Eine Frage an #ZeroCovid Gegner: In 4 Wochen wird die Inzidenz deutschlandweit über 200 liegen, in 8 Wochen über 500/100.000, also mehr als 60.000 Neuinfektionen pro Tag. Was genau ist euer Vorschlag?
Ich kann verstehen, wenn jemand sagt, so what, das wird ja passieren, ob wir lockern oder nicht. Der Lockdown funktioniert nicht. Warum können wir nicht wenigstens etwas mehr Normalität haben, Einkaufen und Essen gehen etwa. In anderen Ländern geht das schließlich auch.
Und in der Tat finden sich alle möglichen Länder, etwa Schweden und weite Teile der USA, wo trotz hoher Inzidenzen Läden und Restaurants geöffnet sind. Das bleibt allerdings nicht ohne Folgen, auch wenn es in Schweden gelungen ist, die Zahlen mit weniger Maßnahmen zu senken.
Man sieht aber, dass Deutschlands "Lockdown light" eine Wirkung hatte. Schweden hatte deutlich mehr Fälle und hat aktuell 3 1/2 mal so viel neue Fälle. Hätten wir die Infektionen wie Schweden gehabt, wären bei uns 50.000 Menschen mehr gestorben.
In Schweden war allerdings die Inzidenz der gemeldeten Corona-Toten in der 2. Welle vergleichbar mit der in Deutschland; eine Erklärung dafür habe ich nicht. Unter dem Strich aber sind in Schweden pro Bevölkerung bisher nicht nur viel mehr Menschen gestorben als in Deutschland..
...sondern vor allem im Vergleich zu allen Nachbarländern. Rund zehn mal so viele Tote wie in Finnland und Norwegen. Man muss allerdings konstatieren, dass es viele Länder gibt, die trotz viel schärferer Maßnahmen schlechter gefahren zu sein scheinen als Schweden.
Was heißt das jetzt für Lockdowns, wenn es Länder gibt, die trotz "Lockdowns" schlechter abgeschnitten haben als Schweden? Und warum sind Finnland und Norwegen so gut klargekommen? All das herauszufinden wäre ein Full-Time-Job, aber es gibt Anhaltspunkte.
Als erstes muss man sich klar machen, dass man praktisch Alles richtig machen muss, und zwar die ganze Zeit, um in der Tabelle unten zu bleiben. Nur einmal ein, zwei Monate zu spät reagiert, und schon ist man im Mittelfeld oder an der Spitze, siehe Tschechien.
Die Lehre ist, dass dauerhafte Wachsamkeit der eigentliche Schlüssel ist, verbunden mit einer schnellen und konsequenten Reaktion, sobald die Zahlen bedrohlich ansteigen. Was aber, wenn man, so wie wir und viele andere Länder eine Weile nicht aufgepasst hat?
Auf jeden Fall zahlt man dafür einen Preis, und der kann hoch sein. Die Misere, in der wir gerade stecken, kommt, weil wir nicht aufgepasst haben und weder schnell noch konsequent reagiert haben.
Wir zahlen jetzt den Preis für Fehler in der Vergangenheit, und wenn wir es jetzt nicht schaffen, den zu begleichen, dann wird alles noch viel teurer.
Aber wir können einfach nicht mehr, der Preis ist zu hoch, wir müssen öffnen und leben und arbeiten und zur Schule gegen und feiern. Wir gehen sonst zu Grunde. Das Risiko, sich zu infizieren, erscheint weniger bedrohlich als die konkreten Auswirkungen der Einschränkungen.
Und diese Einschätzung kann man nicht wegdiskutieren, denn sie hat reale Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag, und wenn man erst mal zu der Einschätzung gekommen ist, findet man auch genug Gründe, sie für sich zu untermauern.
Fakt ist doch: Der Schaden ist da und verbreitet sich, und wir sind von einer kollektiven Schwäche befallen und fühlen uns nicht im Stande, mehr gegen die Ausbreitung des Virus zu tun.
Die 2. Welle war unser Stalingrad, und ab jetzt ist das Virus unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Bald wird es sich schneller ausbreiten als die Impfung, so wie in Tschechien, und am Ende wird das Virus alle erwischen, mit Ausnahme derer, die rechtzeitig eine Impfung abbekommen.
In Tschechien liefert sich das Virus gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Impfung. Täglich werden 14.500 Dosen verabreicht/7.300 Leute geimpft, während sich 11.500 infizieren. Das Virus hat zudem schon 1.2 Mio. bzw 11,5% aller Tschechen infiziert, aber es wurden ...
... nur 653.000 Dosen verimpft, also weniger als 330.000 Personen (3%) immunisiert. 0,19% der Bevölkerung sind in Tschechien bereits an Corona verstorben, und kriegt Tschechien das nicht in den Griff, wird sich über die Hälfte aller Tschechen vor der Impfung infizieren.
