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21 Jan, 23 tweets, 8 min read
Die jüngsten Entwicklungen um die Ärztin @haenel_kh und ihre Verurteilung nach #219a machen erneut deutlich: Es muss dringend politisch etwas passieren. Wir haben Gesetze, die Feinden der Selbstbestimmung in die Hände spielen. Dazu ein paar Gedanken.
Wie befürchtet zeigt sich jetzt: Der faule #219a Kompromiss ist eine Art Maulkorb für Ärzt*innen. Eine Art Zensur. War bis zur Reform unklar, was an Infos sie publizieren dürfen, ist jetzt total klar: Eigentlich nichts. Lediglich, dass Sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Ärztinnen werden dadurch zum Schweigen gebracht - besser als zuvor, und besser, als es sich jene Fanatiker, die sie seit Jahren anzeigen, vielleicht erträumt haben. Hier hilft ihnen jetzt ein SPD-CDU-CSU-Gesetz. Die Fanatiker zeigen an, und Richter haben keinen Spielraum mehr.
Das ist wichtig zu wissen. Viele Verfahren wurden bisher von Fanatikern angestrengt, viele wurden aber gar nicht eröffnet, sondern eingestellt. Das ist nun vorbei. Man könnte sogar sagen, die juristischen Rahmenbedingungen für Feinde der Selbstbestimmung haben sich verbessert.
§ 219a hatte immer die Aufgabe, die öffentliche Kommunikation zum Schwangerschaftsabbruch einzuschränken u eine Enttabuisierung des Themas zu verhindern. Dieser Intention wird er immer noch voll gerecht. Insbesondere für den Informationsraum Internet hat das drastische Folgen.
In den letzten Jahren haben fanatische Lebensschützer das Internet als Raum der politischen Auseinandersetzung entdeckt. Dort kämpfen sie nicht nur über Deutungshoheit zum Thema Schwangerschaft, es ist auch der Ort, an dem sie Angst, Einschüchterung und Fake-News wachsen lassen.
Das so oft zitierte gesellschaftliche Klima manifestiert sich auch dort. „Feindes"-Listen, Beleidigungen, übelste Holocaustvergleiche etc gegen Ärzte haben dort ihren Platz gefunden. Das Netz ist neben Anzeigen u Aktionen vor Praxen der wichtigste Ort der Einschüchterung.
#219a sorgt im Netz für Feinde der Selbstbestimmung für einen Vorteil. Denn zum Schweigen verpflichtet sind ausgerechnet die Expert*innen: Ärztinnen. Das ist absurd und stellt einen heftigen Eingriff dar. Schlimm genug, dass es immer noch Parteien gibt, die genau das wollen.
Seit Jahren lässt sich beobachten, dass Klerikale und Rechte Fake-Beratungsstellen aufbauen und ungewollt Schwangere dorthin locken. Real vor Ort und vor allem im Netz. Sie rauben so kostbare Zeit und manipulieren und gefährden so die Leben von anderen und deren Entscheidungen.
Der Politik ist das Problem bekannt, aber sie tut nichts. Der Wahnsinn besteht darin, dass der Gesetzgeber bevormundend und übergriffig ungewollt Schwangere in eine enges Korsett aus Beratungspflichten und Terminen zwängt, aber nichts tut, um sie vor Fake-Beratungen zu schützen.
Ungewollt Schwangeren wird gewissermaßen vorgetäuscht, es handle sich um eine Beratung im Sinne des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Der Gesetzgeber untersagt diesen Fakeberatungen noch nicht einmal die irreführende Werbung mit Begriffen wie „Schwangerschaftskonfliktberatung“
Hier müssen insbesondere die jetzigen Oppositionsparteien @dieLinke , @Die_Gruenen und @fdp Druck aufbauen. Die stetig wachsenden Angebote von Fake-Beratungen müssen endlich verhindert werden. Irreführende Werbung muss verboten sein. Der #219a Maulkorb für Ärzt*innen muss weg.
Es ist logisch und ungemein wichtig, dass die Ärztin @haenel_kh den Weg zum Bundesverfassungsgericht beschreitet. Aber der Ausgang dieses Weges ist unklar: Auch deswegen ist es wichtig, politischen Druck aufzubauen: auf die Parteien und in der Gesellschaft.
Wir haben Bundestagswahl und es kann nicht sein, dass es immer noch eine Regierung und Parteien gibt, die diesen faulen #219a Kompromiss verteidigen und daran festhalten, obwohl er massiv die Rechte von Ärztinnen und insbesondere ungewollt Schwangeren massiv einschränkt.
