Auch wenn selbst in der Pressestelle der Universität Hamburg Leute das aufgreifen und natürlich manche Medien das mehr oder weniger ungeprüft übernehmen:
Es gibt keine aktuelle Studie, die nachweist, dass SARS-CoV-2 aus einem chinesischen Laborunfall stammt.
Was es gibt, (1/n)
ist ein 105-seitiges pdf, das Roland Wiesendanger, ein Physiker mit viel Erfahrung in der Rastertunnelmikroskopie verfasst hat (offenbar im Alleingang) und in dem er aus verschiedenen wissenschaftlichen Artikeln, Pressebereichten und persönlichen (2/n)
Mitteilungen (also oft genug "Hörensagen") folgert, dass andere Erklärungen ihn nicht überzeugen, er die virologischen Arbeiten in Wuhan für gefährlich hält und somit einen Laborunfall für eine wahrscheinliche Erklärung des Pandemieursprungs hält. (3/n)
Irgendwelchen wissenschaftlichen Standards geüngt das nicht und fachliche Expertise ist auch nicht zu erkennen. So ist das Werk ("Studie" erscheint mir hier irreführend) auch nicht in irgend einer Weise wissenschaftlich veröffentlicht, sondern einfach auf Researchgate (4/n)
hochgeladen - einem sozialen Netzwerk für Wissenschaftler, also unserem Äquivalent von Facebook. Hier kann jeder ein pdf hochladen, es handelt sich um keine Veröffentlichung mit peer-Review, ja nicht einmal um einen wissenschaftlichen Leserbrief (5/n)
(Correspondence oder Letter to the Editor), bei denen wenigstens ein Editor es als interessant genug zu einer Veröffentlichung bewerten musste. Researchgate ist auch kein etablierter Preprintserver, auf dem andere Wissenschaftler das Werk leicht finden und diskutieren (6/n)
könnten.
Das Werk umgeht also alle Gepflogenheiten wissenschaftlicher Arbeit, Veröffentlichung und Kommunikation und ist demnach eigentlich ein Privatvergnügen des Professors. Es sollte dementsprechend eigentlich auch von keiner Pressestelle aufgegriffen werden. Warum (7/n)
die @unihh das trotzdem tut - ob hier sträfliche Unwissenheit oder völliger Mangel von Qualitätskontrolle vorliegt - weiss ich nicht.
Einen wertvollen Beitrag zur Diskussion stellt das Werk im Gegensatz zu zahlreichen virologischen Arbeiten, die zu anderen Schlüssen kommen (8/n)
oder wissenschaftlich redlich keine klare Schlussfolgerung ziehen können, nicht dar.
Wer das Werk trotzdem anschauen möchte, findet es unter dem folgenden Link. Es ist aber inhaltlich schwer verdaulich und optisch nah an einem zusammengeklebten Erpresserbrief mit großzügigem(9/n)
Textmarkereinsatz, so dass ich es wirklich niemandem ans Herz legen würde...
Etwas erschüttertes Mäuschen out...
(10/10)
P.S. Nur damit das nicht falsch rüberkommt: 1) Natürlich kann man auch in den Naturwissenschaften Literaturarbeit machen (wahrscheinlich sollten wir das sogar öfter!), aber das nimmt klassisch eben eine von zwei Formen an: Den Review, der bestehende Literatur als Überblick(11/10)
wiedergibt oder theoretische Arbeiten, die der Hypothesen- und Theoriebildung dienen - tatsächlich ist letzteres gerade in der Physik sehr wesentlicher Teil der Wissenschaft, in den Biowissenschaften weniger, auch da hier durch die höhere Komplexität der Systeme rein (12/10)
logisch-mathematische Schlussfolgerungen gerade bei Einzelfragen (z.B. evolutionärer Ursprung eines Virus) viel fehlerbehafteter sind. Bei Ereignissen mit vielen Einzelereignisse, die statistisch über die Menge gemittelt individuelle Abweichungen ausgleichen (wie (13/10)
bei der Modellierung einer Pandemie) ist das wieder ein bisschen was anderes... Es ist halt nicht trivial... 2) Ein Laborursprung lässt sich nicht mit Sicherheit ausschließen - und wird sich nie mit absoluter Sicherheit ausschließen lassen. Und schlechte Arbeiten zu (14/10)
der Vermutung eines Laborursprungs machen diesen natürlich auch nicht unglaubwürdiger, als er ohne diese Arbeit gewesen wäre.
ABER: Wahrscheinlicher als der Laborursprung bleiben andere Erklärungen. Was den Laborursprung intuitiv und emotional attraktiv macht, ist halt, (15/10)
dass dann jemand Schuld ist. Und Schuld zuweisen ist ein sehr tief sitzendes menschliches Bedürfnis. Gerade deshalb gilt es aber, bei Erklärungen, die so schön niedere Instinkte befriedigen, skeptisch zu sein, um die eigene instinktive Voreingenommenheit auszugleichen... (16/16)
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Lieber @SHomburg, das Grundschulverständnis von Evolution als "Kampf ums Dasein" zwischen Arten (die Artdefinitionsdebatte führe ich hier heute aber nicht) hilft beim Verstehen der Vorgänge während einer Pandemie nicht wirklich weiter.
Ja, es gibt zuweilen Konkurrenz (1/n)
zwischen verschiedenen Viren, z.B. wenn eine Virus die Wirte tötet, bevor ein anderes sie befallen kann oder wenn zwei Viren so ähnlich sind, dass eine Infektion mit einem auch eine (teilweise) Immunität gegen das andere ermöglicht.
