In wenigen Minuten beginnt der zweite Tag der Berufungsverhandlung zur abgelehnten #Assange-Auslieferung.

Gestern wurde übrigens gemeldet, dass Julian Assange persönlich am Verfahren teilnehmen wollte, ihm das aber vom Gericht untersagt wurde.

Verteidiger Fitzgerald hat das Gericht darüber informiert, dass Assange heute nicht per Video an der Verhandlung teilnehmen wird und gestern nur dabei war, weil ihm in Gefängnis suggeriert wurde, dass das Gericht seine (digitale) Anwesenheit gefordert hatte-das war nicht der Fall
Die Verteidigung führt nun auf, wie und wo die Richterin in der ersten Entscheidung die Fragen zum gesundheitlichen Zustand bewertet hat.
Er legt dar, dass die Richterin den gesundheitlichen Zustand und die Maßnahmen zur Suizidprävention in US-Gefängnissen gründlich analysiert hat und zum Schluss gekommen ist, dass Assange einen Weg finden würde, diese Maßnahmen zu umgehen.
Fitzgerald legt dar, dass auch die Zusicherungen der US-Regierung, auf eine Inhaftierung im ADX Florence unter SAM zu verzichten, an der großen Suizidgefahr nichts ändern, weil zu erwarten ist, dass er auf eine gewisse Art isoliert sein wird.
Er führt aus, dass die Richterin dargelegt hat, warum sie den Ausführungen Kopelmans gefolgt ist. Er wirft der Anklage vor, Begründungen für Begründungen zu fordern.
Es geht nun um die Frage, ob auch zukünftige Entwicklungen für die Entscheidung über eine Auslieferung relevant sind. Fitzgerald führt an, dass eine Auslieferung auch dann abzulehnen würde, wenn in zwei Jahren Folter zu erwarten wäre.
Ein Ausblenden zukünftiger Entwicklungen sei also grundsätzlich abzulehnen.
Fitzgerald erklärt ausführlich, dass die Entscheidung der ersten Instanz in erster Linie auf dem gesundheitlichen Zustand Assanges im Falle der Auslieferung beruht und weniger auf möglichen Haftbedingungen.
Die Verhandlung findet übrigens in Court 4 in den Royal Courts of Justice in London statt. Ich habe den Saal unten im Foto markiert.
Fitzgerald merkt an, dass die USA nicht davon Gebrauch gemacht haben, eigene Experten zu Haftbedingungen ins Kreuzverhör zu holen. Andere Länder handhaben das anders, Russland sendet bspw Regierungsbeamte die sich einer Befragung zu Haftbedingungen stellen.
Die USA haben lediglich schriftliche Einlassungen eingebracht und der Verteidigung keine Chance gegeben, die Experten dazu zu befragen.
Fitzgerald erwähnt nun auch die Überwachung der Botschaft und die US-Mordpläne gegen Assange.
Fitzgerald erinnert daran, dass im Fall von Lauri Love auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigt wurden. Loves Auslieferung wurde erstinstanzlich erlaubt und erst in der Berufung abgelehnt - vom Richter, der auch heute die Verhandlung leitet.
Die Verhandlung wird von zwei Richtern geführt: Lord Justice Timothy Holroyde und The Lord Burnett of Maldon, Lord Chief Justice of England and Wales. Letzterer ist der oberste Richter des Landes.
Lord Justice Timothy Holroyde hat sich gerade aus recht unklaren Gründen davon gestört gefühlt, dass Personen auf der Besuchertribüne auf ihr Handy gucken. Das Gericht hat angeordnet, alle Mobiltelefone auszuschalten.
Glücklicherweise ist mein Laptop kein Mobiltelefon - ich sitze selbst auf der Besuchertribüne.
Fitzgerald greift das Argument der Anklage an, dass sich bisher niemand das Leben genommen hat, der aus dem UK an die USA ausgeliefert wurde. Das liege daran, dass verletzliche Personen wie Love und McKinnon gar nicht erst ausgeliefert wurden.
Fitzgerald beschäftigt sich nun mit dem Vorwurf der Anklage, Prof. Kopelman habe das Gericht getäuscht. Die Verteidigung weist diesen Vorwurf zurück, weil die Richterin alle Umstände berücksichtigt hat und zum Schluss gekommen ist, dass Kopelman unbefangen war.