Wie viele Tote das am Ende wären, ist nicht so leicht vorhersagbar und hängt davon ab, wie schnell die Alten geimpft werden können, aber es könnten noch mal 0,2 bis 0,4% der Bevölkerung sein. Die Tschechen riegeln jetzt mit Militär Landkreise ab.
Bei uns ist die Lage noch deutlich besser; bei der derzeitigen Ausbreitungsgeschwindkeit bräuchte es 3-4 Monate, bevor wir da sind, wo Tschechien jetzt steht, aber mit Lockerungen und Mutationen können wir auch in 6-8 Wochen da hin kommen.
Die Folge wären wohl 50.000-200.000 mehr Tote bis zum Impfangebot für Alle, und je niedriger die Zahl, umso höher der Anteil Jüngerer. Und die Krankenhäuser würden damit sehr schlecht klarkommen. Wir reden von 600.000 Infektionen pro Woche, 10% davon hospitalisiert.
Theoretisch könnten das die Krankenhäuser noch bewältigen, aber wären dann so in der Größenordnung 50% mit Corona-Patienten belegt, und in vielen Gegenden würde es wohl zum Zusammenbruch der normalen Gesundheitsversorgung kommen.
Ich denke nicht, dass wir es so weit kommen lassen werden, aber das ist das Szenario, das die Tschechen gerade fahren, und wir können das auch, wenn wir wollen, ganz egal, was die Politik beschließt.
Die ist aber weiter auf dem Streit- oder Kompromisspfad, je nachdem, wie man das sehen möchte. Am Ende wird wohl weiter eine Art Mittelweg dabei rauskommen, Friseure, Gartencenter, Schulen, Kitas. Bis es zu schlimm wird.
Ja, dieses unbarmherzige Diktat der Zahlen. Wir sollten uns davon losmachen, höre ich. Was bedeuten schon Zahlen. Und auf den Intensivstationen ist wieder Platz, den können wir doch nutzen. Und wir sind auch in der 2. Welle nicht an die Grenzen gestoßen, da geht doch noch mehr.
Ich fürchte, diese Haltung wird um sich greifen, und am Ende werden wir alle darüber klagen, wie unfähig und gelähmt wir im Angesicht angesichts der 3. Welle waren, weil wir uns an der 2. Welle so abgekämpft haben. Ernsthaft? Ich fürchte, ja.
Hätte ich gewußt, wie viel Aufregung und Fragen dieser Thread bei Leuten aufwerfen würde, die meine Tweets hier nicht kennen, hätte ich auf das hier hingewiesen: pavelmayer.de/covid/risks . Ich habe da Spalten für Inzidenz in 4 und 8 Wochen, basierend auf aktueller Wachstumsrate.
Und ja, natürlich bleibt die Wachstumsrate nicht konstant, aber ich muss nur vorhersagen, ob sie in den nächsten 4 Wochen steigen oder fallen wird. Für Deutschland sagt die Tabelle bei R=1,13 eine Inzidenz von 189/100.000 voraus, und ich glaube, dass in den nächsten 4 Wochen...
...die Wachstumsrate eher steigen als sinken wird, und zwar, weil der Anteil ansteckenderer Mutanten zunimmt und Kontakte zunehmen. Faktoren wie Wetter und Impfung werden das nicht ausgleichen. Daher werden wir einen Lockdown benötigen, bevor wir die 500 Erreichen.
Meine eigentliche Prognose ist also: Wir werden in 4 Wochen die 200 überschreiten und vor Erreichen der 500, also spätestens im April, harte Verschärfungen bekommen - vielleicht sogar einen richtigen Lockdown.
Sollte es anders kommen und die Zahlen ohne neue Maßnahmen zurückgehen, werde ich einen Begeisterungstanz aufführen und bei Allen Abbitte leisten müssen, die ich dann völlig unnötig beunruhigt hätte.
Und nein, ich habe keine besondere Kristallkugel, aber eine Kristallkugel bräuchte ich eher, um so etwas Unwahrscheinliches wie sinkende Zahlen vorherzusagen und nicht das, was nach wissenschaftlichem Konsens das wahrscheinlichste Szenario ist.
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Nach dem zunehmenden Widerstand gegen #Nocovid wollte ich einfach nur den Ball ins Lager der Neinsager spielen und hören, was denn deren Vorstellungen sind, wie es jetzt weitergehen soll. Hatte nicht erwartet, wie emotional die Debatte werden würde.
Die vernünftigen Antworten liefen alle auf mehr und gezieltes Testen und mehr Masken hinaus, was auf jeden Fall helfen kann - ich fürchte, nur nicht genug.
