Habe jetzt auch so eine Warnung vom Landeskriminalamt erhalten, dass personenbezogene Daten über mich bei Rechtsextremisten gefunden wurden. Unmittelbare Gefahr für mich soll angeblich nicht bestehen, ich soll mich nur mit öffentlichen Äußerungen über Privates zurückhalten.
Vermute, dass das schlicht damit zu tun hat, dass ich mal Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, des Verfassungsschutzausschusses und der G10-Kommission des Landes Berlin war, und in den öffentlichen Ausschusssitzungen waren gelegentlich bekannte Neonazis im Publikum.
Einige Linksextremisten mögen mich nicht, weil ich Unternehmer und Gentrifizierer bin, der es gewagt hat, vor 15 Jahren in Berlin ein wirklich schönes Mehrfamilienhaus zu bauen, als Baugruppe, mit jungen Architekten, in eine Baulücke, wo im Krieg das Haus weggebombt worden war.
Kritik von Links manifestiert sich in Sprühereien von Sprüchen wie "verschwindet aus Berlin, Schwaben" und selten auch Farbbomben. Von Rechts gibt es gelegentlich Hakenkreuze wegen der Stolpersteine vorm Haus. Das Haus hat aber eh 'nen Pauschalvertrag mit einem Graffitientferner.
Mein Vater wurde vor zwanzig Jahren in Tschechien aus vermutlich fremdenfeindlichen Motiven erschossen, weil er nach 35 Jahren Leben in Deutschland beim Mörder als als Deutscher galt. Der Mörder wurde zu 12 Jahren Haft verurteilt und ist seit langem wieder auf freiem Fuß.
All das beunruhigt mich genauso wenig wie jetzt der Brief vom LKA, denn die Wahrscheinlichkeit, gezieltes Anschlagsopfer zu werden, schätze ich als gering ein, dazu bin ich zu unbedeutend. Eher passiert mir was, weil ich mit jemandem unterwegs bin, der wirklich gefährdet ist,...
...aber ich würde nicht eine Sekunde darüber nachdenken, ob ich mich mit jemandem treffe, der aufgrund seiner Funktion oder Person von politischer Gewalt bedroht ist, und da kenne ich Einige. Mit 24/7 Personenschutz. Warum sollte ich dann Gedanken an viel kleinere Gefahr...
... gegen mich verschwenden. Nicht, dass ich nicht sicherheitsbewusst wäre, im Gegenteil, aber ich sehe mich eher den normalen Gefahren ausgesetzt: Autofahrer, Intoxikierte, Diebe, Einbrecher, Räuber und Betrüger, und schütze mich angemessen, nicht mehr, nicht weniger.
Corona finde ich bedrohlicher als all das, denn im Falle eines positiven Tests könnte ich mit grob 5% Wahrscheinlichkeit sterben, ohne den Verlauf selbst beeinflussen zu können. Vor allem aber finde ich die Aussicht, langsam zu ersticken, in besonderem Maße unangenehm.
Grundsätzlich habe ich keine besondere Angst vor dem Tod oder vor Krankheit, und ich bin vermutlich auch ein Impfmuffel. Seit ich in meiner Jugend und beim Bund komplett durchgeimpft wurde, habe ich außer bei speziellen Reisen keinen Anlass gesehen, mich impfen zu lassen.
Angesichts von Corona habe ich diese Haltung überdacht und werde meinen gesamten Impfstatus regelmäßig aktualisieren. Dachte bisher, es wäre normal, im Winter mal "erkältet" zu sein, aber jetzt ist mir klar, man kann sich vor Viren schützen, mit Impfen, Masken, Abstand, Hygiene.
Ich kann mich auch nicht daran erinnern, mich nach einer Impfung jemals unwohl gefühlt zu haben oder überhaupt einen Gedanken daran verschwendet zu haben, aber vielleicht lag das daran, dass ich jung war. Allerdings bin ich als Kind in Prag noch in den Genuß dieser ...