Diesen Parteien muss klar sein, dass der Preis, an diesem Wahnsinn und an einer solchen Bevormundung festzuhalten, massiv Stimmen bei der Wahl kostet. Es muss jeder und jedem klar sein: Eine Partei, die nicht #wegmit219a fordert, ist unwählbar.
Auch deswegen ist es wichtig, insbesondere der jüngeren Generation immer wieder klarzumachen, was für unmögliche bevormundende Gesetze wir in Deutschland haben. In Zeiten von Tinder, Speed-Dating, Kit-Kat-Club und Porno denken viele, man sei völlig frei. Aber dem ist nicht so.
Vielen werden die harten von mehrheitlich Männern gemachten Gesetze, die staatliche patriarchale Verfügungsgewalt über den Uterus vorsehen, meist erst dann bewusst, wenn sie ungewollt Schwanger sind. Dann ist es zu spät.
Neben einer solchen politischen Aufklärungsarbeit braucht es aber unbedingt die persönliche Unterstützung von allen Bündnissen, die aktiv vor Ort sind. Der Kampf gegen Feinde der Selbstbestimmung kann nicht nur im Netz stattfinden, sondern er muss auch auf der Straße erfolgen.
Schaut euch um, sucht im Netz nach lokalen oder bundesweiten Bündnissen, und selbst wenn ihr nur zu einer Demo geht, oder nur einmal vor Ort der Belästigung von ungewollt Schwangeren durch Fanatiker vor Beratungsstellen oder Ärzt*innenpraxen widersprecht - das ist Gold wert.
An dieser Stelle möchte ich wenigstens einige dieser Bündnisse erwähnen: @ProChoice_DE @nofundis @pro_choice_GI @ASA_Muenchen @pro_choice_GI @BfkSFfm @prochoicepassau @ProChoice_AT @Ciociabasia1 @ProchoiceH
(sorry, ich weiß, ich habe viele vergessen jetzt)
Daraus ergibt sich auch eine andere politische Forderung: Der vielerorts stattfindende Spießrutenlauf, dem ungewollt Schwangere vor Praxen und Beratungsstellen durch Fanatiker ausgesetzt werden, muss beendet werden, dazu braucht es gesetzliche Regelungen.
Wenn der Staat schon ungewollt Schwangere zur Beratung per Gesetz zwingt, darf er es nicht zulassen, dass sie dort belästigt und angefeindet werden. Das ist mehr als skandalös. Hier versagt der Gesetzgeber doppelt. 1. Lässt er den Spießrutenlauf zu.
2. verletzt er seine eigenen Vorgaben. Die Beratung soll und muss ein geschützter Ort sein, Anonymität muss gewährleistet sein. Wie bitte schön soll das mit einem Mob vor der Tür der Fall sein? Überhaupt, schlimm genug, dass man Menschen zur Beratung zwingt, und dann noch das.

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21 Jan
Viele Journalist*innen stellen Merkel, Spahn u Co. viele Fragen zu Masken. Aber keiner fragt, ob es angesichts von Milliarden Ausgaben für Masken und einer Maskenpflicht nicht mal sinnvoll wäre, wenn der Bund selbst produzierte. Wir sind dem Markt doch völlig ausgeliefert.
Fakt ist: Das Vorgehen der Bundesregierung ist seit Beginn der Pandemie völlig widersprüchlich. Zumindest was die grundsätzliche Frage "Staatliches Handeln/Eingriff versus Freier Markt betrifft." Mit geradezu wahnsinnigen u teils streng geheimen Verträgen hat sie "eingegriffen"
Sie hat nicht nur Beschaffungsverträge zu absurden Konditionen abgeschlossen, sondern hat versucht, die hiesige Wirtschaft "anzureizen" mit Förderungen. Da hätte man ja schon sagen können, also, entweder gehts von allein oder nicht, aber bitte nicht mit Halb-Sozialismus
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21 Jan
In Portugal explodieren gerade die Zahlen und eine Katastrophe bahnt sich ihren Weg: 14700 Fälle die letzten 24 Stunden, auf 🇩🇪 ungerechnet wären das fast 120000 Neuinfektionen. 🇵🇹 hat in 🇪🇺 mit die wenigsten Intensivstations-Betten und wenig Testkapazitäten.
