Es zeichnet sich ab das Covid-19 noch lange der entscheidendste Faktor für unser aller Leben sein wird. Das ist bedauerlich, frustrierend und war verhinderbar.
Aber was heißt das? Ein (langer) Thread.
1. Wir brauchen einen Plan
Was auch immer im Herbst, Frühjahr oder übernächstes Jahr passiert: Das Leben muss berechenbarer werden. Für Unternehmen, für Familien, für uns alle.
Dafür müssen wir uns demokratisch für ein verbindliches Modell unserer Pandemiepolitik entscheiden, das klare und vor allem frühzeitige Indikatoren enthält. Der ständige, polarisierte Zank über das Micromanagement dieser Krise lähmt sonst die gesamte Gesellschaft. 2/18
2. Wir brauchen Visionäre
"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen" sagte einst Helmut Schmidt. Ich glaube, er hätte jetzt eine Vision, weil er mit Ärzten gesprochen hätte. Eine Vision von einer Welt, in der Corona besiegt oder gebändigt ist beispielsweise. 3/18
Ich spüre bei unserer Regierung keine Vision, die Lage unter Kontrolle zu bekommen und keine Anstrengungen, globale Allianzen zu schmieden. Ich spüre nicht einmal die Weitsicht, wenigstens die Intensivkapazitäten aufzustocken. 4/18
3. Wir brauchen Realismus
a) Ja, natürlich kann diesen Herbst alles gut gehen. Oder auch nächstes Frühjahr noch. Aber Impfschutz wird nachlassen, Mutationen werden weltweit kursieren und die nächste dramatische Coronawelle wird irgendwann anklopfen. 5/18
b) Ein Grund dafür ist, dass wir noch Jahre brauchen, bis eine globale Immunität entsteht - sei es durch Infektion oder Impfung. Die Wellen schwappen kontinuierlich über den Globus und in unsere Flughäfen. 6/18
c) Wellen können und werden auch trotz hoher Impfquoten entstehen. Sie sind zwar nur einen Bruchteil so gefährlich wie solche ohne Impfungen. Einige werden nur so schlimm wie eine Grippewelle. Andere wie eine schlimme. Und einige Wellen werden wieder die Kliniken überlasten. 7/18
d) Unterschiedliche Impfstoffe, schnell ausgerollte Impfkampagnen und hohe Impfbereitschaft werden das wirksamste und günstigste Mittel, trotz Corona-Wellen Normalität und Planbarkeit zu ermöglichen. 8/18
Desinformation gegen Impfbereitschaft werden die größte Gefahr für Normalität und Planbarkeit. Im Online-Zeitalter brauchen wir ein Manhattan-Projekt das Meinungsfreiheit und Kampf gegen Desinformation widerspruchsfrei möglich macht. 9/18
e) Es ist möglich, dass die bisherigen Mutationen die größten Sprünge darstellen, die das Virus machen konnte. Es ist auch möglich, dass es erst am Anfang steht und jetzt erst beginnt, sich zu optimieren. 10/18
Das heißt auch: Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Menschen mehrmals pro Jahr infizieren. 11/18
f) Es ist möglich, dass jede Saison nur ein Virenstamm eine Welle beherrscht. Es ist auch möglich, dass, wie beim Rhinovirus, jederzeit mehrere kursieren. Das hat Folgen für Impfungen und Immunitäten. Das alles bedeutet: 12/18
4. Wir brauchen ein Europäisches Manhattan-Projekt für prädiktive Impfstoffe, rollierende Zulassungen, psychologische Gesundheitspolitik und -kriegsführung. 13/18
5. Wir brauchen exzellente Pandemiepolitiker:innen, die selbst Modelle basteln könnten, epidemiologisch auf Augenhöhe sind und alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen einzelner Entscheidungen kennen - und dann repräsentativ miteinander ringen und entscheiden. 14/18
