Weil die Debatte um #Mietendeckel und #Mietpreisbremse nach meinem gestrigen Tweet hier so richtig hoch her ging, ein paar Klarstellungen:

Den Mietendeckel halte ich (wie schon 2019) für einen übertriebenen Eingriff, der unschöne Nebenwirkungen hat: 1/

Intelligentere Eingriffe in den Mietmarkt dagegen (z.B. #Mietpreisbremse) halte ich für durchaus zielführend, wenn es darum geht, Verwerfungen in der Einkommenssituation der Haushalte bei Verschiebungen der Nachfrage zu verhindern.
Ein älteren Thread: 2/
Ein ganz wichtiger Punkt: Die massive Umverteilung von Renten zwischen Mieter- zu Vermieterhaushalten durch einen starken Mietanstieg von Bestandsmieten in einem un- oder wenig regulierten Markt bei Nachfrageverschiebungen bringt 3/
hohe Transaktionskosten und soziale Kosten für die breite Bevölkerung, hat aber wenig ökonomische Funktion. (Das Preissignal hat allerdings eine Funktion, aber diese ist wichtiger bei Neubaumieten, wo der Mietanstieg zu Neubau führen kann.) 4/
Deshalb sträuben sich viele Menschen dagegen, wenn es zu massiven Mietanstiegen kommt, und sehen diese als illegitim an.Das erklärt auch den polit. Wunsch d. WählerInnen, in einen heiß laufenden Mietmarkt einzgreifen, vor allem, wenn–wie in Berlin–mehr als 80% zur Miete wohnen.5/
Diese Umverteilung über die Miethöhe scheint von einigen Ökonomen nicht als Problem angesehen zu werden – entweder, weil sie das Problem ignorieren, oder weil sie aus normativer Setzung glauben, dass Umverteilung über den Markt immer legitim sei. 6/
Was man leider von vielen dieser ÖkonomInnen vermisst, sind Vorschläge, wie man das Umverteilungsproblem im Wohnungsmarkt addressieren kann, ohne ungünstige Nebenwirkungen bei Bau und Allokation zu erreichen. 7/
(Und nein, höheres Wohngeld alleine ist hier keine Lösung, weil die Umverteilung durch schnell steigende Mieten etwa in Berlin viel größere Bevölkerungsschichten betrifft, als man jemals mit Wohngeld subventionieren könnte.) 8/
Das hat leider ungünstige Folgen. Politikberatung funktioniert nicht, wenn Beratende die Ziel-/Wertvorstellung der zu Beratenden ignorieren oder für falsch erklären. Deshalb wird ein Großteil der Berliner Wähler (mit gewissen Recht) die Einwürfe der Ökonomen ganz ignorieren. 9/
Am Ende wird das Ergebnis viel härtere (und potenziell problematischere) Eingriffe in den Wohnungsmarkt geben, nicht nur in Berlin. 10/
Oder anders ausgedrückt: Wahrscheinlich hat das #Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil zum #Mietendeckel am Ende Eingriffe in den Mietmarkt stärker vorangebracht als alle Linken-PolitikerInnen in den vergangenen zwei Jahrzehnten zusammen. 11/
In Berlin kommt das Urteil genau passend, um der Initiative für einen Volksentscheid „Deutsche Wohnen Enteignen“ den Schub zu geben, um die 170.000 Untereschriften zu bekommen, die sie bis zum 26.6. sammeln muss, um im Herbst auf den Wahlzettel zu gelangen. 12/
Die Mieterhöhungen nach dem gekippten Mietendeckel kommen gerade in die heiße Phase des Unterschriften-Sammelns und wird vielen eine Motivation zur Unterschrift geben. Erste Medienberichte zeigen derweil, wie Vermieter hier Öl ins Feuer schütten (hier vom @TspCheckpoint ). 13/
(Nur um Missverständnisse vorzubeugen: Dies ist eine rein analytische Beobachtung. Ich bin nicht von der Enteignungsinitiative überzeugt. Ich denke, es sollte vor allem mehr gebaut werden, und dabei möglichst flächenschonend; die Enteignungen lenken hiervon eher ab.) 14/
Auch dürfte das Urteil die Frage nach einer Verschärfung der Mietregulierung bundespolitisch noch einmal vorantreiben. Im Bundestagswahlkampf könnte die Mietfrage nun eine größere Rolle als bisher gedacht spielen, 15/
und der Berliner Landesverband der Grünen wird der Bundespartei (die mit hoher Wahrscheinlichkeit an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein wird) nach dem Mietdeckel-Urteil Druck machen, die Programmvorgaben auch in den Koalitionsverhandlungen hart zu pushen. 16/
Nun ist Berlin in seiner Mieterstruktur in Deutschland recht singulär, aber die Mietenfrage dürfte auch in anderen Großstädten Mobilierungspotenzial haben. 17/
Zur Erinnerung: Das BVerfG hat nicht aufgrund des Eigentumschutzes geurteilt, dass der Mietendeckel nichtig sei, sondern nur aus reinen Kompetenzverteilungen zwischen Bund und Ländern. Die Debatte ist nun auf Bundesebene getragen. 18/
Kurz: Mit dem Urteil diese Woche ist nicht nur ein Enteignungsversuch der Deutschen Wohnen in Berlin wahrscheinlicher geworden, sondern auch ein spürbares Nachschärfen der #Mietpreisbremse auf Bundesebene in der nächsten Legislaturperiode. /END

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16 Apr
Auch wenn die Freitags-Zahlen zum Impfen noch nicht da sind: Das war eine gute Impfwoche mit über 3,6 Mio. Impfungen in den vergangenen sieben Tagen. Wir liegen gut auf dem Pfad zum Impfziel von @AndrewWattEU und mir zur Durchimpfung bis zum 31.7. 1/ Image
Die nächsten Wochen dürften nun erst einmal etwas holpriger werden: Zuletzt wurde mehr verimpft als geliefert und die Lieferungen in den nächsten Wochen dürften hinter den jüngsten Verimpfungen zurückbleiben. 2/ Image
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14 Apr
Gute und schlechte Nachrichten von der #Covid19- Impffront:GUT:Gestern sind 530.000 Impfungen erfolgt, Rekord für einen Dienstag. Auch der 7-Tages-Schnitt liegt deutlich über dem Pfad, der nach Projektion von @AndrewWattEU und mir für die Durchimpfung bis 31.7. notwendig wäre. 1/
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13 Apr
Mit den Impfzahlen von gestern liegt nun auch der 7-Tages-Schnitt über dem Niveau, das notwendig wäre, um den von @AndrewWattEU und mir projizierten Impfpfad für eine Durchimpfung aller impfwilligen Erwachsenen bis 31.7. zu erreichen. 1/
Gleichzeitig blieben die Impfzahlen unter den Höhepunkten der vergangenen Woche zurück. Das lag vor allem an den Hausärzten. 2/
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8 Apr
Pünktlich nach Ostern haben gestern die #Covid19-Impfzahlen massiv zugelegt: Insgesamt wurden am Mittwoch 656.357 Dosen verimpft, das sind fast doppelt so viel wie der bisherige Tagesrekord vom 26.3. 1/
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6 Apr
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