Es hört nicht auf! Sucharit Bhakdi wurde unzählige Male widerlegt. Aber das rechte Medium "Wochenblick" interviewt ihn noch immer, als wäre er ein ernsthafter Wissenschaftler. Seine Aussagen sind mittlerweile völlig entkoppelt von der Realität. (Thread)
Süß ist der erste Satz des Artikels: "Sucharit Bhakdi ist einer der Wissenschaftler, die die Corona-Pandemie seit Beginn kritisch sehen."
Ich hoffe doch, wir alle sehen Pandemien ganz generell kritisch. Ich kenne keinen Pandemie-Fan in der Wissenschaft. Aber ok.
Ist das Virus gefährlich? Nein, sagt Bhakdi. "Bereits im März 2020 erschien eine Arbeit, die klarlegte, dass das Virus nicht gefährlich ist."
Himmel! Das Haus brennt, aber er verweist auf eine ein Jahr alte Studie, die ihm Unbrennbarkeit bescheinigt? Ist das nicht klar widerlegt?
Spätestens an dieser Stelle muss man kein Experte sein, um zu erkennen, dass Bhakdi ein Schwurbler ist. Die Intensivstationen sind voll. Menschen sterben. Ist das bloß Zufall und hat nichts mit Corona zu tun? Bhakdi liefert keine Erklärung. Er spricht von "Krankenhausinfektionen"
Interessant ist seine Strategie: Würde er klar sagen: "Die Toten sterben nicht an COVID, sondern an anderen Infektionen, die sie sich im Krankenhaus holen", dann könnte man das leicht widerlegen. Das wäre eine falsifizierbare These. Aber den Mut hat er nicht.
Stattdessen bleibt er vage, um nicht allzu leicht angreifbar zu sein. Er streut ein paar irrelevante Fakten über das Immunsystem ein - als Signal: "Ich bin ein Experte!" Aber er bietet keine Erklärung an, für den massenhaften Tod, für das Leid der Erkrankten.
Trotz dieser Vorsicht sind viele seiner Aussagen immer noch klar widerlegbar: Symptomlose Leute können niemanden anstecken - falsch. Masken seien "kriminell schädlich" - falsch. Die Mehrzahl der Experten vertrete seine Meinung - lächerlich falsch.
Wie zum Teufel kommt er auf diese Idee, nachdem sich sogar seine eigene Uni von ihm distanziert hat?

Er sagt, in Pflegeheimen sterben Menschen nach der Impfung. Klar falsch. Sie starben in großer Zahl VOR der Impfung, an COVID. Die Statistiken sind eindeutig.
Er sagt "je infektiöser das Virus, umso ungefährlicher". Das ist zumindest fast völlig falsch. Klar: Ein infektiöseres Virus, das zur selben Zahl von schweren Erkrankungen/Todesfällen führt, wäre ungefährlicher. So ist es aber leider nicht. Im Gegenteil:
Derzeit sind die Intensivstationen überlastet, bei einer kleineren Zahl von Infektionen als im Herbst. Von "ungefährlicher" kann keine Rede sein.
Er sagt: Lockdowns nützen nichts. Das ist falsch. Die Frage ist nur, wie sehr ein Lockdown tatsächlich zu Kontaktreduktion führt.
Auffällig ist, dass er sehr scharfe Worte verwendet: Die Impfung gehöre "vor ein Tribunal" (was auch immer das bedeuten soll). Er spricht vom "größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte". Hier sieht man: Das ist jemand, dem es längst nicht mehr um Wissenschaft geht.
Das ist kein Querdenker, der eine noch nicht allgemein anerkannte These vertritt, wie Galileo etwa. Er hat keine These. Er lässt punktuelle Aussagen fallen, von denen die allermeisten Unsinn sind. Diese Aussagen fügen sich aber nicht zu einem großen Ganzen zusammen.
Und genau deswegen ist es so mühsam, ihn zu widerlegen: Man muss alle seine Unsinns-Aussagen einzeln zerlegen, eben weil sie sich nicht zu einer These zusammenfügen. Das ist aber genau das Gegenteil von Wissenschaft.
Wissenschaft heißt: Widersprüche auflösen. Genau dort hinschauen, wo die eigene Meinung der Meinung anderer widerspricht. Verstehen, warum die Meinungen nicht zueinanderpassen. Erklären, wo die anderen falsch liegen - oder zugeben, selbst falsch gelegen zu haben.
Nichts davon macht Bhakdi. Er stellt der Meinung der anderen seine eigene Meinung entgegen. Das ist alles.

Die Arbeit, Widersprüche aufzulösen, müssen dann andere übernehmen. Das ist nicht Wissenschaft, das ist Selbstinszenierung. Medien sollten dabei nicht länger mitmachen.
Warum schreibe ich dann über ihn? Sollte man ihn nicht lieber ignorieren?
Vielleicht. Aber ich glaube, er ist mittlerweile so berühmt, dass das nicht mehr funktioniert.
Holen wir also das Beste aus Bhakdi heraus: Er kann zumindest als abschreckendes Beispiel dienen, um zu erklären, wie Wissenschaft funktioniert - und wie sie offensichtlich ganz eindeutig NICHT funktioniert.

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