Letzten Freitag hat der Bundesrat eine Art "Ampelsystem" eingeführt. Macht dieses und die in den Medien diskutierten Anpassungen aus epidemiologischer Sicht Sinn? In meinen Augen lautet die Antwort ganz klar nein. Ein Thread. 1/n edi.admin.ch/edi/de/home/do…
Zuerst einmal: Wozu benötigt man ein Ampelsystem? Ein solches System erlaubt bei klar definierten Schwellenwerten verschiedene Massnahmenpakete schnell einzuleiten. 2/n
Dies erlaubt es der Bevölkerung auf anstehende Massnahmen vorbereitet zu sein, bietet deutlich mehr Planungssicherheit und kann im besten Fall einen raschen Anstieg der Epidemie verhindern oder zumindest abschwächen. 3/n
Irland hat ein solches System im September eingeführt. Das "National Framework for living with COVID-19" zeigt detailliert auf, bei welchem Level welche Massnahmen eingeführt werden. 4/n
Dieses Ampelsystem erlaubte es Irland frühzeitig und effektiv auf die "zweite Welle" zu reagieren. Die tägliche Zahl der bestätigten Fälle und Todesfälle ist im Vergleich zur Schweiz sehr tief. 5/n
Dazu gehören die effektive Reproduktionszahl Re und weitere Indikator-Variablen wie die täglich bestätigten Fälle oder Hospitalisationen. Mit einer solchen Strategie hätte man gezielter auf die zweite Welle reagieren können. Die Vorschläge wurden leider nicht umgesetzt. 7/n
Wie sieht der aktuelle Plan aus? Beim derzeitigen System gibt es alleine bei der Frage nach der Sperrstunde eine Ausnahme für Kantone in welchen Re während den letzten 7 Tagen unter 1 liegt und die 7-Tagesinzidenz während mindestens 7 Tagen unter dem Schweizer Schnitt liegt. 8/n
Ein offenbar neu diskutierter Notfallplan sieht drei Eskalationsstufen vor, welche sich nach der Belegung der Intensivstationen richtet und aufgrund von Re-Werten im Bereich von 0,9 bis 1,2. In meinen Augen gibt es bei diesen Systemen drei Probleme: 9/n tagesanzeiger.ch/berset-will-au…
Erstens entspricht das aktuelle und vorgeschlagene System nicht der Empfehlung der @SwissScience_TF, welche bereits seit dem 13. November vorschlägt ein Re unter 0,8 zu erreichen. 10/n sciencetaskforce.ch/beurteilung-de…
Zudem kommunizierte gestern die @SwissScience_TF, dass es in der jetzigen Situation so schnell wie möglich umfassende, schweizweite Massnahmen braucht um die Zahl der Neuinfektionen drastisch zu senken. 11/n sciencetaskforce.ch/rede-von-marti…
Pendelt man sich jedoch bei einem Re zwischen 0,9 und 1,2 ein, läuft dies auf eine Stabilisierung der aktuellen Situation hinaus, was bei der aktuell sehr hohen Zahl an bestätigten Fällen und der äusserst kritischen Lage in den Spitälern nicht das Ziel sein kann. 12/n
Zweitens könnte der starre Fokus auf Re-Werten - welche aufgrund der bestätigten Fälle berechnet werden - einen Anreiz verschaffen weniger zu testen. 13/n
Es ist auch möglich, dass über die Festtage weniger getestet wird, die Zahlen also vermeintlich sinken und Re unter 1 fällt obwohl die Epidemie weiterhin ansteigt. 14/n
Drittens sind die berechneten Werte von Re von starker Unsicherheit geprägt und abhängig von der verwendeten Methodik. Die aktuelle Verordnung beruft sich auf die von der @ETH publizierten Werte welche auch von der @SwissScience_TF kommuniziert werden. 15/n
Andere Methoden können aber auch auf leicht abweichende Werte kommen. Insbesondere im Grenzbereich um 1 kommt es schnell zu Schwankungen und diese Schwankungen sind bei kleinen Kantonen mit tieferen Fallzahlen höher. 16/n
Aufgrund dieser Unsicherheit ist es recht fragwürdig, ob eine einzelne statistische Methode explizit in einer Verordnung erwähnt werden sollte. 17/n
Die Interpretation solcher Indikatoren sollte im Zusammenhang mit der Inzidenz, der Testpositivität und den Hospitalisationen aufgrund von objektiven - aber nicht starren - Kriterien erfolgen. 18/n
