Was ist an "Edtstadler will private Chats schützen" irreführend? diepresse.com/6049584/edtsta… Sie will eine "dem 'Briefgeheimnis' vergleichbare Regelung für private Handykommunikation" - die gibt es: das Fernmeldegeheimnis (Art. 10a StGG) ist dem Briefgeheimnis exakt "nachgestrickt"/2
Das Briefgeheimnis schützt übrigens ungeöffnete Briefe, und es steht der Sicherstellung von Briefen bei einer Hausdurchsuchung nicht im Weg, ebenso wie das Fernmeldegeheimnis der Sicherstellung von Handys (und der darauf gespeicherten Kommunikation) nicht im Weg steht /3
Davon strikt zu unterscheiden ist die Frage, ob der Inhalt sichergestellter Kommunikation (also von Briefen oder am Handy gespeicherten Chats) "in der Öffentlichkeit nichts verloren" haben und ob/wie man dazu die Gesetzeslage "anpassen" soll, wie Edtstadler meint /4
das hängt natürlich v.a. davon ab, ob es wirklich "private Chats" sind, also den (höchst)persönlichen Lebensbereich betreffen, und selbst dann ist die Veröffentlichung zulässig, wenn sie wahr ist und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben steht" (§ 7 MedienG) /5
Wenn es darum geht, ob durch Veröffentlichungen in Medien eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens erfolgt, prüft der EGMR v.a. folgende Kriterien:
a) leistet die Veröffentlichung einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse? /6
b) Bekanntheit der betroffenen Person und Gegenstand des Berichts
c) früheres Verhalten der Person
d) Methode der Informationsbeschaffung und Wahrheitsgehalt
e) Inhalt, Form und Folgewirkungen der Veröffentlichung /7
nach diesen Kriterien ist nicht zu sehen, dass die aktuellen Veröffentlichungen (jedenfalls in den mir bekannten Medien) medienrechtlich unzulässig gewesen wären, und soweit ersichtlich hat das auch bislang niemand ernsthaft behauptet (auch nicht BM Edtstadler) /8
eine "Anpassung der Gesetzeslage" im Hinblick auf die Veröffentlichung würde schnell an die Grenzen des verfassungsrechtlich (Art. 10 EMRK) Zulässigen geraten (allenfalls denkbar wären Einschränkungen bei anhängigen Verfahren, aber auch hier wäre im Einzelfall Abwägung geboten)/9
die eigentliche Stoßrichtung dürfte offenbar eher in die Richtung gehen, die Sicherstellung bzw. Auswertung von Handys zu beschränken (Stichwort: Auswertung von "Zufallsfunden"); das hat aber nichts mit der Frage zu tun, ob "private Chats" veröffentlicht werden dürfen /10
das Verbot, dem Verdacht strafbarer Handlungen auch dann nachzugehen, wenn sich dieser Verdacht aus der Auswertung eines rechtmäßig (wegen eines anderen Verdachts) sichergestellten Handys ergibt, könnte aus Gleichheitserwägungen nicht auf Korruptionsdelikte beschränkt bleiben /11
und würde daher zB dazu führen, dass man dem Verdacht auf pornographische Darstellungen Minderjähriger (§ 207a StGB) nicht nachgehen könnte, wenn man solche Bilder auf einem Handy findet, dass wegen des Verdachts auf ein Drogendelikt sichergestellt wird - schwer vorstellbar /12
auch eine derartige "Anpassung der Gesetzeslage" würde aber nichts daran ändern, dass ausgewertete Kommunikation, wenn sie - etwa über Akteneinsicht von Verfahrensbeteiligten - den Weg zu Medien findet, veröffentlicht werden kann, wenn die genannten Kriterien erfüllt sind /end
PS: in jedem Thread, der öfter angeklickt wird, muss zwingend ein Rechtschreib- oder Grammatikfehler sein (1st law of threads); hier im vorletzten Tweet sollte es natürlich heißen "... auf einem Handy findet, DAS wegen des Verdachts auf ein Drogendelikt sichergestellt wird"

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2 Sep 20
Weil mich der @moser_at getriggert hat, dass der Entwurf für das Kommunikationsplattform-Gesetz schon online ist (hier: ec.europa.eu/growth/tools-d…) ad hoc ein paar erste kurze Anmerkungen dazu, ich kann aber jetzt schon aus Zeitgründen nicht sehr ins Detail gehen
1. auf der Meta-Ebene: das KoPl-G ist ein Signal/Symbol, testet einmal die Leidensfähigkeit der Kommission - die hat das dt. NetzDG durchgelassen und die französische loi avia - jetzt schaut AT einmal, ob die Komm. auch kleineren Staaten gegenüber so großzügig ist
2. damit zusammenhängend: der Entwurf soll auch Druck auf Komm. machen, den Digital Services Act (oder ähnliches in diese Richtung) rasch auf Schiene zu bringen, denn je mehr Mitgliedstaaten Regelungsbedarf sehen, desto dringlicher wird eine Harmonisierung auf Unionsebene
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19 Jan 20
Triggerwarnung: Sozialversicherung-Legistik-Thread. Der Bundespräsident sagte im @KURIERat-Interview, er habe mit dem Nationalratspräsidenten verhandelt und ein Gesetz erst unterschrieben, nachdem der Nationalrat einen Satz in § 717b ASVG gestrichen hat. Wie ging das?
