Es wäre gut, wenn alle in der Klimadebatte begreifen würden, dass es fünf nach zwölf ist und wir *jetzt* handeln müssen, und zwar mit Maßnahmen, die *sofort* etwas bringen, und dazu gehören für mich:
- Autofreie Sonntage, z.B. alle 2-3 Wochen
- 1/3 der Kohlekraftwerke abschalten und Gaskraftwerke hochfahren
- Restlaufzeiten der deutschen Kernkraftwerke erhöhen
- 50% Sonderabschreibungen auf Emissionsvermeidungsinvestitionen
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gehört für mich nicht dazu, denn sie bringt gerade einmal Einsparungen von max. 3 Mio. Tonnen, während ein einziges Kohlekraft wie Neurath 30(!) Mio. Tonnen CO2 pro Jahr in die Luft bläst.
Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen bringen also bestenfalls 1/10 dessen, was ein einziges fucking Braunkohlekraftwerk ausstösst. Und ein autofreier Sonntag alle 2 Wochen würde mehr bringen als eine Geschwindigkeitsbegrenzung, auch mehr Spaß, beim Radeln auf Autobahnen.
Ja, es ist sicher Ansichtssache, aber für mich sind Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ein wichtiger Gewinn an Mobilität und Bewegungsfreiheit, und ich wäre eher bereit, auf anderes zu verzichten. Das ist einfach eine starke persönliche Präferenz. Ich mag Geschwindigkeit.
Muss ich mich dafür schämen? 3 Mio. t CO2 sind in etwa das, was die Berliner in einem Jahr ausatmen, oder 0,4% der Gesamtemissionen Deutschlands, die von 2019 zu 2020 um 71 Mio. t bzw. um 9% zurückgegangen sind, u.a. wegen Corona, angeblich zu 1/3, also 6% ohne Corona.
Ich sehe aber auch nicht ein, warum langfristig der Verkehr auf Autobahnen verlangsamt werden sollte, denn unser zukünftiges Energiesystem wird Energie billiger und in größeren Mengen bereitstellen als derzeit, und wir werden sie effizienter nutzen.
Und lacht nicht, ich sehe die deutsche Autobahn als wichtiges Kulturgut, das bessere Autofahrer produziert und zu besseren Autos weltweit geführt hat, und ja, die Autos von anderen sind zur Pest geworden, aber das eigene Auto hat insbesondere Leuten in der Provinz geholfen,…
…Zugang zu mehr Erwerbs- und Einkaufsmöglichkeiten und Kultur und Erholung zu erhalten, sicher und bequem mit Familie und Gepäck zu reisen und so Landflucht begrenzt und ländliche Regionen wirtschaftlich belebt, und Autobahnen sind ein wichtiger Faktor dabei.
Für die Städte als Lebensraum dagegen sind Autos eine Pest, die die Straßen verschandeln, denn 95% der Zeit parken Autos im Schnitt, und allein aus ihrem Tanks verdunsten 50 Mio. Liter Benzin pro Jahr, bis zu 8 Liter pro Fahrzeug.
Wir könnten zwar denselben Mobiltätsbedarf mit nur 10% der Autos decken, aber heutige Autos sind nicht dafür gebaut; sie würden nur ein bis zwei Jahre halten, wenn sie die Hälfte der Zeit fahren - auch Teslas. PKW müssten wie heute LKW auf 2 Mio. km Fahrleistung ausgelegt werden.
Leider sind Autos nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch ein mobiler Wohnraum, und man teilt Wohnraum ungern mit Fremden, wofür es zwar Konzepte gibt, aber die funktionieren nur in Ballungsräumen und Car-Sharer fahren oft unmöglich schlecht und rabiat.
Ist also das alte Dilemma, dass Leute mit „öffentlichen“ Dingen oft unsorgsam sind. Das alles ließe sich zwar irgendwie lösen, aber nicht komplett und für jeden und bezahlbar wie ein fünfzehn Jahre altes Auto. Gebrauchtwagen sind auch sozialer Transfer.
Mein Punkt ist, dass es viele gute Gründe gegen Autos in Städten gibt und weniger Autos besser wären, aber es auch viele gute Gründe gibt, warum Leute ein Auto haben, und der Straßenverkehr ist mit 146 Mio. t CO2 ein Faktor, 60% davon PKW, aber Geschwindigkeitsbegrenzungen…
…auf Autobahnen halte ich vor allem für Symbolpolitik, weil die meisten Leute ohnehin nicht schneller fahren und nur 1/3 der Fahrleistungen auf Autobahnen erbracht werden, und die Autos trotzdem noch die Strecke zurücklegen.