Kopelman hat in seinem ersten Bericht erwähnt, dass Assange eine Beziehung führt und hat sich aus Gründen der Privatsphäre und Sicherheit dazu entschieden, den Namen nicht zu nennen.
Die Verteidigung führt aus, dass die Bedenken Kopelmans im Kontext der Überwachung der Botschaft sowie der Kidnapping- bzw. Mordpläne durch US-Agenturen menschlich nachvollziehbar waren.
Die Richterin der Vorinstanz hat das Verschweigen des Namens selbst als "menschlich nachvollziehbar" bezeichnet.
Assange hat Kopelman nie darum gebeten, den Namen nicht zu nennen. Er hat diese Entscheidung aus ethischen Gründen selbst getroffen.
Fitzgerald verweist nun auf die yahoo-Veröffentlichungen, die besagen, dass auf höchster US-Regierungsebene Mordpläne gegen Assange geschmiedet wurden. Diese Vorwürfe wurden nicht zurückgewiesen: news.yahoo.com/pompeo-sources…
Fitzgerald beschäftigt sich nun damit, dass die Anklage fordert, dass die Richterin in der ersten Instanz den Experten der Anklage mehr Gewicht hätte geben müssen.
Die Verteidigung führt an, dass die Richterin sehr starke Argumente angebracht hat, wieso sie der Einschätzung der Experten der Verteidigung gefolgt ist. Auch Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
Fitzgerald verteidigt die Expertise und Unbefangenheit der Gutachter, die gestern von der Anklage scharf angegriffen wurden.
Die Verteidigung greift das Argument an, dass die Suizidrate in Gefängnissen der USA niedriger sei als im UK: In den USA gibt es die siebenfache Anzahl an Inhaftierten, dort werden viele junge Menschen für Kleinigkeiten wie Besitz von Marihuana inhaftiert.
Diese sind dann im Schnitt weniger suizidal.
Eine Stunde Mittagspause.
Die Verhandlung wird nun fortgeführt.
Fitzgerald schließt seine Argumente zu den medizinischen Gutachten ab. Mark Summers übernimmt für die Verteidigung.
Mark Summers befasst sich mit den diplomatischen Zusicherungen der US-Regierung. Er legt dar, dass diese nicht garantieren, dass Assange im ADX Florence Gefängnis unter SAM inhaftiert wird.
Er hält es auch grundsätzlich für unzulässig, die Zusicherungen an so später Stelle einzubringen.
Summers fragt, wieso es gestattet sein sollte, dass die Anklage nach zwei Jahren den Verfahrensgang ändert, während ein psychisch verletzlicher Mensch in Gewahrsam sitzt.
Die Anklage führt an, dass sie vorher keine Gelegenheit hatte, Zusicherungen einzubringen. Summers weist das zurück, weil sich die Gelegenheit geboten habe als ein Experte in der Vorinstanz das Verhängen von SAM gegen Assange für wahrscheinlich hielt.
Summers verweist nun auf die Erfahrungen mit SAM, die Abu Hamza gemacht hat. (Erinnerung: Ihm wurde einst vorgeworfen, unerlaubt Kontakt mit Dritten aufgenommen zu haben, weil er in einem Brief an seinen Sohn seinen Enkel hat grüßen lassen.)
Summers meint, die Anklage hätte schon früher zusichern lassen können, dass keine SAM verhängt werden und hat das nicht gemacht. Das könnte ein Hinweis auf die Absichten der US-Regierung sein.
Summers geht nun die Experten durch, die über SAM gesprochen haben, um zu verdeutlichen, dass die Anklage zahlreiche Gelegenheiten hatte, Zusicherungen einzubringen.
Er argumentiert nun für den Fall, dass das Gericht das Einbringen der Zusicherungen akzeptiert und führt an, dass die Zusicherungen nicht ausreichen und eine Unterbringung in Isolationshaft nicht ausgeschlossen ist.
Summers spricht nun darüber, dass die CIA Wikileaks wegen der Veröffentlichung der Vault 7 Dokumente als "feindlichen nichtstaatlichen Nachrichtendienst" eingestuft hat. Er erwähnt Berichte, wonach die US-Geheimdienste sich rächen wollten.

