Warum wird progressive & effektive Klimaschutzpolitik wie beim #EUClimateLaw immer wieder verhindert?
Drei grundlegende Missverständnisse zur #Klimakrise, die das (neben Lobbyinteressen) erklären.
Thread 🧵
1. Weil weder in der Politik, noch in vielen Medien & im öffentl. Diskurs klar verstanden wurde, dass 1,5 Grad nichts Gutes ist. Schon bei 1,2 Grad globaler Erwärmung sehen wir heute dramatische Auswirkungen, auch in Deutschland:
Die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist bereits ein Kompromiss. Es soll massiven irreversiblen Schaden abwenden. Etwa das Erreichen des Kipppunktes des Grönländischen Eisschilds, dessen Abschmelzen zu 7 Meter Meeresspiegelanstieg führen wird: spiegel.de/wissenschaft/m…
2. Weil vielen nicht klar ist, wie wenig Zeit bleibt, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten & unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Dafür müssen die Emissionen bis 2030 halbiert werden. D.h. wir müssen einen Großteil der nötigen Transformation in 10 Jahren geschafft (!) haben.
Das erklärt übrigens auch, warum wir nicht auf irgendwelche tollen Erfindungen hoffen können, um die #Klimakrise zu lösen. Die kriegen wir nicht innerhalb von 10 Jahren entwickelt UND global in großem Maßstab umgesetzt.
Wir. Müssen. Jetzt. Anfangen.
3. Weil vielen offenbar nicht klar ist, was die Alternative von effektivem Klimaschutz ist. Welche Folgen eine eskalierende Klimakrise haben wird & wie schnell sie kommen. Ein Szenario für Deutschland 2030 beschreibt das Grünbuch Öffentliche Sicherheit: zoes-bund.de/wp-content/upl…
Das Grünbuch 2015 hatte prognostiziert, dass wir nicht ausreichend auf Pandemien vorbereitet sind. Das hielten damals offenbar viele Politiker:innen ebenfalls für ein unrealistisches & vernachlässigbares Szenario, die Folgen sehen wir heute.
=> Aufgrund dieser Missverständnisse wird Klimapolitik sowohl von Politiker:innen als auch von vielen Journalist:innen noch immer wie ein normales politisches Problem behandelt, in dem Wissenschaftler:innen eine Meinung von vielen repräsentieren.
Ein Gesetzespaket, das auf aus wissenschaftlicher Sicht sinnvollen Maßnahmen beruht, wie der Vorstoß des EU-Parlaments, ist aus dieser Perspektive eine großspurige Forderung, an der man beliebig rumverhandeln kann.
Dabei ist es faktisch betrachtet eine Minimalforderung, die es uns (mit 50 prozentiger Chance!) ermöglichen soll, unter 1,5 Grad zu bleiben, so unsere Zukunft zu stabilisieren & zu sichern - und idealerweise weit genug entfernt von einigen Kipppunkten zu bleiben.
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Mir war klar, dass Narrative sehr mächtig sind, dass sie Weltkriege auslösen können, aber auch Gesellschaften zusammenhalten.
Was ich nur selten hinterfragt habe, ist, welchen großen gesellschaftlichen Narrativen ich eigentlich anhänge.
(Ist aber wahrscheinlich auch die Natur von Narrativen, dass man sie für Wahrheiten hält, solange man sie glaubt.)
Narrativ 1: Nicht nur in der Schule habe ich gelernt, dass wir uns seit der Aufklärung an der Wissenschaft orientieren & im Großen & Ganzen rational handelnde Wesen sind.
Unvollständige Liste von Climate-Bubble-Common-Sense, den man von außen nicht ahnt:
1. Die massive Apokalypse-Blindheit
2. Hoffen auf technische Erfindungen zur Lösung der Klimakrise = Magic Thinking
3. ‘It’s easier to imagine the end of the world then the end of capitalism.’
