"Was darf Satire und ist das Phänomen Cancel Culture ein legitimes Korrektiv?" - Auch eine gute Frage.
Beide Fragen stammen vom SPIEGEL, der mit diesen Fragen eine Veranstaltung mit Lisa Eckhart bewirbt.
Jepp. Lisa Eckhart.
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In dieser Veranstaltung diskutiert Lisa mit Philipp über Diskriminierung und Ausgrenzung. Moderiert wird das Ganze von Philipp. Also einem anderen Philipp.
Richtig gelesen. 2 der 3 Personen, die über Diskriminierung diskutieren werden, sind weiße Männer namens Philipp.
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1 der 3 Personen, die über Diskriminierung diskutieren werden, sagte mal folgendes:
„Nimmt man von allen Ching-Chongs die Ding-Dongs und legt sie nebeneinander auf, hat man etwa die Länge einer kongolesischen Vorhaut“
Und weil Lisa Eckhart gerne über die "Ding-Dongs" der "Ching-Chongs" witzelt und im Zusammenhang mit Corona über "Schlitzaugen" rätselt, grübeln manche Menschen nun, ob Lisa Eckhart möglicherweise ein kleines bisschen rassistisch ist.
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In diesen Interviews berichtet Eckhart freimütig über ihren Status als Schutzheilige aller "Cancel Culture"-Opfer.
Manchmal kommt auch das Harbour-Front-Festival zur Sprache, wo Lisa Eckhart auf spektakuläre Weise nicht gecancelt wurde. Falscher Alarm, aber immerhin!
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Lisa Eckhart hat es geschafft, das lustvolle Spiel mit Rassismus und Antisemitismus zum Geschäftsmodell zu machen und ihren Verehrer*innen als "kontroverse" Satire zu verkaufen.
Jede Kritik an ihren Worten wird dabei als Angriff auf die Meinungsfreiheit umgedeutet.
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Das funktioniert erstaunlich gut. Schließlich haben viele Menschen in diesem Land das Gefühl, dass man "nichts mehr sagen dürfe". Dass "die Berufsopfer" alles bewusst falsch verstehen würden, obwohl man ja nun wirklich "nichts gegen Ausländer habe".
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Von alledem profitiert Lisa Eckhart. Aber nicht nur sie. Womit wir wieder bei der Veranstaltung vom SPIEGEL wären.
Auf derselben Webseite, auf der mit Lisa Eckhart geworben wird, steht auch folgendes:
"Karten im Ticketshop ab 4,50 € zzgl. Gebühr."
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Auch der SPIEGEL profitiert von Lisa Eckhart und ihren Grenzüberschreitungen. Er profitiert von ihrer Reichweite, von den Ticketverkäufen und von der Empörung, die Veranstaltungen mit ihr auslösen.
Rassismus als Geschäftsmodell. Mit kostenloser Publicity.
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Nun soll und darf Lisa Eckhart vollumfänglich und uneingeschränkt alles sagen, was nicht gesetzlich verboten ist. Die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes schützt auch Menschen aus Österreich, die nach Deutschland kommen, um gegen Juden und Schwarze zu wettern.
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Aber warum dieselben Journalist*innen, die in den vergangenen Monaten eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben, dass sie in Sachen Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus nun wirklich überhaupt keine Ahnung haben, ...
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... geradzu zwanghaft eine Person auf ihre Titelseiten hieven, die wiederholt mit rassistischen und antisemitischen Äußerungen aufgefallen ist, sollte als ernsthafte Frage erlaubt sein. Ich verstehe es nämlich nicht. Vielleicht will ich es auch nicht verstehen.
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Letztes Jahr riefen mich die Leute vom SPIEGEL kurzfristig an, weil sie versehentlich eine Diskussion über "Black Lives Matter" in den USA mit 4 weißen Menschen besetzt haben. Ich habe einigermaßen zähneknirschend zugesagt.
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Ich habe zugesagt, weil ich den SPIEGEL mag. Weil ich die Leute mag. Weil ich verstehe, dass so etwas in einem redaktionellen Prozess passieren kann. Das war letztes Jahr. Zur gleichen Zeit als Sandra @maischberger wegen ihrer Talkshow-Besetzung in Kritik geraten ist.
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Vergangene Woche gab es eine intensive Debatte darüber, dass eine @Tagesspiegel-Kolumnistin antirassistische Arbeit verhöhnt hat und in einem zweiten Text einer schwarzen Frau empfahl, sich nicht "selbst zur Sklavin zu machen".
