Mir war klar, dass Narrative sehr mächtig sind, dass sie Weltkriege auslösen können, aber auch Gesellschaften zusammenhalten.
Was ich nur selten hinterfragt habe, ist, welchen großen gesellschaftlichen Narrativen ich eigentlich anhänge.
(Ist aber wahrscheinlich auch die Natur von Narrativen, dass man sie für Wahrheiten hält, solange man sie glaubt.)
Narrativ 1: Nicht nur in der Schule habe ich gelernt, dass wir uns seit der Aufklärung an der Wissenschaft orientieren & im Großen & Ganzen rational handelnde Wesen sind.
(Gemeint war natürlich der Globale Norden, alle anderen waren nicht so klug wie wir & deswegen auch nicht so reich & gut dran. Und hatten das - im Gegensatz zu uns - daher auch nicht verdient.)
Das hat dazu beigetragen, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie massiv wir gerade naturwissenschaftliche Erkenntnisse ausblenden, die tw. seit Jahrzehnten davor warnen, dass ein Weiter-So buchstäblich unsere Zivilisation gefährdet.
Ich wusste, wir machen nicht alles in unserer Macht stehende, um unsere Umwelt, von der wir ja immerhin leben, zu schützen. Aber ich hielt es nicht für möglich, dass wir sie zum Großteil bereits bis zur Schmerzgrenze ausgebeutet & zerstört haben.
Narrativ 2: Obwohl seit (mindestens) 50 Jahren klar ist, dass es in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum geben kann, ist das Heils- & Wohlstandsversprechen dieser Erzählung so groß, dass in einer Zeit, ...
in der die katastrophalen Auswirkungen dieses Wachstumsglaubens nicht mehr zu übersehen sind, selbst Grüne & Leute aus der Klima-Bubble es sich noch schönreden. War für mich nicht anders.
Narrativ 3: Auf diesen beiden Narrativen (& dem Ausblenden der naturwissenschaftlichen Fakten) baut auch der Glaube auf, dass wir nicht nur so weitermache dürfen und müssen, sondern es auch immer so weitergeht.
Dass unsere Welt noch heil (genug) ist, wir das hinkriegen, technische Lösungen finden, rechtzeitig genug handeln werden, wenn es WIRKLICH ernst ist.
Wir sind zu groß, zu clever, zu weit, um zu scheitern.
Genau dieser Glaube wird uns zu Fall bringen, wenn wir ihn nicht schnell genug hinterfragen.
Ich sag nicht, dass meine jetzigen Sichten auf die Dinge Wahrheiten sind, sie entwickeln sich jeden Tag weiter. Ich versuche zu lernen, zu verstehen, meine Sichtweisen zu hinterfragen, offen & konstruktiv zu sein. Wer weiß, wie man das in 50 Jahren bewerten wird.
Was ich sage, ist: Wir Brauchen neue Narrative, wenn die alten nachweisbar dazu führen, dass wir unsere Lebensgrundlagen zerstören. Und damit das, was sie uns eigentlich versprechen: Sicherheit, ein gutes Leben.
Noch ist es möglich, neue Wege zu finden, um beides zu erhalten. Lasst mal bitte alle zusammen dafür sorgen, dass wir diesen Moment nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Ps.: Das ist alles auch nicht meine Weisheit, sondern die von sehr, sehr vielen anderen. Ich versuche nur, diese Gedanken so zu formulieren, dass sie vielleicht noch andere ansprechen. Und zu zeigen, dass niemand als Klima- oder Naturschützer geboren wird, sondern ...
wir uns die Zusammenhänge erst erarbeiten, bisher für sicher gehaltenes hinterfragen müssen. Wir uns erst klar machen müssen, was das alles mit uns zu tun hat. Und dass das ganz schön viel ist.
Warum wird progressive & effektive Klimaschutzpolitik wie beim #EUClimateLaw immer wieder verhindert?
Drei grundlegende Missverständnisse zur #Klimakrise, die das (neben Lobbyinteressen) erklären.