Vorweg: am 22.12.2018 wurden gleich drei Gesetze kundgemacht, die jeweils Änderungen (ua) am ASVG vornahmen; BGBl I Nr 98, 99 und 100/2018; für uns wichtig sind BGBl I Nr 99 (Pensionsanpassungsgesetz 2019 - PAG 2019) und 100/2018 ((Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG)
Das PAG wurde am 14.11.2018 im NR-Plenum beschlossen, es enthielt den (im Plenum hinzugekommenen) neuen § 717b ASVG mit verfassungsrechtlich völlig abwegigem Inhalt (Recht zu "Vorbereitungshandlungen" zur Umsetzung möglicherweise zukünftig zu beschließender Gesetzesänderungen)
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11 Jan 20
Abg Gerstl "zitierte" gestern im Nationalrat (beim Abänderungsantrag zum Bundesministeriengesetz) Shakespeare mit folgendem Satz: „Unser Schicksal hängt nicht von den Sternen ab, sondern von unserem Handeln.“ parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII…
ich hätte es schöner gefunden, hätte er nicht diese verballhornte, "inspirational quotes"-taugliche Version genommen, sondern korrekt zitiert (Schlegel-Übersetzung): "Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge." cc @krieghofer
[und von @thomasdrozda hätte ich mir eigentlich eine tatsächliche Berichtigung erwartet ("Shakespeare schrieb nicht, sondern tatsächlich vielmehr ..."), denn laut @MichaelaGrubesa kennt er ja angeblich "jedes große Shakespeare-Zitat in fünf verschiedenen Sprachen auswendig"]
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3 Oct 19
Ein Thread zum Glawischnig-Piesczek/Facebook-Urteil des EuGH: 1. es geht um Verpflichtung von Facebook als Host-Provider iSd Art 14 E-Commerce-RL (nicht um Haftung von Usern, nicht um Haftung für allfällig über Hosting hinausgehende "redaktiuonelle" Tätigkeit von Facebook)
2. EuGH weist (Rn 29) auf "besonders großes Ermessen" der Mitgliedstaaten beim Verfahren zur Abstellung von Rechtsverletzungen hin (dh: nationale Gesetze können hier deutlich voneinander abweichen, was Ö vorsieht, muss zB DE nicht kopieren und umgekehrt)
3. nach Art. 18 EC-RL abzustellen ist "jede" mutmaßliche Rechtsverletzung, abzuwehren ist "jeder weitere Schaden", auch wenn in der deutschen Sprachfassung (anders als in frz oder englischer Fassung) der EC-RL das Wort "jede/r" jeweils fehlt
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10 Apr 19
Abschließend für heute relativiere ich auch noch was zum SVN-G, bevor ich mich Anderem zuwende. 1) Ja, es ist eine Beta-Version, vielleicht eine frühe Beta-Version, bei der man auch nicht immer sicher ist, was bug und was feature ist. Aber jetzt kommen erst mal 6 Wo Begutachtung
2) Tipp-/Beistrich-/Flüchtigkeitsfehler sind keine substanzielle Kritik. So etwas passiert zwangsläufig, wenn unter Zeitdruck gearbeitet wird; das wird in einer allfälligen Regierungsvorlage beseitigt sein.
3) es gibt legitime Anliegen hinter dem Projekt; Frage ist, wie diesen Anliegen gedient wird. Dass Plattformen, die meinungsbildend/wahlentscheidend sind, erreichbar sein müssen, um zB bei strafrechtswidrigen Inhalten rasch einschreiten zu können, halte ich grunds. für richtig
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10 Apr 19
Jetzt gibt es den Text des Begutachtungsentwurfs für das "Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird": ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?A…
Erster Satz der Erläuterungen, erster Beistrichfehler: "In der digitalen Welt müssen die gleichen Prinzipien gelten, wie in der real gelebten Welt." (oder, wie es der Herr Bundesminister als Philosophieabsolvent viell. formulieren würde: "es gibt kein reales Leben im digitalen")
interessant auch die Kostenschätzung : Entwurf rechnet mit etwa 50 betroffenen Unternehmen, denen Kosten von "weniger als 100.000 € pro Jahr" entstehen (gemeint wohl: pro Unternehmen, denn mit 2.000 € Jahr kann man die Verpflichtungen ziemlich sicher nicht einhalten)
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