6. Wir brauchen Kontext und eine starke WHO. Die globalen Impfkampagnen bpsw. gegen Masern und Polio lahmen wegen Corona. Das wird Masern-Wellen und Polio-Wellen erzeugen, die auch bei uns ankommen könnten. 15/18
7. Wir brauchen Staatskunst - denn Seuchen waren schon immer eine der großen Trennscheiben zwischen gesellschaftlichen Klassen, ob national oder global. Die kommenden Konflikte sind vorhersehbar, und wer sie löst, stabilisiert Gesellschaften. 16/18
8. Wir brauchen eine Strategie, denn die globale Hackordnung wird sich in den nächsten Jahren wandeln, Autokraten werden stärker und freie Gesellschaften durch Desinformation angreifbarer. Wir können das Problem heute verdrängen - leiden müssen wir unter den Folgen trotzdem 17/18
9. Wir brauchen Mut. Denn es ist gut möglich, dass alle derartigen Vorbereitungen erst in zwei Jahren wieder wirklich relevant werden. Wir sollten sie trotzdem machen. Andere werden sie garantiert machen, und die nächste Pandemie wird sonst deren Gewinn und unser Abstieg. 18/18
10. Wir brauchen keine MPKen mehr, sondern RCKen: Regierungschefkonferenzen der EU, wo regelmäßig über den besten Weg gesprochen wird. 19/18
11. Wir brauchen eine ECDC, die den bestmöglichen Datenstand leicht verständlich aufbereitet, europäisch standardisiert, Szenarien aufbereitet und die weltweite Avantgarde der pandemischen Politikberatung darstellt. Ursula @vonderLeyen, Sie sind gefragt :)
12. Wir brauchen den nüchternen, internationalen Vergleich der Pandemiepolitiken, um uns von den Besten das Beste abzuschauen.
4. Phase - Im Nordosten England kippen die ersten Kliniken. Patienten drohen abgewiesen zu werden. Das einfache Rückgängigmachen des "Freedom Days" wird nicht ausreichen. Hitzige Debatte.
(2/8) In Großbritannien bedeutete das bereits, dass Delta Dominanz errungen hat. Trotz Impffortschritt, Gratistest-Strategie und recht harten Maßnahmen.
Trotzdem: Die Dominanz ist bei sehr niedrigen Inzidenzen errungen worden.
(3/8) Da die Inzidenzen sehr niedrig sind, bleibt in der Tat abzuwarten, ob sich Delta neue Infektionswege erschließen kann, wie @c_drosten im @ndr-Podcast vorletzte Woche erläutert hatte. ndr.de/nachrichten/in…
In Großbritannien sehen wir derzeit beunruhigende Signale. Während die
1. Maßnahmen zur Eindämmung stabil bleiben 2. der Frühling in den Sommer übergeht 3. immer mehr geimpft sind
steigt der R-Wert trotzdem wieder an und liegt nahe 1. Der Grund: #B1617
2/5 Der Grund: Während #B117 mit dem Maßnahmenpaket erfolgreich im Zaum gehalten wird, verbreitet sich #B1617 (Die indische Mutation) rapide aus. Der R-Wert der Mutation liegt sicher weit über 1.
3/5 .
Gut:
Geimpfte sind trotzdem ordentlich geschützt.
Schlecht: 1. Der vollständige Schutz entsteht erst Wochen später 2. Die Impfung schützt nicht vollständig vor Weitergabe des Virus 3. Wir haben im September immer noch 30 Millionen Ungeimpfte.
- 900 Mio Dosen bis 2023, optional 1,8 Mrd
- produziert fast vollständig in der EU
- auch die 280 nötigen Komponenten werden innerhalb der EU produziert
- wir haben ausreichend für den Worst Case vorgesorgt (das ich das Mal sagen darf!)
(2/7)
B. Szenarien! Hooray!
1. Die EU hat ein Risiko-Assessment (!) mit Szenarien (!) gemacht (noch nicht fertig, der Draft daher noch unveröffentlicht). 2. Danach braucht die EU 510 Mio Booster-Impfdosen in '22 und '23 3. im Worst Case 510 Mio in '22
(3/7)