4. Die #Klimaschmutzlobby ist real & hat mit ihren Taktiken, Studien zu kaufen & Zweifel zu streuen, massiven Einfluss. Auf die öffentl. Debatte & Politik.
5. Die Lösungen für die Klimakrise sind weitgehend bekannt, sie werden nur politisch nicht umgesetzt, oft sogar blockiert.
6. Halbierung der Emissionen bis 2030 heißt: Ein Großteil der Transformation muss in 10 Jahren umgesetzt sein. Die politischen Erzählungen von Klimazielen 2040, 2050 sind Bullshit.
7. Um die Klimakatastrophe abzuwenden, braucht es sehr viel mehr als Dekarbonisierung.
Ich lese gerade die unterschiedlichsten Expert:innen zur #Klimakrise - und fast alle erwähnen früher oder später, mehr oder weniger deutlich, dass die Globale Erwärmung irgendwann unsere Zivilisation gefährden wird.
Einige sagen: Wenn wir so weitermachen wie jetzt, vielleicht noch in diesem Jahrhundert. Kinder, die heute geboren werden, würden das also ggf. erleben.
Niemand kann sagen, wann genau das passieren würde. Aber dass die Gefahr öffentlich überhaupt nicht diskutiert wird, ist schon schräg. Schließlich könnte man sich die unterschiedl. Argumentationen zumindest genau anschauen & ggf. Vorkehrungen treffen, um die Gefahr einzudämmen.
In der #Klimakrise leben wir in Parallelwelten: In der einen kämpfen Menschen mit aller Kraft darum, eine lebenswerte Zukunft für möglichst viele Menschen zu erhalten. In der anderen scheinen viele davon auszugehen, dass das noch Zeit hat & sich andere schon darum kümmern werden.
Mir war klar, dass die Politik zu langsam ist, dass das alles ganz schön knapp wird. Aber mir war nicht klar, wie ernst die Gefahr ist, dass wir es verkacken & das Klimaabkommen nicht einhalten. Und mir war auch nicht klar, was das bedeutet.
Dafür brauchte ich persönlich eine etwas klarere & emotionalere Ansprache. Allein die Fakten & Zahlen zu lesen, half mir nicht, die Bedeutung zu verstehen.
Auf Twitter folge ich schon länger @EricHolthaus & @ClimateHuman, die beide sehr emotional zur Klimakrise kommunizieren.
Ich hab den offenen Brief zur Klimaberichterstattung nicht geschrieben, um meine Kolleg:innen vorzuführen oder irgendjemanden zu ärgern.
Und es tut mir auf einer persönlichen Ebene tatsächlich Leid, dass ich versuche, Menschen dazu zu zwingen, sich mit einem sehr unangenehmen Thema auseinanderzusetzen.
Aber ich habe keine Hoffnung darauf, dass es reichen wird, diese Probleme einfach immer & immer wieder in Beiträgen zu erklären. Das machen einige Kolleg:innen seit Jahrzehnten, ich glaube nicht daran, dass das noch schnell genug zu einem großen Aha-Moment führen wird.
Stellt euch mal vor, Journalist:innen wären a) kritikfähiger oder b) zumindest interessiert, warum 200 Medienschaffende & einer der renommiertesten Klimaforscher meinen offenen Brief zur Klimaberichterstattung unterstützen.
Und man hätte ihn nicht einfach ignoriert, ...
... sondern sich mit den Kritikpunkten auseinandergesetzt, & heute, 7 Monate später, wüssten zumindest ein paar Kolleg:innen mehr, was die Klimakatastrophe ist & warum die kommende Bundestagswahl so entscheidend ist, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen.
Zumindest die würden darüber berichten, was der Unterschied zwischen 1,5 & 2 Grad konkret bedeutet, auch in Deutschland. Und damit eine bundesweite Debatte auslösen & so alle Parteien zwingen, Wahlprogramme vorzulegen, die es ermöglichen, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.