So oder so ist die Anzahl der täglich bestätigten Fälle und Todesfälle und die Belastung in den Spitälern aktuell derart hoch, dass die Schweiz wie von der @SwissScience_TF erwähnt leider nicht mehr um einen "Lockdown" herumkommen wird. 19/n
Die Effektivität des "Lockdowns" werden wir anhand von Re ermitteln können. Wenn die Fallzahlen wieder tief sind (z.B. weniger als 60 bestätigte Fälle pro 100'000 Einwohner über die letzten 14 Tage und eine Testpositivität unter 5%) könnte Re als Indikator verwendet werden. 20/n
So sollte Re beispielsweise nicht mehr über 1,1 oder 1,2 ansteigen, was erlauben würde immer wieder frühzeitig zu reagieren und eine “dritte Welle” zu verhindern. Ende. 21/21
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What is the overall infection fatality ratio (IFR) of #SARSCoV2 in Germany? The widely discussed Gangelt study now got published in @NatureComms. There are a number of issues with its estimate of the IFR. A thread. (1/n) nature.com/articles/s4146…
What do we already know about the IFR in Germany? At @ISPMBern, we published a modeling study that estimates the IFR at 0.8% (95% CI: 0.5%-1.1%) for Bavaria and 0.7% (95% CI: 0.5%-1.3%) for Baden-Württemberg based on 1,049 and 802 deaths. (2/n) journals.plos.org/plosmedicine/a…
The IFR can also be estimated from seroprevalence studies. A recently published report from Munich (Bavaria) found an IFR of 0.8% (0.6%-1.1%), confirming our earlier estimates. (3/n) klinikum.uni-muenchen.de/Abteilung-fuer…
In the current situation, it is critically important to follow the epidemic trends of #SARSCoV2 across age groups and cantons. Changes in the number of daily confirmed cases, hospitalizations, ICU occupancy and deaths can all provide meaningful insights. (2/n)
One can fit a negative binomial generalized linear model (glm.nb in R) to the data with reported numbers as a response variable and date and weekend as predictors. This allows to estimate the exponential increase or decrease of the different indicators of the epidemic. (3/n)
The @SwissScience_TF proposes to halve confirmed #SARSCoV2 cases every two weeks to reach less than 500 cases in January. What does this mean regarding the reproduction number? A thread about doubling times and half-lifes of #SARSCoV. (1/n)
The figure (in German) shows the relationship between the reproduction number and the time in which the number of new #SARSCoV infections double (red) and reduce by 50% (green). (2/n)
In early March 2020, the virus spread uncontrolled in Switzerland with a reproduction number of 2.8 which corresponds to a doubling time of 3 days. (3/n)
Die @SwissScience_TF schlägt vor, dass wir die Fallzahlen alle zwei Wochen halbieren, um im Januar wieder auf unter 500 täglich bestätigte Fällen zu gelangen. Was bedeutet das bezüglich der Reproduktionszahl? Ein Thread zu Verdoppelungs- und Halbwertszeiten bei #SARSCoV2. (1/n)
Die Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen der Reproduktionszahl und der Zeit in welcher sich die Anzahl Neuinfektionen von #SARSCoV2 verdoppeln (rot) bzw. halbieren (grün). (2/n)
Anfang März 2020 konnte sich das Virus in der Schweiz unkontrolliert ausbreiten, was einer Reproduktionszahl von 2,8 und einer Verdoppelungszeit von 3 Tagen entsprach. (3/n)
Reichen die seit 29. Oktober geltenden Massnahmen um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern und die Anzahl Neuinfektionen mit #SARSCoV2 wieder auf ein überschaubares Niveau zu bringen? Thread über die zentrale Rolle einer frühzeitigen Einführung von Massnahmen. 1/n
Der Bericht wies darauf hin, dass die Testpositivität über die letzen sieben Tage bereits 7% betrug, was über dem von der @WHO empfohlenen Grenzwert von 5% lag. 3/n