Ein ungewöhnlich hoher Teil der Antworten enthielt persönliche Angriffe oder irgendwelche Herabsetzungen, oft verbunden mit dem Hinweis, dass es von allein weggeht, wenn der Sommer kommt. Und die Alten sind ja fast durchgeimpft, da können wir der Infektion freien Lauf lassen.
Berlins Regierender Müller kapituliert vor der Pandemie und spricht sich gegen "No Covid" aus. Er spricht von einem "zweiten Weg" und möchte den Berlinern nicht zu viel zumuten, um die nächste Sterbewelle zu verhindern. bz-berlin.de/berlin/mueller…
Covid hat in Berlin bis Anfang November offiziell 261 Berlinern das Leben gekostet. Seitdem hat sich die Zahl verzehnfacht und steht jetzt bei 2814 Toten. Davon waren 860 unter 60-79 Jahre alt, 96 waren 35-59 Jahre alt, und 2 waren noch jünger.
Infektionen hatten wir in Berlin bis Anfang Oktober rund 15.000, jetzt, jetzt sind wir bei 128.000. Was glaubt Müller, wird die Bilanz der nächsten Welle sein?
Kleines Corona-Zahlen-Update 26.2.2021: 7-Tage-Schnitt bei neuen Fällen (blaue Treppe) +27% ggü. der Vorwoche, Inzidenz wieder bei 80/100.000. Die neue Welle startet furioser als erwartet.
7-Tage R-Wert (dunkelgrüne Treppe) auf 1,15 gestiegen. Damit kämen wir in 4 Wochen auf Inzidenz 200, aber der R-Wert dürfte allein durch die Verbreitung ansteckenderer Mutationen in den nächsten 2 Wochen auf 1,3 ansteigen.
7-Tage-Schnitt bei Corona-Toten (schwarze Treppe) sinkt weiter und wird das in den nächsten 2-3 Wochen wohl noch weiter tun. Danach aber werden wir sehr wahrscheinlich einen Anstieg sehen, begleitet von einem zunehmenden Anteil jüngerer Todesopfer.
Nach dieser schottischen Studie bewahrte Impfung mit dem AstraZenaca-Impfstoff 94% vor Hospitalisierung, BioNTech/Pfizer "nur" 85%. Die Studie basiert auf 1,14 Mio. Patienten, die zwischen 8. Dez. 2020 bis 15 Feb. 2021 geimpft wurden. papers.ssrn.com/sol3/papers.cf…
Sie macht insgesamt einen vertrauenerweckenden Eindruck. Sie sagt nichts über Tote, Intensivfälle, Verhinderung von Ansteckung oder ambulante Behandlungen aus, sondern betrachtet nur die stationären Aufnahmen Geimpfter im Vergleich zu Ungeimpften.
Dabei zeigt sich, dass AstraZeneca nach der ersten Dosis schneller und mehr Hospitalisierungen verhindert als PfizerBioNTech.
Mir wurde zugetragen, dass es in Berlin praktisch keine Möglichkeit gibt, sich aufgrund einer medizinischen Indikation gegen Corona mit Priorität impfen zu lassen.
Die naheliegende Variante wäre, sich an seinen Arzt zu wenden und mit einem Attest irgendwo vorstellig zu werden. Problem ist, es gibt keine solche Stelle. Die Impfhotline in Berlin hilft nur weiter, wenn man bereits eine Einladung zur Impfung hat, ...
....verweist ansonsten an den Gesundheitssenat. Der verweist wiederum auf die Impfhotline. Die Krankenkassen wiederum verweisen auf die Ämter, und Ärzte auf die Impfhotline. Die Impfzentren reden nur mit Leuten mit Einladung. Niemand kann oder will helfen.
Das ist ja schön, dass der Senat keine "weiteren" Lockerungen sieht. Mit Verschärfungen möchte man aber offensichtlich warten, bis die Zahlen wieder ordentlich steigen und wieder mehr Leute sterben. Das ist halt 3. Welle mit Ansage. bz-berlin.de/berlin/senat-s…
Aber wer weiß, vielleicht gehen ja die Zahlen wieder runter, einfach so, ist ja letzten Sommer passiert, Mitte Juni, dass die Inzidenz in 2 Wochen von 6 auf 15 stieg und in 10 Tagen wieder auf 6 fiel, ohne, dass man etwas tun musste. Nicht, dass das wahrscheinlich wäre, aber ...
... man kann es auch nicht hundertprozentig ausschließen, und Gott bewahre, dass wir bei Inzidenz 62 und nur 5% Zunahme in der letzten Woche unnötige Maßnahmen treffen, die die Zahlen unnötig weiter nach unten bringen. Und wir haben ja wieder Platz auf den Intensivstationen.