Thread 🧵
1. Weil weder in der Politik, noch in vielen Medien & im öffentl. Diskurs klar verstanden wurde, dass 1,5 Grad nichts Gutes ist. Schon bei 1,2 Grad globaler Erwärmung sehen wir heute dramatische Auswirkungen, auch in Deutschland:
Die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist bereits ein Kompromiss. Es soll massiven irreversiblen Schaden abwenden. Etwa das Erreichen des Kipppunktes des Grönländischen Eisschilds, dessen Abschmelzen zu 7 Meter Meeresspiegelanstieg führen wird: spiegel.de/wissenschaft/m…
Unvollständige Liste von Climate-Bubble-Common-Sense, den man von außen nicht ahnt:
1. Die massive Apokalypse-Blindheit
2. Hoffen auf technische Erfindungen zur Lösung der Klimakrise = Magic Thinking
3. ‘It’s easier to imagine the end of the world then the end of capitalism.’
4. Die #Klimaschmutzlobby ist real & hat mit ihren Taktiken, Studien zu kaufen & Zweifel zu streuen, massiven Einfluss. Auf die öffentl. Debatte & Politik.
5. Die Lösungen für die Klimakrise sind weitgehend bekannt, sie werden nur politisch nicht umgesetzt, oft sogar blockiert.
6. Halbierung der Emissionen bis 2030 heißt: Ein Großteil der Transformation muss in 10 Jahren umgesetzt sein. Die politischen Erzählungen von Klimazielen 2040, 2050 sind Bullshit.
7. Um die Klimakatastrophe abzuwenden, braucht es sehr viel mehr als Dekarbonisierung.
Ich lese gerade die unterschiedlichsten Expert:innen zur #Klimakrise - und fast alle erwähnen früher oder später, mehr oder weniger deutlich, dass die Globale Erwärmung irgendwann unsere Zivilisation gefährden wird.
Einige sagen: Wenn wir so weitermachen wie jetzt, vielleicht noch in diesem Jahrhundert. Kinder, die heute geboren werden, würden das also ggf. erleben.
Niemand kann sagen, wann genau das passieren würde. Aber dass die Gefahr öffentlich überhaupt nicht diskutiert wird, ist schon schräg. Schließlich könnte man sich die unterschiedl. Argumentationen zumindest genau anschauen & ggf. Vorkehrungen treffen, um die Gefahr einzudämmen.
In der #Klimakrise leben wir in Parallelwelten: In der einen kämpfen Menschen mit aller Kraft darum, eine lebenswerte Zukunft für möglichst viele Menschen zu erhalten. In der anderen scheinen viele davon auszugehen, dass das noch Zeit hat & sich andere schon darum kümmern werden.
Mir war klar, dass die Politik zu langsam ist, dass das alles ganz schön knapp wird. Aber mir war nicht klar, wie ernst die Gefahr ist, dass wir es verkacken & das Klimaabkommen nicht einhalten. Und mir war auch nicht klar, was das bedeutet.
Dafür brauchte ich persönlich eine etwas klarere & emotionalere Ansprache. Allein die Fakten & Zahlen zu lesen, half mir nicht, die Bedeutung zu verstehen.
Auf Twitter folge ich schon länger @EricHolthaus & @ClimateHuman, die beide sehr emotional zur Klimakrise kommunizieren.
Ich hab den offenen Brief zur Klimaberichterstattung nicht geschrieben, um meine Kolleg:innen vorzuführen oder irgendjemanden zu ärgern.
Und es tut mir auf einer persönlichen Ebene tatsächlich Leid, dass ich versuche, Menschen dazu zu zwingen, sich mit einem sehr unangenehmen Thema auseinanderzusetzen.
Aber ich habe keine Hoffnung darauf, dass es reichen wird, diese Probleme einfach immer & immer wieder in Beiträgen zu erklären. Das machen einige Kolleg:innen seit Jahrzehnten, ich glaube nicht daran, dass das noch schnell genug zu einem großen Aha-Moment führen wird.
Stellt euch mal vor, Journalist:innen wären a) kritikfähiger oder b) zumindest interessiert, warum 200 Medienschaffende & einer der renommiertesten Klimaforscher meinen offenen Brief zur Klimaberichterstattung unterstützen.
Und man hätte ihn nicht einfach ignoriert, ...
... sondern sich mit den Kritikpunkten auseinandergesetzt, & heute, 7 Monate später, wüssten zumindest ein paar Kolleg:innen mehr, was die Klimakatastrophe ist & warum die kommende Bundestagswahl so entscheidend ist, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen.
Zumindest die würden darüber berichten, was der Unterschied zwischen 1,5 & 2 Grad konkret bedeutet, auch in Deutschland. Und damit eine bundesweite Debatte auslösen & so alle Parteien zwingen, Wahlprogramme vorzulegen, die es ermöglichen, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.