Die Kommentare zu diesem Video sind mal wieder herrlich, weil fast alle das Fahrbahnradeln „trotz Radweg mitten auf der Straße“ bemängeln, obwohl es gar keinen Radweg gibt, sondern nur einen freigegebenen Gehweg.
Freigegebene Gehwege sind ein Konstrukt in der Straßenverkehrs-Ordnung, die ich einfach nur noch hasse.
Als Fußgänger hasse ich für den Radverkehr freigegebene Gehwege, weil sich die lieben Radfahrer berufen fühlen, dort entlangzubrettern als handle es sich um eine exklusive Trainingsstrecke für die Tour de France.
Als Radfahrer hasse ich freigegebene Gehwege, weil es einerseits eine so genannte soziale Benutzungspflicht für diese Wege gibt: Es wird von mir erwartet, dass ich diesen extra mit teuren Steuergeldern für den Radverkehr freigegebenen Gehweg Bitteschön auch nutze.
Was aber kaum jemand weiß, weder am Lenker noch am Lenkrad: Auf für den Radverkehr freigegebenen Gehwegen herrscht ausnahmslos Schrittgeschwindigkeit — ganz unabhängig davon, ob Fußgänger in der Nähe sind oder nicht. sqi.be/62yit
Eigentlich können freigegebene Gehwege überhaupt nicht im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung genutzt werden, denn es dürfte einleuchtend sein, dass kaum jemand ernsthaft mit Schrittgeschwindigkeit eine Strecke von hunderten Metern oder gar mehreren Kilometern zurücklegen möchte.
Und eigentlich stört das auch niemanden, denn Polizei und Straßenverkehrsbehörde sind nach meiner Erfahrung in der Regel zufrieden, sobald der Radverkehr nicht den „echten Verkehr“ behindert — von Schrittgeschwindigkeit auf freigegebenen Gehwegen hat man noch nichts gehört.
Und so kann ich mich dann entscheiden, ob ich mich auf der Fahrbahn dem wütenden Bombardement aggressiver Kraftfahrer aussetzen möchte, ordnungswidrig schneller als Schrittgeschwindigkeit auf dem freigegebenen Gehweg fahre oder absteige und schiebe.
Ich habe mich tatsächlich mittlerweile entschieden, bei solchen Wegen einfach umzukehren und eine andere Route zu wählen. Weder möchte ich auf untermaßigen Gehwegen dem Fußverkehr zu Last fallen noch habe ich Lust auf Maßregelungen auf der Fahrbahn.
Die Krönung sind dann solche Wege wie hier in Schleswig-Holstein, wo im Jahr 2005 die Zeichen 240 abgebaut wurden. Hier sollen tatsächlich nur noch Fußgänger laufen, der Radverkehr soll die Fahrbahn nutzen. Möchte das jemand dem Kraftverkehr erklären? sqi.be/oih4z
Wenn ich dort mit dem Rad auf der Fahrbahn fahre, werde ich ebenfalls von wütenden Kraftfahrern bedroht. Also fahre ich lieber ordnungswidrig auf dieser nicht für den Radverkehr vorgesehenen Buckelpiste anstatt Gefahr zu laufen, vorsätzlich über den Haufen gefahren zu werden.
Und angesichts der vielen Kommentare im Netz und draußen auf der Straße habe ich auch nicht das Gefühl, dass hier in absehbarer Zeit Besserung einträte.

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30 Jun 20
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5 Jan 20
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