diesem Projekt stimmen (sachsen-anhaltische) CDU und AfD überein.
Merksatz: Trau keinem Politikjournalisten, der vor der Politisierung warnt.
Die Falschinformation: Es stimmt nicht, dass alle Experten das brandenburgische Paritätsgesetz für grundgesetzwidrig halten. In den Anhörungen der Landtage in Thüringen und Brandenburg sprachen sich die Sachverständigen Fisahn, Laskowski und Wawzyniak für die Gesetze aus.
Auch hier lässt die deutsche Sprache keinen Interpretationsspielraum. Alle Experten sind alle Experten. Ein einziger mit Gegenmeinung widerlegt den Satz.
Die falschen Lehren aus der Totalitarismustheorie verstellen auch in diesem Kommentar, wie beim Thema des Verhältnisses der "bürgerlichen" Parteien zur AfD üblich, die Erkenntnis der Lage. Mit routinierter Implikation setzt @robinalexander_ Linkspartei und AfD gleich.
Leitartikler, die nun aber keinen Rote-Socken-Kampagnenjournalismus betreiben, das heißt nicht mehr alle Koalitionen mit der Linkspartei von vornherein ablehnen, bahnen mit solchen Argumentationsfiguren Koalitionen mit der AfD den Weg.
Die Wahrheit über die Krise in Magdeburg: Wenn die CDU wegen der Gebührenerhöhung die Koalition platzen lässt, nimmt sie in Kauf, dass der Wahlkampf gegen sie von links als Wahlkampf "Gegen Rechts!" geführt wird.
Letztes Wort. Wollen wir wetten? In der nächsten @WELTAMSONNTAG steht dann wieder ein Essay über den Verfall von Wahrheitssinn und Textverständnis als das toxische Erbgut der Postmoderne. Glauben Sie dann aber auf jeden Fall auch dem Vorab-Tweet aufs Wort!
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Der Artikel hat sehr scharfe Reaktionen ausgelöst. Indem man sie „sehr leidenschaftlich“ nennt, lenkt man von vornherein von ihrem argumentativen Gehalt und Charakter ab. 2/21
Die Argumente, die auch Redakteure der @SZ gegen den Text vorgebracht haben, werden nicht referiert. Es wird auch nicht andeutungsweise deutlich, aus welchen Gründen man über den Text entsetzt sein kann. 3/21
Es ist beachtlich, dass sich der @DLF so viel Mühe mit der öffentlichen Erörterung von Kritik gibt wie im Podcast "Der Tag". Bei anderen Medien, zumal gedruckten, findet solche Selbstprüfung nicht-öffentlich statt, wenn überhaupt. 1/16 deutschlandfunk.de/der-tag-kommun…
Aber gemessen am Aufwand ist das Ergebnis hier dann erst recht ernüchternd. Um nicht zu sagen deprimierend. Eine Viertelstunde wird über den Kommentar von Silke Hasselmann diskutiert. Die Diskussion dauert also sechsmal so lang wie der Kommentar selbst. 2/16
Doch in dieser langen Zeit wird das Skandalöse des Textes, das nach Zugeständnis des Senders weithin als skandalös Empfundene, nie auf den Begriff gebracht oder auch nur umschrieben. 3/16
Nietzsche beschreibt in Nr. 68 von „Jenseits von Gut und Böse“ die Amnesie aus Stolz. „Endlich – gibt das Gedächtnis nach.“ Bei der Tübinger Philosophieprofessorin @sabinedoering dauerte es jetzt nur fünf Tage. 1/12
Frau Döring beklagt, dass hier bei Twitter „der freie Gedankenaustausch unterdrückt wird“.
Richard Werner, der neue Doktorvater von K. T. zu Guttenberg, hat die University of Southampton, die Guttenberg den Titel verlieh, inzwischen verlassen und seinen früheren Arbeitgeber verklagt.
Vor dem Arbeitsgericht in Southampton erreichte er zwischenzeitlich ein Urteil zu seinen Gunsten, das ihm 3,5 Millionen Pfund zusprach.
Dabei handelte es sich allerdings um ein Versäumnisurteil. Es wurde verhängt, weil die Universität keine Erwiderung auf Werners Klage eingereicht hatte und zum deshalb angesetzten Termin nicht erschienen war.
Der Streit um die Kolumne von @habibitus gibt Gelegenheit zu Klärungen. Polizisten sind Amtsträger, die in staatlichem Auftrag die beim Staat monopolisierte Gewalt ausüben. Sie mit von Gewalt bedrohten Minderheiten gleichzusetzen ist von vornherein verfehlt.
Man kennt solche Parolen aus den USA: "Blue Lives Matter". Diese Okkupation der Bürgerrechtsrhetorik läuft auf die Beschränkung der Bürgerrechte derer hinaus, die durch die Polizei geschützt werden sollen, faktisch aber zu oft vor der Polizei geschützt werden müssen.
Aus strukturellen Gründen ist der Polizei Selbstkritik fast unmöglich. Die Polizeiwissenschaft hat das gezeigt, und vernünftige Polizisten leugnen es nicht. Siehe Milos Vec bei @FAZ_Wissen über eine Studie aus NRW: faz.net/aktuell/wissen…
"Vor einigen Tagen ist in der taz ein Text veröffentlicht worden, in dem empfohlen wurde, Polizeibeamte unter bestimmten Umständen auf einer Mülldeponie unterzubringen." Das stimmt nicht. taz.de/!5691619/
Man kann den Text hier nachlesen. taz.de/Hengameh-Yagho… Es handelt sich um eine Satire, in der ein dystopisches Gedankenspiel in der grotesken Vision der Endlagerung der Polizisten auf der Müllhalde endet.
Unter keinen irgendwie alltagssprachlich ausweisbaren Bedingungen ist die Schlusspointe des Artikels als "Empfehlung" zu charakterisieren. Launig wird ein Szenario durchgespielt, dessen Prämissen irreal sind: dass "die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht".