Ich habe übrigens während meiner Promotion und danach fünf Jahre lang vor allem rekombinante Proteine in und aus verschiedenen Organismen hergestellt. Wir haben damit auch Kaninchen immunisieren lassen, um Antikörper zu gewinnen.
Ich weiss daher, dass das geht, aber auch, (1/n)
dass weder die Herstellung von rekombinantem Protein - vor allem in gleichbleibender Reinheit und Menge - noch das Hervorrufen einer vorhersagbaren Immunreaktion trivial ist.
Nur so ein paar Probleme, die dabei auftreten können: 1) Je nach Kultur, in der man das Protein (2/n)
herstellt, kann man alles mögliche mit-aufreinigen, wenn man nicht aufpasst. Insbesondere sind manche zellulären Proteine "sticky" wie wir im Labor sagen, bleiben also bei Aufreinigungsschritten gerne mit hängen. Dazu gehören um Beispiel Chaperone, Proteine, die an (3/n)
falsch gefaltete Proteine binden - und wenn man viel zusätzliches Protein herstellt, ist leicht auch ein Teil davon falsch gefaltet. Reinigt man aber auch Unerwünschtes mit aus, dann kann das in weiteren Schritten stören, bei einer Immunisierung würde man im schlimmsten Fall(4/n)
also Antikörper gegen das falsche Ziel erzeugen 2) Die dreidimensionale Form eines Proteins - und damit die Antikörperbindung - hängt von der korrekten Faltung ab, also ist wieder gleichbleibende Qualität essentiell (5/n)
3) Auch die Immunisierung ist nicht trivial, da nicht jedes Protein und jeder Teil eines Proteins gleich immunogen ist. Manchmal kann daher ein Teil eines Proteins eine bessere Antikörperreaktion hervorrufen als das ganze. Das kann man nur teilweise vorhersagen, braucht also(6/n)
oft eine Menge Vorversuche um Verträglichkeit und verlässliche Immunreaktion abschätzen zu können 4) Für eine optimale Immunreaktion hervorzurufen braucht man bei der Injektion von reinem Protein meist Adjuvantien, also Stoffe, die eine Immunreaktion fördern. Das ist kein (7/n)
Hexenwerk, macht die Sache aber doch eben auch wieder komplexer, was Wirksamkeit und Sicherheit angeht 5) Last but not least, ist es noch relativ "einfach" brauchbare Antikörper aus einem Kaninchen zu gewinnen, die dann an das ursprüngliche Protein binden. Dass damit aber (7/n)
auch tatsächlich eine Immunität gegen einen Krankheitserreger mit diesem Protein vorliegt, wäre alles andere als klar, da hier viele weitere Faktoren eine Rolle spielen können - wie die Frage, wie genau die Antikörper binden, was die T-Zellen machen, wie lang die Immunant- (8/n)
wort anhält und so weiter.
Jetzt geistert in den letzten Tagen immer wieder ein gewisser Professor WS durch die Medien, der rekombinantes SARS-CoV-2 Spike-Protein hergestellt und das sich selbst, Familienmitgliedern und Mitarbeitern injiziert hat. Er konnte dann auch Anti- (9/n)
körperbildung nachweisen. Als er das alles dem Paul-Ehrlich-Institut berichtet, freuen die sich nicht, sondern zeigen ihn an.
Zurecht?
Naja, rein rechtlich kann ich das nur sehr rudimentär bewerten. Er selbst argumentiert, dass er nur als Arzt individuelle Heilversuche (10/n)
durchgeführt habe - sowas erlaubt das deutsche Recht grundsätzlich. Aber ob das hier greift oder doch eher eine ungenehmigte Versuchsreihe vorliegt, ist bei der Zahl der Personen fraglich und ob eine vorbeugende Impfung als "Heilversuch" angesehen werden kann, müssen (11/n)
Medizinphilosophen und Juristen bewerten.
