10 Jahre nach Fukushima stelle ich fest: Kernenergie ist ein vergiftetes Thema. Man kann darüber nicht mehr vernünftig diskutieren, überall flammt nur noch Hass hoch. Das nehme ich zur Kenntnis, aber es ist schade, denn es gäbe kluge Argumente dafür und dagegen. (Thread)
Dass Kernenergie massive Nachteile hat, wissen wir alle: Ein Reaktorunfall wie der in Chernobyl ist etwas wirklich Übles. Zwar sterben derzeit in Europa alle paar Tage mehr Leute an COVID19 als jemals an Folgen von Reaktorkatastrophen gestorben sind, aber das ist kein Argument.
Etwas Übles wird nämlich nicht dadurch besser, dass man auf etwas noch Schrecklicheres verweist. Dazu kommt der Atommüll - ein Problem auf einer Zeitskala von vielen Jahrtausenden (oder, mit Transmutation, zumindest Jahrhunderten).
Andererseits: Die Klimakatastrophe bedroht uns auf einer Zeitskala von wenigen Jahrzehnten. Sollten wir nicht ausnahmslos jede Maßnahme dagegen ergreifen, die es gibt? Grundsätzlich schon. Inwieweit Kernenergie Teil der Lösung sein kann, ist schwer zu sagen.
Schließlich ist Photovoltaik großartig billig geworden. Ist Kernenergie daher uninteressant, weil zu teuer? Vielleicht. Aber es ist schwierig, das zu beziffern, weil man das Gesamt-Energiesystem betrachten muss, einschließlich Energiespeichern, Fluktuationen, Smart Metern etc.
Außer Streit sollte aber stehen: Kernenergie ist besser als Kohle. Für Kohlekraftwerke gibt es einfach keine Entschuldigung. Sie sind tödlich im Dauerbetrieb - Kernkraftwerke nur bei einem Unfall. Kohle ist sowohl kurz- als auch langfristig schlechter.
Es wäre wichtig, solche Dinge zu diskutieren. Aber ich glaube nicht mehr, dass das möglich ist. Das Thema Kernenergie ist kompliziert, ich habe dazu selbst keine feste Meinung - aber offenbar bin ich da fast der einzige.
Fast alle Leute scheinen mit überschäumenden Emotionen einer Fraktion anzugehören - in Mitteleuropa mehrheitlich der anti-Kernkraft-Fraktion, ein paar fanatische Kernkraft-Fans gibt es auch. Aber die Energiezukunft ist kein Fußballspiel.
Ja, wir kriegen, wenn wir wollen, die CO2-Neutralität auch ohne Kernenergie hin. Aber es ist bitter, wenn bestimmte Themen nicht mehr diskutiert werden können. Die Politik wird zum Zickzack-Kurs, irgendwo zwischen vergifteten Themen hindurch. So kommen wir nur schwer ans Ziel.
Ich würde mir daher wünschen, dass wir alle bei solchen Themen der Gegenseite nicht von vornherein Idiotie, Zerstörungswillen oder sonstige Bösartigkeiten unterstellen.
Bei komplizierten Themen kommt es vor, dass man selbst ein kluger Mensch ist, aber ein anderer kluger Mensch eine ganz andere Meinung hat. Würden wir Diskussionen zumindest mit dieser Grundthese beginnen, könnten wir die Welt ein bisschen besser machen. Einen Versuch wär's wert.
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Ein Thread zu Astra Zeneca: Jetzt ist genau das eingetreten, worüber Epidemiologen seit Monaten reden: Wenn man Millionen Menschen impft, dann werden manche von ihnen ein paar Tage danach sterben. Das ist klar. Das heißt aber nicht, dass die Impfung der Grund dafür ist.
Auch unter den Leuten, die heute in Europa Karotten essen, werden in den nächsten Tagen manche sterben. Oder unter den Leuten, die heute blaue Schuhe tragen. Krankheit oder Todesfall ein paar Tage nach einem Ereignis ist zunächst kein Grund, beides in Verbindung zu bringen.
Was man sich ansehen muss: Gibt es einen statistischen Zusammenhang? Sterben unter den Leuten, die geimpft wurden (oder Karotten essen, oder blaue Schuhe tragen) prozentuell mehr als bei der Gesamtbevölkerung? Und bisher sagen die Zahlen: Nein.