Die Mutation macht schon 20 Prozent der Neuinfektionen aus. Die portugiesische Regierung war verrückt genug, so wie viele Politiker*innen es hierzulande auch wollten und immer noch wollen, die Schulen die letzten Wochen offen zu lassen. Die Zahlen explodieren seitdem.
Bei den gemeldeten Zahlen handelt es sich nur um einen Teil der tatsächlichen Zahlen. Portugal verfügt nicht über genug Testkapazitäten. Jetzt hat die Regierung die Schulschließung angekündigt, quasi als Notbremse, aber für viele Tausende dürfte das zu spät sein.
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19 Jan
Was bitte soll der Unterschied zwischen medizinischen Masken und selbstgefertigten Stoffmasken sein, außer dass die Leute das Zeug kaufen müssen?
Wirkt eher wie der Fetisch der Zertifikat-Nation, die einen haben Prüfzeichen, die anderen nicht.
Viele scheinen es immer noch nicht zu verstehen: es gibt im Wesentlich drei verschiedene Maskenarten: 1. die Alltagsmasken, die sich das Land nach Monaten der Politikverweigerung teilweise selbst gebastelt hat. 2. Medizinische Masken (kennt man vom Zahnarzt) 3. FFP2 Masken.
Was vor dem Gipfel gerade diskutiert wird, ist: ob man statt FFP2 Pflicht, eine Pflicht für Medizinische Masken (Typ 2) einführt und damit Typ 1 in Bus und Bahn und Shops verbietet.
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12 Jan
Jetzt haben wir den Salat u es ist einen Skandal: @Markus_Soeder kündigt an, eine FFP2-Maskenpflicht im Nahverkehr und Supermarkt einzuführen. Und das, obwohl die Bundesregierung nahezu alles versemmelt hat, um für FFP2-Masken-Preise zu sorgen, die sich jeder leisten kann.
Er erdreistet sich sogar zu sagen, dass die Masken zum Teil sogar »deutlich im Überfluss, zum Teil jedenfalls, vorhanden« seien. Ganz so, als gebe es die für einen Schnäppchenpreis. Nein, diese kosten, sofern man sie nicht im Großpack bestellt, immer noch 3 bis 8 Euro das Stück.
Ein Skandal ist es auch, weil für Grundsicherungs- oder Hartz-IV-Beziehende kein einziger Euro für diese wichtigen Produkte zur Verfügung gestellt wurde und wird. Und ja, jeden Tag 3 oder 5 Euro für ne Maske ausgeben ist unmöglich wenn man gerade mal 4,85 pro Tag für Essen hat.
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12 Jan
Den Vogel heute schießt @zeitonline ab mit einem Artikel von @bertpsch. Darin wird behauptet, es gebe eine Sehnsucht bei Linksparteilern, Sozialdemokraten und manchen Grünen nach Merz. Er sei für sie ein "Mann mit Erlöserqualitäten" Es gebe kollektive Sehnsuchtsanfälle.
OK, kann ja jeder Thesen verbreiten wie er will, was aber krasser ist, ist der Inhalt zu Merz. Es ist in meinen Augen so ne Art journalistisches "Socialwashing" von Merz. Oder um es klarer zu sagen: Den Eindruck erwecken, als hätte der nichts vor, was Linke stören könnte.
Da wird tatsächlich behauptet: "Niemand, nicht einmal Friedrich Merz, fordert noch irgendetwas, das dem linken Lieblingswort "Sozialabbau" gleichkäme. Niemand will den Niedriglohnsektor ausweiten, niemand fordert groß angelegte Privatisierungsprojekte" Zitat: @zeitonline
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13 Dec 20
Habe das Gefühl, noch immer wissen viele nicht genau, was #Tafeln sind, wofür sie stehen und was sie bedeuten für jene, die auf sie angewiesen sind. Weil viele Menschen deswegen auch nicht einschätzen können, was wegen #Corona geschlossene Tafeln bedeuten, hier ein paar Gedanken.
Tafeln sind für arme Menschen, also für alle in Hartz IV Bezug oder Grundsicherung der Ort, an dem sie die gesetzlich verordnete und seit Jahren politisch gewollte Not und den damit verbundenen allumfassenden Mangel etwas lindern können.
Ganz wichtig: Bei vielen Tafeln stellen Nahrungsmittel nur einen Teil des Angebotes dar. Es gibt viele Tafeln, die bieten vieles von dem an, was ein Mensch, eine Familie so braucht: Angefangen von der Kleidung, Nahrung, über Möbel, bis hin zu Schulmaterialien und Töpfen.
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