Wissenschaftlich sind die Versuche eigentlich gar nicht bewertbar, da kaum sicher nachvollziehbar ist, was genau WS getan hat und eine echte Prüfung der Verträglichkeit und Wirksamkeit gar nicht vorliegt. Natürlich brauchen solche (12/n)
Studien viel Zeit und Geld, wenn man sie ordentlich macht und daher auch meist einen finanzkräftigen Kooperationspartner.
Und all das wollte WS umgehen. Sein Verfahren bleibt damit zwar grundsätzlich plausibel, aber eben praktisch komplett ungetestet. (13/n)
Aber natürlich ist die Story "Professor kocht sich schnell mal eigenen Impfstoff" gut und als Laie - aber auch als Mensch vom Fach - fragt man sich erstmal vielleicht "Warum nicht?". Und dann sollte man ganz schnell noch viel mehr Bauchweh bekommen, als bei jedem (14/n)
beschleunigten Zulassungsverfahren irgend eines der bekannteren Impfstoffe.
Trotzdem feiern gerade Menschen mit gewissen Tendenzen zum "querdenken" und verteidigen gerade WS - genau, die die gar nicht an eine echte Pandemie glauben und die anderen Impfstoffe für zu wenig (15/n)
getestet halten. Und warum?
Na, offenbar nicht, weil sie wirklich fachlich WS's Verfahren als verlässlicher oder sicherer einschätzen, sondern eher, weil er halt ein Außenseiter ist, ein "Selbermacher", jemand, der sich gegen "die da oben" stellt. Und leider beeindruckt das(16/n)
offenbar viele auch dann, wenn es eigentlich gegen alles andere läuft, was sie seit Monaten so propagieren. Oh, und natürlich ist die Story leider auch für manche eigentlich seriöse Medien einfach zu gut, um sie kritisch zu zerpflücken...
Also bleibt skeptisch, lasst Euch (17/n)
Impfen, aber bitte mit seriös entwickelten und getesteten Impfstoffen, nicht mit der Hausmischung eines Professors!
Mäuschen out.
P.S. Ich mache/versuche gerade Twitter light und habe die meisten Benachrichtigungen ausgeschaltet, wundert Euch also bitte nicht, wenn ich auf (18/n)
Antworten nicht oder nur sehr verzögert reagiere. Passt ihr auch auf Euch auf und lasst Euch nicht stressen! (19/19)
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Da ja ganz gerne mal @ob_palmer in talkshows über den Erfolg der Coronamaßnahmen in Tübingen spricht und von einigen als das glänzende Beispiel für gelungenen Risikogruppenschutz gefeiert wird - womit dann oft auch die Forderung nach Lockerungen verbunden ist, schauen (1/n)
wir halt mal auf die Zahlen, okay?
Die Stadt Tübingen hat Stand heute 2.257 bestätigte Coronafälle (tinyurl.com/53h8nwft) bei 90.935 Einwohnern (Haupt- und Nebenwohnsitz: tuebingen.de/1370.html) Damit kommen wir für die Stadt Tübingen auf 2482,0 Fälle je 100.000 EW (2/n)
Für die Todesfälle habe ich leider nur Daten zum landkreis Tübingen gefunden, da gab es 159 Todesfälle, was 69,9 Todesfällen je 100.000 EW entspricht (alle weiteren Daten von hier: tinyurl.com/yj7buen4)
Ich kürze das ab jetzt ab als 2482,0/69,9
Vergleichen wir das mit (3/n)
Nur mal so: Den folgenden Menschen wünsche ich #Covid-19 mit schwerem Verlauf als Strafe für ihre Verharmlosungen der Pandemie:
*
Das war's. Mehr gehört nicht auf die Liste, egal wie daneben sich jemand sich benommen hat!
Leute, das ist eine Textplattform, also ist "*" in dem Kontext ein leerer Aufzählungspunkt, kein Platzhalter für "alle", kein Gendersternchen, kein Symbol für Geburt, astronomische Objekte oder das ASCII-Bild eines Katzen-Afters, okay?