Und es gibt Hinweise, dass manchmal eine (2/n)
Infektion andere verhindert, indem z.B. die allgemeine Immunantwort so angeregt wird, dass das auch gegen andere Erkrankungen hilft (für ein gruselig-geniales nicht-virales Beispiel siehe Pyrotherapie ) (3/n)
Warum hoffen wir eigentlich darauf, dass eine T-Zell-Immunität nach Impfung oder Infektion auch dann vor mutierten SARS-CoV-2-Varianten schützen könnte, obwohl die Antikörper nur noch schwach binden?
Im Prinzip ganz einfach: Antikörper binden an virale Proteine (1/n)
so, wie sie am Virus vorliegen - es sind also nur bestimmte Bereiche des Proteins gut zugänglich und wenn diese mutieren, ist es relativ leicht, einer Antikörperbindung zu entgehen.
Da verschiedene Antikörper gegen ein virales Protein gebildet werden können und Bindung auch (2/n)
nicht unbedingt eine "alles-oder-nichts" Frage sein muss, kann die Antikörperbindung je nach Mutation mehr oder weniger stark beeinträchtigt werden.
T-Zellen greifen aber nicht direkt das freie Virus an, sondern virusinfizierte Zellen. Und diese werden daran erkannt, dass (3/n)
Diese "Studie" aus Schweden, die zeigen soll, dass Kinder sicher sind, wird gerade gerne geteilt. Sollen wir kurz reinschauen?
Okay...
Erstmal: Das ist veröffentlicht als "correspondence", also keine so richtig echte wissenschaftliche Veröffentlichung mit allem, was (1/n)
zu verlässlicher Wissenschaft dazu gehört - eher eine Art informierter Leserbrief.
Was schauen sich die Laute an?
"Severe cases" (Intensivstationsbehandlungen) bei SchülerInnen und bei Lehrpersonal und die sind für die Kinder relativ selten und für die Lehrer (2/n)
im Vergleich zu anderen berufen nicht erhöht.
Was die Studie gar nicht anschaut, sind nicht-ICU-Fälle, Spätfolgen etc. (Tod zu Hause würde hier übrigens rausfallen!), Massnahmen in den Schulen und auf die durch Schulinfektionen sonst in der Bevölkerung hervorgerufenen Fälle (3/n)
Exponentielles Wachstum kann wirklich doof sein (Und wer immer noch nicht kapiert hat, dass wir bei z.B. Corona von Abschnitten näherungsweisen exponentiellen Wachstums reden, darf gerne weg bleiben...):
Bei positivem exponentiellen Wachstum haben wir da ja schon (1/8)
viel drüber geredet, aber zur Wiederholung hier nochmal kurz eine beispielhafte Kurve. Man sieht schön, dass die erst eher harmlos aussieht, es dann aber bei gleich bleibender Wachstumsrate irgendwann so schnell nach oben geht, dass die Zeit zwischen "Ups" und (2/8)
"Katastrophe" sehr kurz wird. Das its das allseits bekannte Problem bei R>1.
Bei R<1 bekommen wir eine Kurve mit negativem exponentiellen Wachstum und auch die hat ihre Tücken:
Denn erstmal sieht da alles prima aus und die Zahlen nehmen richtig schön schnell ab. Aber dann (3/8)
Ja, die #Bildung der Kinder macht mir Sorgen.
Aber ich habe die erste G8-Generation bei uns an der Uni erlebt. Und wisst ihr, was uns da aufgefallen ist?
Die waren nervös und eingeschüchtert, weil ihnen jahrelang von Presse und Gesellschaft erklärt wurde, dass sie es (1/8)
so super schwer haben würden.
Das war der Jahrgang, wo sie beim Dozentenkennenlernen auffällig oft gefragt haben, wie man später an Promotionsstellen und Jobs kommt.
Die waren oft geradezu panisch, wenn Klausuren anstanden oder wenn sie mal durch eine durchgefallen waren. (2/8)
Was sie nicht waren: Schlecht, dumm und unfähig.
Aber gestresst waren sie, von den Ansprüchen, die eine Debatte um ihre zukünftige Arbeitsmarktfähigkeit ihnen von klein auf aufgedrängt hat.
Und ja, auch die Coronazeit ist eine riesige Belastung für Schulkinder. Und darüber (3/8)
Okay, soll ich nochmal für alle erklären, warum wir in Mikrobiologie, Epidemiologie etc. von "#exponentiell|em Wachstum" reden?
Stefan, hörst Du zu? Prima, ich versuch, es einfach zu halten, okay?
Gut, also, nehmen wir mal an, wir haben ein Geschehen in der Natur, das wir (1/20)
gerne mathematisch beschreiben möchten. Grundsätzlich gibt es dann mehrere Möglichkeiten:
a) Das vielleicht simpelste, ist dass wir an die Messwerte eine Kurve anlegen und die soweit modifizieren, dass sie möglichst gut passt. Genau, Stefan, da könnten wir zum Beispiel die (2/20)
Gompertz-Funktion verwenden. Wir können dann die Parameter so anpassen, dass die Kurve möglichst gut passt (z.B. Methode der kleinsten Quadrate) und fertig. Damit wir das machen können, müssen wir halt von vornherein annehmen, dass unser Geschehen dem Modell entspricht, das(3/20)