de.wikipedia.org/wiki/Vault_7
Summers meint, dass Assange jahrelang in den USA in isolierter Untersuchungshaft sein wird, bevor ihm der Prozess gemacht wird. Ein Richter fragt nach, wieso das jahrelang dauern soll. Summers erinnert daran, dass Experten das in der ersten Instanz gesagt haben.
Er erklärt ausführlich, dass selbst wenn SAM vom Tisch wären, immer noch die Möglichkeit einer administrative segregation (Isolationshaft) bestehe. Diese reicht bereits für das erhöhte Suizidrisiko.
Ähnlich verhält es sich bei der Zusicherung, dass Assange nicht im ADX Florence inhaftiert wird: Er könnte trotzdem im Hochsicherheitsbereich eines anderen Gefängnisses untergebracht werden, in dem die Verhältnisse Isolationshaft gleichkommen.
Es gibt in anderen Gefängnissen bspw. Special Housing Units. Die US-Regierung könnte einen solchen Bereich auch extra für Assange einrichten und ihm eine Behandlung zukommen lassen, die identisch mit der im ADX Florence wäre.
Summers führt an, dass davon auszugehen ist, dass Assange in jedem Fall extremer Isolation ausgesetzt sein wird. Vor dem Verfahren, nach einer Verurteilung oder sogar nach einem Freispruch. Im Zweifelsfall wird er dafür eingesperrt, dass er in einem anderen Fall nicht aussagt.
(Damit spielt Summers auf die Inhaftierung von Chealsea Manning an, die nach ihrer Entlassung in Beugehaft genommen wurde, weil sie nicht zu WikiLeaks aussagen wollte. Sie war länger in Isolationshaft und wurde erst nach einem Suizidversuch freigelassen.)
Es wird ein spanischer Fall diskutiert, bei dem ein spanischer Bürger unter der Bedingung an die USA ausgeliefert wurde, dass er die Strafe zu Hause verbüßen dürfe. Es wurde zugesichert, dass dem Antrag zugestimmt würde. Das Justizministerium hat dann aber den Transfer abgelehnt.
Gerade diskutiert der Lord Chief Justice mit Summers darüber, ob der Fall vergleichbar ist, weil die Zusicherung hier im Fall wohl anders formuliert ist. Summers ist davon überzeugt, dass die US-Regierung hier ähnlich wie im spanischen Fall handeln würde.
Details zum spanischen Fall:
Summers wirft den USA vor, die Zusicherungen genau so zu formulieren, dass sie sich aus diesen herauswinden können. Nach der Auslieferung hat das Gericht dann keine Möglichkeit mehr, die eigene Entscheidung zu korrigieren.
Summers beendet seine Ausführungen und James Lewis übernimmt für die US-Regierung.
Lewis führt an, dass es im Fall Abu Hamza keine diplomatischen Zusicherungen gab. Im Fall Aswat wurden nach Meinung der Anklage alle Zusicherungen eingehalten.
Lewis meint, dass diplomatische Zusicherungen zu jeder Zeit ins Verfahren eingebracht werden können und diese nicht den Gang des Verfahrens verändern.
Er argumentiert nun, wieso die Zusicherungen nicht früher eingebracht wurden.
Lewis erläutert nun die Unterschiede zwischen SAM und Administrative Segregation.
Lewis meint, dass es sich nicht um Isolationshaft handelt, wenn man nach Belieben seine Anwälte treffen kann.
Lewis legt dar, dass die Suizidgefahr durch die Zusicherungen (kein SAM, ADX, Haftverbüßung in Australien) ausgeräumt sei und die USA noch nie eine diplomatische Zusicherung nicht eingehalten haben.
Der Lord Chief Justice sagt zum Abschluss, dass die beiden Seiten ihm viel zum Nachdenken gegeben hätten und dass Zeit brauchen wird, um zu einer Entscheidung zu kommen.
Die Richter verlassen den Saal. Der zweite und letzte Verhandlungstag ist damit beendet.

