“Denn in ihrer Welt sind Fakten bloss Rohmaterial, welches man beliebig interpretieren und verzerren kann, um die eigenen Interessen voranzutreiben.” hatte ich hier geschrieben: 1/12
Erich Hess hat heute Abend ein schönes Exemplar dieses Ansatzes geliefert, welches ich hier beispielhaft genauer anschauen möchte. Hess nannte in einer Frage zwei Fakten und zog daraus zwei Schlüsse. Die Fakten waren fast richtig, die Schlüsse völlig falsch. 2/12
Fakt 1: Bisher wurden 500’000 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet in der Schweiz.
Das stimmt. Es waren sogar noch mehr. 3/12
Fakt 2: Die Dunkelziffer liegt fünf- bis zehnmal höher.
Dem war zeitweise vermutlich so, in der ersten Welle. Aber unterdessen schon lange nicht mehr. Halb richtig. 4/12
Schluss 1: 50% der Bevölkerung sind bereits immun.
Völlig falsch. Mehrere Studien haben gemessen, wie viele Menschen Antikörper haben. Schweizweit sind das etwa 20%, in einigen Kantonen weniger, in anderen mehr. Berset erklärte das in seiner Antwort. 5/12
Hess weiss das also entweder nicht, dann hat er seine Hausaufgaben nicht gemacht. Oder er versucht bewusst, Resultate herbeizurechnen, von denen er weiss, dass sie falsch sind. 6/12
Schluss 2: Wir können nun unbesorgt alles öffnen, weil 50% bereits immun sind und Risikogruppen geimpft.
Auch völlig falsch. Selbst wenn 50% immun *wären* (was sie erwiesenermassen nicht sind), wäre es nicht sicher, alles zu öffnen. 7/12
Artikel 1 zum Thema: Herdenimmunität ist mit 50% Immunen leider noch lange nicht erreicht. 8/12
Artikel 2 zum Thema: Selbst wenn ein Grossteil der Senioren geimpft ist, würden bei weitgehenden Öffnungen Spitäler trotzdem noch überlastet. Und Tausende jüngere Menschen würden vermutlich sterben. 9/12
Was erwarten die, welche diese Zusammenhänge verstehen, und trotzdem sofortige Öffnungen fordern? Hoffen sie auf ein Wunder? Oder gehen sie davon aus, dass ihre Forderungen am Schluss abgelehnt werden und sie nachher behaupten können, Öffnungen wären möglich gewesen? 10/12
Und was ist mit denen, die diese Zusammenhänge nicht verstehen? Oder sich gar nie Gedanken zu den Konsequenzen ihrer Forderungen gemacht haben? Können sie es verantworten, Gesundheit und Leben ihrer Wähler aufs Spiel zu setzen? Wofür? 11/12
Für die Wirtschaft? Die wird auch noch mehr leiden, wenn Fallzahlen nun wieder ansteigen und wir in ein paar Wochen einen noch längeren Lockdown beginnen müssen.
Es dauert lange, Fallzahlen zu senken, aber sie können rasant wieder ansteigen. 12/12
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Heute war richtig viel los nach der Veröffentlichung des Watson-Interviews. Ein herzliches Willkommen an die neuen Follower!
Und ein paar Reaktionen auf Kommentare, die ich auf diversen Plattformen gesehen habe. 1/18
Erst mal vielen Dank für die zahlreichen netten Worte, die Ermunterung und Unterstützung. Das schätze ich sehr.
Auch Kritik lese ich gerne, besonders, wenn sie konstruktiv ist. Auf ein paar wiederkehrende Themen möchte ich hier eingehen. 2/18
Kritik: “Wir können das Virus nicht ausrotten!”
Stimmt, vermutlich schwierig. Das müssen wir aber auch nicht. Es reicht, Fallzahlen tief zu halten, bis genügend viele geimpft sind. Sind Fallzahlen erst mal tief, kann das mit vergleichsweise milden Massnahmen gelingen. 3/18
Keine Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und der "Bekämpfung übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten" zu ergreifen, ist definitiv verfassungswidrig. Zu Präsenzunterricht oder Fernunterricht sagt die Verfassung soweit ich weiss nichts. 1/15
Aufgaben per Email und Videokonferenzen mit der Lehrerin waren 1848 vermutlich noch kein grosses Thema. Nur so eine Vermutung, bin kein Historiker. 2/15
Der NZZ scheint jedes Argument recht, damit die Arbeiter in den Fabriken stehen und der Rubel rollt. Die Gesundheit scheint dabei zweitrangig. Ausser, sie kann eingespannt werden im Sinne der Wirtschaft. 3/15
COVID-19 in der Schweiz: Die Entwicklung der Fallzahlen folgt weiterhin den Szenarien der Taskforce von Ende Dezember.
Eine andere Art der Betrachtung: Wir sind aktuell wieder gleich weit wie wir Anfang Oktober schon waren. Vier Monate später. 1/5
Ein richtiger Lockdown im Oktober hätte uns dies erspart. Und der hätte nur wenige Wochen dauern müssen, nicht Monate.
Das erklärte Ziel des BAG ist, wieder dorthin zu kommen, wo wir Ende August waren... Aber nun mit einer neuen, ansteckenderen Variante. 2/5
Wir verlängern Leiden für alle unnötig, weil wir immer zu zögerlich reagieren. Anstatt die Senkung der Fallzahlen einmal richtig zu machen und dann Fallzahlen tief zu halten, während wir alle ein fast vollständig normales Leben geniessen. 3/5
Frau Kübler erkennt, dass ihr Kind nicht nur selbst gefährdet ist, sondern macht sich auch Gedanken, was es für ihren Sohn bedeuten würde, wenn seine Eltern stark erkranken oder gar sterben würden. Vielen scheint dieser Gedankenschritt leider nicht zu gelingen. 2/19
Die Bauernfamilie scheint weder den Ernst der Lage erkannt zu haben noch einzusehen, dass wir mit mehr und härteren Massnahmen schneller wieder zur gewohnten Normalität zurückkehren könnten. 3/19
Im Dezember war noch weniger bekannt über die neuen Varianten.
Die wissenschaftliche Taskforce entwickelte Szenarien, wie sich die Fallzahlen entwickeln könnten abhängig vom (für die alte Variante) erreichten R-Wert und der erhöhten Ansteckungsfähigkeit der neuen Varianten. 1/17
Diese Szenarien sagten sozusagen: “Wenn der R-Wert der alten Variante zwischen 0.8 und 0.9 liegt, erwarten wir eine Entwicklung der täglichen Fallzahlen zwischen diesen beiden Kurven.”
Die Erwartung der Taskforce hat sich bisher sehr gut bestätigt. 2/17
Das Modell der Taskforce scheint also die tatsächlichen Geschehnisse sehr gut abgeschätzt zu haben: die Eindämmung der alten Variante und den schnellen Anstieg der neuen Varianten.
Was, wenn wir auch weiterhin diesen Kurven folgen? 3/17
Dass insbesondere in Deutschland das Ziel #ZeroCovid nun vermischt wird mit Forderungen bezüglich Verstaatlichung von Spitälern, Lohnerhöhungen für Gesundheitspersonal, Verbot von Profiterzielung durch Impfstoffherstellung sowie Einführung neuer Steuern, ist nicht hilfreich. 3/5