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Ich finde es hochinteressant, wie sehr die Wortwahl eines Artikels das Empfinden des Lesers beeinflusst. Und dann denken wir mal bitte daran zurück, ob wir in Deutschland überhaupt eine vernünftige Diskussion über den notwendigen #Mobilitätswandel führen können, (…)
(…) wenn aus den einschlägigen Tageszeitungen regelmäßig öffentlichkeitswirksam über „Kampfradler“, „Radl-Rowdys“ und „Rüpelradler“ geätzt wird, anstatt dass sich mal jemand damit auseinandersetzt, warum das Miteinander auf der Straße so ist wie es ist.
Eine vernünftige Analyse dieser Zustände wirkt aber altbacken, trocken, das klickt halt nicht geil. Also wird in einfachen Hauptsätzen irgendwas gegen Radfahrer im Allgemeinen geschrieben und am Ende beschweren wir uns alle, dass die Sache nicht besser geworden ist.
Vielleicht liegt es auch daran, dass die Wahrheit ein bisschen weh tut: Möchte man nicht, dass sich Fußgänger mit Radfahrern um einen anderthalb Meter breiten Fuß- und Radweg streiten, dann muss eben zwei ordentliche Streifen Infrastruktur für beide her.
Dann wird aber womöglich dem Auto auf der benachbarten Fahrbahn ein Fahrstreifen „geklaut“. Oder Parkplätze werden „der Vernichtung zugeführt“. Das will man offenkundig auch nicht, denn man fährt ja selbst Auto. Also bleibt’s wieder nur beim Gejammer. Naja.
Ich nehme mal meinen Lieblings-Gehwegradler-Hotspot als Beispiel: Hier endet eine Fahrradstraße, es geht mit einer engen, kopfsteinpflasterbewehrten Fahrbahn weiter, auf der links und rechts Autos parken.
Zwei Autos kommen hier nur mit Mühe und unter Einsatz der Hupe aneinander vorbei. In der Regel warten Kraftfahrer sogar in 300 Meter Entfernung, bis das gegnerische Kraftfahrzeug aus diesem engen Schlauch herausgefahren ist.
Fahre ich dort mit dem Fahrrad durch, wird der gegnerische Kraftfahrer natürlich nicht warten, denn ich fahre ja nur ein Fahrrad, da kommt man ja noch irgendwie aneinander vorbei. Natürlich klappt das, wenn ich ganz rechts heranfahre und warte, (…)
(…) aber es ist halt jedes Mal unangenehm: Je nachdem, wie die Autos parken, schnauft der Gegner mit einem Abstand von 50 bis 20 Zentimetern an mir vorbei. Der hält nämlich in der Regel nicht an, sondern fährt weiter mit den 30 Sachen, die das Kopfsteinpflaster zulässt.
Jeder normale Mensch probiert so etwas nur ein oder zwei Mal aus und wird diese Straße fortan ordnungswidrig auf dem Gehweg passieren. Und das ist scheiße. Das machen aber längst nicht nur so genannte „Kampfradler“, sondern vor allem ältere Menschen und Kinder.
Man kann auch einen kleinen Umweg fahren, der im Endeffekt statt 400 Meter über den Gehweg 550 Meter am Westring misst und im Endeffekt mit dem Fahrrad gar nicht so viel länger ist, aber das muss man halt wollen.
Für Fußgänger sind Gehwegradler auf dem schmalen Terrain immer unangenehm. Im Regelfall fahren die lieben Gehwegradler so wie ein Kraftfahrer: Klingeln und draufhalten. Der blöde Fußgänger wird schon zur Seite gehen.
Einige Gehwegradler wussten sich im letzten Jahr tatsächlich nicht anders zu helfen, als mir in den Rücken zu knallen, weil ich irgendwann im Sommer beschlossen hatte, das Klingeln und Lamentieren im Interesse meiner zu Fuß gehenden Nachbarn zu ignorieren.
Und selbst, wenn man als Gehwegradler proklamiert, sich natürlich rücksichtsvoll zu verhalten: Das weiß ich ja nicht. Ich höre nur, dass sich von hinten jemand nähert und entweder gehe ich dann als Fußgänger vorauseilend zur Seite oder bleibe stur auf Konfrontationskurs.
Dass sich aber ein Gehwegradler wirklich freundlich und rücksichtsvoll verhält, habe ich hier aus Sicht eines Fußgängers noch nie erlebt.
Das Problem bekommt man aber allenfalls über die Vernunft in den Griff, diesen blöden Umweg von 150 Metern zu nutzen. Umlaufsperren am Gehweg zu installieren bringt auch jeden Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen zur Kapitulation.
Oder: Man baut die Straße zur Einbahnstraße um, das Parken wird nur noch auf einer Seite erlaubt, während Radfahrer in beide Richtungen fahren dürfen. Vielleicht auch noch einen neuen Fahrbahnbelag dazu, fertig ist eine ordentliche Verlängerung der Fahrradstraße.
Das sollte im linksgrün dominierten Kiel-Ravensberg ja gar kein Problem sein, oder? Hoppla, doch: Den Leuten ist das eigene Auto vor der Tür dann plötzlich viel näher als irgendwelche linksgrünen Bestrebungen zur Verkehrswende.
Was man hier lieber sähe: Vorgärten verkleinern und Bäume fällen, so dass weitere Parkflächen entstehen können. Gottseidank ist dieses so genannte Marineviertel denkmalgeschützt, so dass das nicht passieren wird.
Und so bleibt es drum dabei: Alle schimpfen auf die blöden Radfahrer, die sich nicht an die Regeln halten, aber Verbesserungen werden wir nicht einführen — denn dazu müsste ja das heilige Auto einen Teil seines Platzes aufgeben.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass hier in Kiel-Ravensberg zwar der #Parkplatznotstand ausgerufen wurde, aber die Leute trotzdem zum Großteil mit dem eigenen Auto innerhalb Kiels zur Arbeit fahren — und dann abends für einen Parkplatz notfalls mehrere Runden um den Block fahren.
Ob man in einer Stadt im #Klimanotstand, in der die meisten gefahrenen Distanzen wohl irgendwo bei 5 bis 8 Kilometern liegen dürften, unbedingt mit dem Auto fahren muss — naja. Muss man wohl, sonst nähme ja niemand die stundenlangen Strapazen der Parkplatzsuche in Kauf.
Und dann gibt’s halt auch Radfahrer, die natürlich nur auf dem Gehweg fahren, wenn es die Situation erfordert. Uff.
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