P.P.S. Wer sich fragt, ob der Grundaussage Gutmenschentum oder der Wunsch unverantwortlichen Menschen kein infektiöses Material zu überlassen zugrunde liegt:
Beides!
Heute, an diesem 25. Februar erleben wir - auch wenn dem Erleben in diesem speziellen Fall an der von vielen mit diesem Wort verbundenen emotionalen Erregung mangeln mag - wie in jedem Jahr seit zu allermindest dem 25. Februar 2009, als der Cartoonist Bastian Melnyk in (1/10)
seinem, online veröffentlichtem und in schwarz weißen Zeichnungen präsentierten, Comic "Vogelscheuche" diesen zum wohl ersten Mal erwähnt hat mit dem Tag der #Schachtelsätze einen dieser, in Ihrer Fülle ebenso unüberschaubaren wie in ihrer praktischen Bedeutung so wenig (2/10)
wie eigentlich alle Beweisfotos für die Existenz des Monsters von Loch Ness glaubhaften, Gedenktage, die einen von vielen liebgewonnenen und von anderen unverstandenen Teil der modernen Kultur der Internetmeme, welche schon in ihrer Begrifflichkeit in ihrer zu einer Humor- (3/10)
Wer über "asymptomatisch" redet, sollte klar machen, was er meint, da nur dann abschätzbar ist, ob das nur echt asymptomatische oder auch präsymptomatische und/oder welchen Anteil uneindeutig/übersehen symptomatischer das umfasst.
Dabei helfen folgende Fragen: (1/7)
* Bezieht es sich auf definierte Symptome bzw. sogar nur auf diagnostisch eindeutige Symptomatik?
* Sind Symptome selbst berichtet oder professionell diagnostiziert?
* Bezieht es sich auf den Zeitpunkt der Diagnose oder gab es Monitoring des gesamten Krankheitsverlaufs? (2/7)
Viele Arbeiten zur Infektiosität beziehen sich auf Symptomatik und z.B. Virenanziehbarkeit beim ersten PCR-Test, unterscheiden also nicht zwischen prä- und asymptomatischen und schauen nur auf einen bestimmten Zeitpunkt. (3/7)
Auch wenn selbst in der Pressestelle der Universität Hamburg Leute das aufgreifen und natürlich manche Medien das mehr oder weniger ungeprüft übernehmen:
Es gibt keine aktuelle Studie, die nachweist, dass SARS-CoV-2 aus einem chinesischen Laborunfall stammt.
Was es gibt, (1/n)
ist ein 105-seitiges pdf, das Roland Wiesendanger, ein Physiker mit viel Erfahrung in der Rastertunnelmikroskopie verfasst hat (offenbar im Alleingang) und in dem er aus verschiedenen wissenschaftlichen Artikeln, Pressebereichten und persönlichen (2/n)
Mitteilungen (also oft genug "Hörensagen") folgert, dass andere Erklärungen ihn nicht überzeugen, er die virologischen Arbeiten in Wuhan für gefährlich hält und somit einen Laborunfall für eine wahrscheinliche Erklärung des Pandemieursprungs hält. (3/n)
Lieber @SHomburg, das Grundschulverständnis von Evolution als "Kampf ums Dasein" zwischen Arten (die Artdefinitionsdebatte führe ich hier heute aber nicht) hilft beim Verstehen der Vorgänge während einer Pandemie nicht wirklich weiter.
Ja, es gibt zuweilen Konkurrenz (1/n)
zwischen verschiedenen Viren, z.B. wenn eine Virus die Wirte tötet, bevor ein anderes sie befallen kann oder wenn zwei Viren so ähnlich sind, dass eine Infektion mit einem auch eine (teilweise) Immunität gegen das andere ermöglicht.
Und es gibt Hinweise, dass manchmal eine (2/n)
Infektion andere verhindert, indem z.B. die allgemeine Immunantwort so angeregt wird, dass das auch gegen andere Erkrankungen hilft (für ein gruselig-geniales nicht-virales Beispiel siehe Pyrotherapie ) (3/n)