Ja, eine Geschwindigkeitsbegrenzung reduziert die Attraktivität von Autos für 50% der Verkehrsteilnehmer. Der ohnehin langsam fahrende Rest fände es egal oder würde es begrüssen, aber warum sollte die Hälfte, die praktisch nicht einschränkend betroffen ist, überhaupt mitreden?
Außerdem, was ist das für eine Politik, die darauf abzielt, dass es länger dauert, bis man irgendwo ankommt? Und dafür sparen wir dann 0,1-0,4% CO2 ein? Nee, das überzeugt mich nicht. Konkret bedeutet das für mich: Wenn ich derzeit Autobahn fahre und die Zeit wählen kann, …
…schaffe ich 140-150 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit, in Holland dagegen nur 100 km/h. Das bedeutet, dass ich 600 km in sechs Stunden oder 4-4/12 Stunden schaffe, aber auch, dass ich konzentriert und beschäftigt bin und mir die Fahrt Spaß macht.
Dagegen finde ich es einen Horror, sechs Stunden mit einer Geschwindigkeit dahinzukriechen, die weder dem Fahrzeug, der Fahrbahn, der Verkehrsituation oder den Fähigkeiten des Fahrers angemessen ist. Ich empfinde unangemessene Geschwindigkeitsbegrenzung als Gängelung und…
…fast als Beleidigung, aber ich sehe ein, dass es genug Leute gibt, die einfach schlechte oder rücksichtslose Autofahrer sind und es außerhalb von Autobahnen ohne nicht geht, aber Autobahnen sind für Autos da, und wir kommen aus wundersamen Gründen gut klar mit Autobahnen…
…ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Und in Deutschland gibt es auch nicht besonders viel Tote, 3,75/Mrd. Km, vs 3,28 in Holland, 4,2 in Frankreich oder 10,6 in Tschechien, alles Länder mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen.
Und erwähnte ich, dass PKW und Motorräder jährlich 958 Mrd. Personenkilometer Verkehrsleistung erbringen, Bahnen nur 90 Mrd., Busse 80 Mrd., Luftverkehr 61 Mrd.? Das bedeutet, dass wenn nur 10% der Autofahrer umsteigen, die Bahn ihre Transportleistung verdoppeln müsste.
Wir kommen vom Auto nicht so leicht weg, der motorisierte Personenindividualverkehr ist auch eine hoch nützliche kulturelle und zivilisatorische Errungenschaft, die aber leider zu allgegenwärtig geworden ist und für viele praktisch unverzichtbar, vor allem auf dem Land.
Autos sind oft nicht ersetzbar, ohne Wohnort, Hobbies oder Kontakte zu verändern/beenden, und das ist ein hart. Autos sind einfach zu gut, und Straßen führen fast überall hin. Autos werden bei uns als Hauptverkehrsträger unverzichtbar bleiben, ob man das will oder nicht.
Jetzt bin ich gar nicht auf die anderen Punkte wie Atomkraftlaufzeit, Gas und Sonderabschreibungen eingegangen, aber ich denke, es wären Sofortmaßnahmen, die zwar Geld kosten, aber das Geld wert wären, allerdings allesamt politisch umstritten sind.

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22 Sep
Die #pathologenkonferenz muss man sich leider komplett anschauen, um zusammenfassen zu können: "Wir haben keine Beweise, aber sehen da lauter Dinge, die wir nicht verstehen, und deshalb müssen wir sofort mit dem Impfen aufhören."
Am Anfang klingt alles noch halbwegs im Rahmen, man redet nur von "Verdacht", für den die Beweise fehlen, und den man untersuchen sollte, und man ist geneigt, dem zuzustimen, aber am Ende entlarvt sich das alles als politische Schwurbelpropaganda.
Ja, grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen, bei den neuen Impfstoffen besonders gut hinzuschauen, und vordergründig sieht vieles beunruhigend aus, aber das ist auch der Hauptzweck der Veranstaltung: Alarm zu schreien.