Es ist ärgerlich, wenn bei jeder klimafreundlichen Technologie wieder ein Haar in der Suppe gesucht wird. Ja: Auch Batterieherstellung verursacht Schäden. Und Windräder töten manchmal Vögel. Alles hat Nachteile. Aber das ist bloß Immunisierung gegen Veränderung. (Thread)
Man kann nicht erst dann etwas umsetzen, wenn es perfekt ist. Das hat noch nie funktioniert. Medikamente haben Nebenwirkungen, trotzdem soll man sie nehmen. Technik bringt Gefahren, trotzdem kann sie die Welt verbessern. Perfektion zu verlangen verhindert jede Veränderung.
Das ist natürlich praktisch, wenn man nichts ändern will: "Technologie X benötigt Element Y. Das wird in Land Z auf umweltschädliche Weise abgebaut. Daher ist Technologie X umweltschädlich." Mit dieser assoziativen Kontaktschuld-Strategie kann man immer alles schlechtreden.
Der Physiker Roland Wiesendanger von der @unihh publizierte eine "Studie", die nachweisen soll, dass SARS COV-2 aus einem Labor stammt. Ich habe mir das jetzt ein bisschen angesehen und bin etwas schockiert. Was ging da alles schief? (Thread) zdf.de/nachrichten/po…
Zunächst: Der Autor ist nicht vom Fach, er ist Physiker. Das ist ok, das heißt nicht, dass er nichts zu Coronaviren sagen darf. Ich bin auch Physiker. Unterschied: Ich stelle keine eigenen Theorien zu Coronaviren auf, die dem Befund der Experten widersprechen. Er schon.
Wenn man dem Konsens der Experten widerspricht, ganz besonders, wenn man selbst nicht vom Fach ist, muss man ein ganz besonders großes Gewicht an Argumenten vorlegen. Tut er das? Sehen wir uns seine Studie an. Er behauptet, ein ganzes Jahr lang daran gearbeitet zu haben.
Perseverence landet am Mars! Es wird wunderbar! Mein Lieblingsdetail daran ist ein Gerät, das vorerst noch gar keine Daten über den Mars liefern wird: Der Helikopter Ingenuity. Eigentlich eine völlig verrückte Idee. (Thread)
Das Hauptziel der Mission ist, den High-Tech Mars-Rover Perseverence Messungen durchführen zu lassen. Aber zusätzlich ist eben auch der Mini-Helikopter Ingenuity dabei. Zum ersten mal wird ein motorisierter, kontrollierter Flug auf einem fremden Planeten stattfinden.
Das ist überhaupt keine naheliegende Idee. Eigentlich ist der Mars nämlich völlig ungeeignet dafür: Seine Atmosphäre ist extrem dünn (ca. 1% der Dichte der Erdatmosphäre). Ein Helikopterblatt findet also kaum Luftmoleküle, um sich abzustoßen. Es ist wie Sprinten auf Glatteis.
Gerade WEIL mir internationale Gerechtigkeit sehr am Herzen liegt, ärgere ich mich über die Behauptung, Biontech/Pfizer müssten nur die bösen Patente fallen lassen, und schon könnte man überall auf der Welt Impfstoffe basteln. Nein, so läuft das nicht. (Thread)
Man kann nicht einfach irgendwo im improvisierten Garagenlabor Impfstoffe herstellen, auch wenn man die "Rezeptur" dafür kennt. Das klappt vielleicht mit Crystal Meth, aber nicht mit mRNA-Impfstoffen. Das stellen sich offenbar manche Leute zu einfach vor.
Es geht dabei nicht nur um die mRNA-Sequenz selbst, die Biontech entwickelt hat. mRNA ist höchst instabil, man braucht allerlei Tricks, um sie in passende Lipid-Nanopartikel einzupacken. Dafür braucht man passende Maschinen, erfahrenes Personal und vieles mehr.
Ein Text, der mich sehr ärgert: Ein Philosoph verteidigt Sucharit Bhakdi, attackiert naturwissenschaftlich denkende Menschen als "Sektierer" und spricht von "Rückfall in die Barbarei". Man sollte die Philosophie vor solchen "Philosophen" schützen. (Thread) derstandard.at/story/20001231…
Mit bemerkenswerter Arroganz versucht der Autor, Naturwissenschaftlern die Naturwissenschaft zu erklären, als hätten die noch nie von philosophischen Grundbegriffen gehört. Glaubt er, dass Physiker noch nie Popper gelesen haben? Das macht eine Diskussion schwierig.
Zunächst geht es um bloße Wortklauberei: "Wissenschaftliche Fakten" sei ein falscher Ausdruck, doziert der Autor. Denn es gibt ja keine "unwissenschaftlichen Fakten"! Wirklich? Auf diesem Niveau wollen wir diskutieren? Regt er sich auch auf, wenn jemand "Pariser Eiffelturm" sagt?