Thread by @MartinThuer

Das Bundesverwaltungsgericht hat mir, bei der Veröffentlichung der COVID-Hilfen durch das Finanzministerium, teilweise Recht gegeben.

Aber, das klingt besser als es ist. Schnallen Sie sich an, das wird etwas länger.

Im Sommer 2020 habe ich bei Arbeits- und Finanzministerium die Namen der Empfängerfirmen von COVID-Hilfen beantragt sowie die jeweiligen Fördersummen. Bei der Kurzarbeit hat das BVwG mir vollständig recht gegeben. Ausführlich habe ich das hier beschrieben: martinthuer.at/2021/02/known-…

Nun gibt es ein Erkenntnis beim anderen Teil der COVID-Hilfen, jenen des BMF. Das Gericht hält fest:
Das BMF hätte mir sofort die Auskunft geben müssen, welche Firmen Hilfen erhalten haben UND über der - von der EU -gezogenen Grenze von 100.000 Euro sind.

Ein Verweis auf die Veröffentlichung dieser Daten ein Jahr nach Gewährung der Hilfen auf der Plattform TAM der EU Kommission reicht nicht. Das Ministerium hat die Daten, also muss es sie auch JournalistInnen gleich zur Verfügung stellen.

Mein Antrag ging aber deutlich weiter, ich wollte zunächst alle Hilfsempfänger ohne jede Hürde und wir haben uns im Verfahren entschlossen hier eine Hürde einzuziehen. Wir haben alle Daten beantragt der “obersten” 90% um zu zeigen, dass wir nicht hinter “kleinen” Fischen her sind

Wir wollten also deutlich unter die - meiner Meinung nach - genauso ziemlich willkürlich gezogene Grenze von 100.000 Euro. Warum? Dazu muss man in die Struktur der COVID-Hilfen eintauchen.

Die einzelnen Hilfsinstrumente stellen immer auf eine Körperschaft ab, in aller Regel eine GmbH, auch alle Obergrenzen gelten immer pro Firma. Jetzt gibt es aber Firmen, die bestehen aus vielen GmbHs, die profitieren deutlich mehr.

Das beste Beispiel ist der Unterschied zwischen Mediamarkt und Hartlauer. Wie wir in der #zib2 gezeigt haben, bevorzugt diese Struktur Firmen mit vielen GmbHs deutlich.

Nun finden sich in den EU-Daten “nur” 44 Mediamarkt Filialen, der Konzern hat aber 53 in Österreich. Die Vermutung: Einige der Filialen liegen unter der 100.000 Euro Grenze. Wir erfahren also nicht, wie viel Geld Mediamarkt wirklich erhalten hat.

Beispiele wie diese gibt es viele. Die Grenze von 100.000 Euro gilt in der gesamten EU, für deutsche Großkonzerne und französische. In einer kleinteiligen Wirtschaft wie Österreich ist sie als Transparenzhürde aus meiner Sicht zu hoch.

Spannend auch: Explizit geht die Richterin sogar auf den Widerspruch ein, dass bei meinem Erkenntnis zur Kurzarbeit die 10:90-Hürde gehalten hat,hier aber nicht. Weil es bei der Kurzarbeit keine EU-Regeln gibt, habe ich das Recht auf Auskunft, hier nicht.

Weiteres großes Thema war natürlich die Frage möglicher Wettbewerbsnachteile, die Unternehmen - laut BMF - erleiden würden, wenn ihre Daten öffentlich würden

Warum allerdings Unternehmen die viele Hilfen kassieren (über 100.000 Euro) und damit besonders betroffen sind, weniger Wettbewerbsnachteil haben sollen und laut EU-Recht veröffentlicht werden können, jene mit kleineren Beträgen nicht, hat das Gericht mMn unzureichend begründet.

Wir überlegen wegen all dieser Gründe in Revision, also in Berufung, vor den Verwaltungsgerichtshof zu gehen. Aber dort herrscht Anwaltspflicht, das kostet Geld, das muss man sorgfältig abwägen.

Wozu das Ganze, könnte man sich jetzt fragen. Die Hilfen über 100k sind ja öffentlich. Es geht mir darum die Grenzen für JournalistInnen und Journalisten auszuloten. Was dürfen wir wissen, was nicht. Auch das ist meiner Meinung nach Aufgabe von öffentlich-rechtlichem Journalismus

Beide Verfahren haben aber gezeigt, die Öffentlichkeit hat ein prinzipielles Recht darauf zu erfahren wohin ihr Steuergeld fließt, es geht “nur” noch darum die Grenze zur Veröffentlichung zu ziehen.

Jedenfalls bleibt es spannend, ich halte Sie auf dem Laufenden.