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20 Sep
Ich finde es völligen Irrsin, dass nicht sofort alle Kohlekraftwerke abgeschaltet wurden, nachdem die neuen IPCC-Zahlen eingetroffen sind. Wir werden jeden Tag teuer bezahlen, mit Zins und Zinseszins. Klimaschädlicher als mit Kohle kann man keinen Strom erzeugen; ein Umstieg…
…auf Gas würde schlagartig die deutschen Treibhausgasemissen um 15% reduzieren. Kohleverbrennung macht rund 30% der deutschen Treibhausgasemissionen aus, und die gleiche Menge Strom aus Gas macht nur halb so viel Treibhausgase wie Strom aus Kohle.
Technisch und unter Aspekten der Versorgungssicherheit könnten wir Kohle sofort, also heute noch, aufhören zu verbrennen. Jedes Gramm CO2, das wir emittieren, werden wir teuer wieder rausholen müssen aus der Atmosphäre.
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12 Sep
Mir hat ein CDU-Ministerpräsident mal gesagt, vor Wahlen würde er sich rechtsradikal geben, um die Stimmen der Rechten mitzunehmen, und dann bis zur nächsten Wahl seine pragmatische Politik der Mitte durchziehen. Gerade die rechtsextremen Wähler seien nicht allzu helle, ...
...wären mit ein paar Sprüchen leicht abzuholen und würden sich nach der Wahl ohnehin nicht für echte Politik interessieren. Ich war mir nicht sicher, ob ihn das jetzt sympatischer und unsympathischer macht und ob das vielleicht eine "Doppellüge" war,..
...also er, wie er vorgab, wirklich ein Mann der Mitte war, der gelegentlich den Rechtradikalen mimte, oder tatsächlich ein Rechtsradikaler, der privat vorgab, keiner zu sein und so seine derben Äußerungen etwa zu Asylsuchenden zu verleugnen.
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11 Sep
Ein paar Gedanken zum Thema "Wohnungskonzerne" enteignen: Die öffentliche Hand kann sich das Geld problemlos zu niedrigen Zinssätzen leihen, und die Mieten dürften höher sein als die Zinsen.
Dazu kommt dann die Tilgung, wobei das letztlich genau dasselbe ist wie Geld auf die hohe Kante zu legen, und dann kommen die Kosten für Instandhaltung, Bewirtschaftung und Abschreibung, die von außen schwer zu kalkulieren sind.
Ich sehe zwei Hauptrisiken: Zum einen, dass sich die Zinssituation ändert, zum anderen, dass die Wohnungen leerstehen oder die Mieten gesenkt werden müssen, weil Leute abwandern oder so viele bessere Wohnungen neu gebaut werden, dass die Bestände für Mieter unattraktiv werden.
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11 Sep
Generell wird das Potential von motorisierten Zweirädern als Verkehrsträger in Deutschland von der Politik komplett unterschätzt. Sie sparen Verkehrsfläche, Energie und Rohstoffe, selbst mit Verbrennungsmotor, und wer vom Auto aufs Motorrad umsteigt, tut mehr für die Umwelt…
…als jemand, der auf ein Elektroauto umsteigt. Mit dem elektrifizierten Motorrad dagegen kommen nicht mal Busse und Bahnen mit, was Nachhaltigkeit und Energieverbrauch angeht, und innerhalb der Stadt ist es die beste und billigste Individualverkehrsoption, billiger als der ÖPNV.
Ja, es ist keine Option für jeden und für jedes Wetter, und es ist gefährlicher als jede andere Option. Rund 60% der Motorradunfälle sind fremdverschuldet, meist von Autofahrern, aber im Gegensatz zum Radverkehr, wo zunehmend Verkehrsflächen für Radfahrer geschaffen werden, …
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11 Sep
Das hier zeigt mal wieder, wie lebensfremd die Leute im Berliner Senat sind. Bezeichnend auch, dass hier ein nicht existierendes Problem gelöst werden soll, natürlich auch wieder, ohne Mittel dafür aufzuwenden. bz-berlin.de/berlin/aus-fue…
Gut, als Motorradfahrer bin ich hier alles andere als neutral, aber Motorräder und Motorroller sind auch Energie- und Verkehrsfläche sparende und günstige Mobilitätsoptionen für viele Menschen, die man eigentlich in einer Großstadt fördern sollte.
Vermutlich ist das alles wieder ein Sturm im Wasserglas und wird von der BZ gerade jetzt aufgebracht, um vor der Wahl noch etwas Stimmung gegen #rrg zu machen, und wisst ihr was? Es funktioniert bei mir. Ich bin verärgert, dass der Senat das überhaupt ernsthaft debattiert hat.
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