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More from @dhbln

27 Oct
Gerade beginnt die nächste Runde im #Assange-Verfahren. Die Verhandlung findet in den Royal Courts of Justice im Londoner Zentrum statt. Julian Assange sollte aus dem Belmarsh-Gefängnis zugeschaltet werden.
Die Verteidigung hat aber gerade darum gebeten, Julian Assange aus gesundheitlichen Gründen zu entschuldigen. Er wird heute nicht am Verfahren teilnehmen.
Wenig überraschend führt die US-Anklage an, dass sie die Entscheidung, Assange nicht auszuliefern, für falsch hält und beantragt, den Fall an den District Court zurückzuverweisen.
Read 55 tweets
26 Oct
Morgen geht es beim #Assange-Auslieferungsverfahren in die nächste Runde. Die USA wollen die Entscheidung gegen eine Auslieferung vom Januar kippen. Übermorgen soll über die jüngsten Veröffentlichungen zu US-Mordplänen gegen Assange gesprochen werden.
Yahoo hat berichtet, dass es innerhalb der CIA Überlegungen gab, Julian Assange ermorden zu lassen. Im Ansatz gab es solche Vermutungen bereits während des Verfahrens im September, die neuen Berichte zerstreuen die letzten Zweifel: news.yahoo.com/kidnapping-ass…
Gemeinsam mit @MartinSonneborn werde ich morgen versuchen, einen Platz im Besucherbereich zu bekommen, um die Verhandlung zu verfolgen, reservierte Plätze gibt es leider nicht. Alternativ soll es aber einen Videolink geben.
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19 May
Diese Woche will das Europäische Parlament eine Resolution zu armenischen Kriegsgefangenen in #Aserbaidschan verabschieden. Im Vorfeld hat sich der aserbaidschanische Botschafter, @HasanovR, an einige deutsche Abgeordnete gewandt (nicht an uns 🤗).
Er verkündet, dass Aserbaidschan mit der Renovierung „der alten albanischen Gazantschi-Kirche“ begonnen habe.

Hier sind zwei Punkte besonders interessant: Wieso wird die Kirche renoviert und warum nennt er sie albanisch?
Aserbaidschan hat die Ghasantschezoz-Kathedrale, wie sie genannt wird, während des Krieges mit zwei Präzisionsschlägen angegriffen (sog. Double-Tap-Strike). Beim zweiten Angriff wurden Journalisten schwer verletzt, die die Schäden des ersten Angriffes dokumentiert haben.
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19 Apr
UN-Sonderberichterstatter für Folter @NilsMelzer berichtet, dass er dem Auswärtigen Amt von Menschenrechtsverletzungen im Fall #Assange berichten wollte. Dort hat man sich geweigert, seine Berichte zu lesen und stattdessen behauptet, das Engagement würde seinem Mandat schaden.
Ein Jahr später wurde das AA im Rahmen der berechtigten Kritik im Umgang mit Nawalny auch zu Assange befragt.

Anwort: Zu Menschenrechtsverletzungen im Fall #Assange lägen dem AA keine Anhaltspunkte vor.
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18 Apr
In Rheinland-Pfalz werden lebensgefährliche Taser nach Gefühl benutzt, auch wenn nicht klar ist, ob jemand angreifen will oder nicht.

Diese Waffe wurde dort eingeführt, obwohl in der Erprobungsphase eine Person beim Einsatz eines Tasers umgekommen ist.

#Polizeiproblem
Mehrere Beamte mit Schutzausrüstung strecken nun eine unbewaffnete Person mit einem Taser nieder. Der Mann war vorher beleidigend.

Die Beamten beweisen, dass sie nicht dazu in der Lage sind, solche Werkzeuge verantwortungsvoll einzusetzen.

amnesty-polizei.de/toter-nach-tas…
Die vollkommen unkritische Berichterstattung des @SWRpresse ist erschreckend.

Der Beitrag könnte ein Werbefilm einer Polizei“gewerkschaft“ sein.

Sogar Propaganda für den vollkommen unsinnigen und gefährlichen §114 StGB fehlt nicht.

via @philippkruiger (ganzer SWR-Beitrag)
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17 Apr
Der Pressesprecher der Heydər-Əliyev-Universität zu Berlin informiert:

Frau Prof. Auch betreibt ihre Propaganda für das autokratische #Aserbaidschan lediglich als friendensbildende Maßnahme.🤗
Ein paar Fragen bleiben aber, liebe @HumboldtUni:
1) Haben Sie bereits rechtliche Schritte gegen die Medien unternommen, die angeblich Zitate verfälscht haben?

2) Wieso hat Frau Auch den Besuch des menschenverachtenden Trophäenparks nicht abgebrochen?
3) Wieso halten Sie angemessen, einen "Friedensdialog" von der Seite aus zu starten, die einen brutalen Krieg entfesselt hat, der tausende Menschenleben gekostet hat und darauf auch noch stolz ist?
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