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In dieser Woche gab es eine intensive Debatte darüber, dass 5 weiße Menschen auf groteske Weise darüber abgestimmt haben, ob man das Z-Wort weiter benutzen darf. Die Wortbeiträge waren hanebüchen, geschichtsvergessen und teilweise schlicht menschenfeindlich.
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Und nun sollen die beiden Philipps also mit Lisa Eckhart über Diskriminierung debattieren. Und über "Cancel Culture". Und warum? Seien wir doch einmal ehrlich:
Wegen der Klicks. Wegen der Kohle. Wegen der Kontroverse.
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Das sei nun wirklich allen gegönnt. Auch SPIEGEL-Mitarbeiter*innen sollen schließlich von irgendwas leben.
Aber vielleicht nicht unbedingt von Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus.
Ich dachte, das wäre mittlerweile klar. Aber vielleicht habe ich mich auch geirrt.
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P.S. Das hier ist immer noch eine Liebeserklärung an den SPIEGEL. Wenn auch eine sehr sehr bittere.
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Ein schwarzer Lehrer wird in einem Schulgebäude für einen Einbrecher gehalten. 15 (!) Polizisten marschieren an, zielen mit ihren Waffen auf ihn und glauben ihm nicht, dass er Lehrer an der Schule ist.
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"Er weist die Beamten darauf hin, dass er einen Schlüssel für die Schule habe und Lehrer sei. "Den Polizisten reichte meine Antwort nicht". Sie hätten ihm Fragen gestellt: Wie die Schulleitung heiße, wer der Hausmeister sei."
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"Einige Telefonate später erhält er seinen Ausweis zurück. "Vorher musste ich erklären, wo ich geboren bin und seit wann ich in Deutschland sei". (...) Ende November schreibt er einen Brief an die Beschwerdestelle der @PolizeiHamburg. Bis heute hat er keine Antwort erhalten."
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Anzahl der bisherigen BILD-Artikel über Bodo-Ramelow (Linke), der während der Corona-MPK "Candy Crush" spielte: 3
Anzahl der damaligen BILD-Artikel über Lorenz Caffier (CDU), der während seiner Amtszeit als Innenminister eine Waffe von einem Neonazi-Terroristen kaufte: 0
Selbst als sich die Geschichte über Caffiers Waffe über Wochen hinweg immer weiter zuspitzte, kam vonseiten der BILD... Nichts.
Eine Herangehensweise, die in journalistischen Fachkreisen auch als "ohrenbetäubendes Schweigen" bekannt ist.
Erst als Caffier schlussendlich zurücktrat, schien man sich in der BILD-Redaktion aufzuraffen und verfasste einen dürren Artikel, der auf einer SPIEGEL-Meldung beruhte.
Knapp 50% dieses Textes besteht aus Caffiers Erklärungen.
Falls es unklar sein sollte: Ich mag den @Tagesspiegel sehr. Ich mag vor allem viele der Menschen, die dort arbeiten und sehr guten Journalismus machen.
Wie dieser Artikel dort zustande gekommen ist, verstehe ich allerdings nicht. Aber das muss ich auch nicht.
Ich hoffe, dass die verantwortlichen Redakteurinnen sich überlegen, ob sie grundsätzlich mit dieser Art von Journalismus ihre Reputation gegen ein kurzes Aufflammen der Klickzahlen eintauschen wollen. Aber das ist nicht meine Entscheidung.
Während die Menschen in Neuseeland in ausverkauften Rugby-Stadien sitzen.
Und es braucht hier auch niemand irgendeinen Bullshit über deren Insellage zu fabulieren. Großbritannien ist auch eine Insel. Und die Situation dort ist teilweise noch verheerender als bei uns.
Der einzige Unterschied:
In Neuseeland gab es einen echten harten Lockdown. Genauso wie in Japan und Südkorea. Allesamt Demokratien, um mal das nächste Bullshit-Argument zu entkräften. Die Menschen dort waren halt solidarisch und haben Disziplin bewiesen.
Über mittlerweile ein ganzes verdammtes Jahr reden Konservative nun mit Querdenkern, warnen vor deren Kriminalisierung, wollen sie nicht in die "rechte Ecke" rücken. Nicht einmal als Querdenker und Reichsbürger ihnen beim Schneeschaufeln am Privatgrundstück auflauern.
Interessant zu sehen, wie entschieden Neonazis bekämpft werden, wenn diese nicht mehr nur schwarze Menschen aus der Unterschicht töten, sondern plötzlich auch weiße Menschen aus der Oberschicht bedrohen.