... Pockenschutzimpfung gekommen, die in der Regel eine Narbe an der Einstichstelle hinterließ, und die ist 50 Jahre später noch immer da. Damals war impfen noch richtig krass, mit Lebendimpfstoffen, wo man durch die Impfung ansteckend für andere werden konnte, etwa durch ...
...die damals bei uns verwendeten oralen Polio-Impfstoffe. Wer erinnert sich noch an Schluckimpfung ist süß? Und dennoch war das ein Segen, wobei nur die oralen Polioimpfstoffe für eine sterile Immunität sorgen, nicht aber die inaktivierten Polioimpfstoffe, auf die man sich ...
.. in Deutschland seit 1998 beschränkt. Man stelle sich vor, wir würden gegen SARS-Cov2 ein Lebendvakzin einsetzen, wie wäre da erst die Debatte? Ein Impfstoff, der in den Wildtyp zurückmutieren kann. Oder überhaupt mutieren kann. Insofern haben wir mit den Impfstoffen gegen ..
... SARS-Cov2 gerade fast paradiesische Umstände. Mit den gut erforschten Adenoviren, den mRNA- und eventuellen Proteinimpfstoffen sind nur kleinste Bruchteile des Erbguts oder des SARS2-Virus selbst enthalten, die nicht zu einem Virus werden können.
Entwickelt derzeit eigentlich jemand einen Lebendimpfstoff gegen SARS-Cov2 ? Das müsste doch heutzutage einfacher sein denn je. Früher waren Lebensimpfstoffe einfach wenig infektiöse Mutationen mit harmlosen Verläufen, die man absichtlich weitergegeben hat.
In der Neuzeit hat man dann begonnen, mit zunehmend besser werdenden gentechnischen Manipulationen und besserem Verständnis des Virusgenoms gezielt Gene ausschalten, um dem Virus bestimmte Eigenschaften zu nehmen.
Das Ding mit den Lebendimpfstoffen ist: Sie immunisieren in der Regel besser und länger als Totimpfstoffe, weil das Immunsystem sich ein komplettes Bild des Virus machen und dadurch bessere Antigene designen kann. So ein Lebendimpfstoff simuliert halt am besten "the real thing".
Leider macht das Lebendimpfstoffe mehrfach gefährlicher: Sie können auf Dritte übertragen werden, die dann im besten Fall unfreiwillig mitgeimpft werden, im schlimmsten Fall aber Opfer einer Rückmutation werden und Schäden wie bei der Krankheit davontragen.
Ich hätte es nicht gedacht, aber weil ich nicht spekulieren wollte, habe ich gesucht, und voila: clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04… Es kann also gut sein, dass wir bald einen Lebendimpfstoff gegen Covid haben, und dann wird die Debatte richtig lustig werden.
Ich meine, so einen SARS2-Lebendimpfstoff kann man heutzutage bestimmt auch als Schluckimpfung verabreichen, auf einem Würfel Zucker. Oder vielleicht als "probitioschen" Yoghurt-Drink. Oder, für die Esotheriker, als Guru-empfohlene indische Chakra-Immunmodulations-Milch.
Völlig neue Verschwörungsmöglichkeiten tun sich auf. Ich vermute aber, dass die STIKO Lebendimpfstoffe gegen SARS-COV2 in Deutschland nicht empfehlen a.k.a. praktisch verbieten wird, wegen der Gefahren, und weil die neuen Alternativen spektakulär gut sind.
Nichtsdestotrotz könnten Lebendimpfstoffe, die zudem auch billig sind, in weniger entwickelten Ländern, aber auch bei uns zur schnellen Grundimmunisierung eingesetzt werden. Am Ende will man aber wegkommen von Lebendimpfstoffen, weil durch sie das Virus in der Welt gehalten wird.
Seltsam, wie meine Gedanken derzeit immer wieder auf Corona kommen, aber es ist für mich einfach nicht möglich, vom Thema weg zu kommen oder zu bleiben. Bleibt gesund!

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