In China selbst brachte dieser Moment einen seltenen
Prozess des Fragens und Lernens an der Gesellschaft in Gang. Die Epidemie infizierte über 96.000 Menschen sofort (nach relativ konservativen Schätzungen),[10]
erschütterte jedoch den kapitalistischen Alltag von 1,4 Millionen, gefangen in einem Augenblick der prekären Selbstreflexion. Dieser Moment voller Befürchtungen brachte jeden dazu, sich tiefgehende Fragen zu stellen:
Was wird mit mir geschehen? Was meinen Kindern, meiner Familie, meinen Freunden? Werden wir genug zu Essen haben? Werde ich meinen Lohn bekommen? Werde ich die Miete bekommen? Wer ist für all das verantwortlich? Seltsamerweise hat die subjektive
Erfahrung etwas von einem Massenstreik - aber einer, der, in seinem un-spontanen top-down Charakter, und besonders in seiner unfreiwilligen Hyper-Atomisierung, die basalen Rätsel unserer eigenen geknebelten politischen Gegenwart aufzeigt, so klar, wie die
wirklichen Massenstreiks des vorangegangene Jahrhunderts die Widersprüche ihrer Ära erhellten. Die Quarantäne nun ist wie ein Streik, ausgehöhlt von lokalen Eigentümlichkeiten, aber nichtsdestotrotz in der Lage, beiden, Psyche und Ökonomie einen tiefen
Schock zu versetzen. Diese Tatsache allein macht ihn einer Reflexion wert.
Selbstverständlich, die Spekulation des bevorstehenden Falls der KPCh ist durchschaubar Unsinn, eine der liebsten Zeitvertreibe von _New Yorker_ und _The Economist_. Inzwischen stellte sich die übliche Routine der medialen Auschlussverfahren ein, in denen offen
rassistische Massenmedien-Meinungsmache im Stil des Ausverkaufs von einem Artikelschwarm auf Web-Plattformen gekontert wurden, die gegen Orientalismus und andere Facetten von Ideologie polemisierten. Aber diese Diskussion verlief fast vollständig auf deskriptivem
Level – bestenfalls wurden die die Politik der Maßnahmen und die ökonomische Konsequenzen der Epidemie angesprochen – ohne jedoch die Fragen, wie solche Krankheiten überhaupt _gemacht_ werden, zu erörtern, was auch kaum publiziert wurde. Allein, auch
das reicht nicht hin. Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Unterrichtstunden in einfachem "Scooby-Doo"-Marxismus, der dem Bösewicht die Maske herunterzieht, um bloßzulegen, dass, ja sicher, es der Kapitalismus war, der das Coronavirus die ganze Zeit
verursacht hatte! Das wäre nicht besser als fremde Kommentatoren, die den Regimewechsel erschnüffeln. Gewiss, der Kapitalismus ist schuld – aber wie genau interagiert die sozio-ökonomische Sphäre mit der biologischen und welche Schlüsse sollten wir
aus all den Widerfarungen ziehen?
[10] John Hopkins University Coronavirus Resource Center, Jan. 4, 2021.
Notiz zum Futurismus von Peter Frase*: Die Stelle "And if automation fails, the rentist elite can colonize our leisure time in order to extract free labor. Facebook already relies on its users to create content for free (...)"
* ; )
[1], sitzt der These auf, Produktion von etwas ("Content") sei wie Lohnarbeit kapitalproduktiv. Warum ist Lohnarbeit kapitalproduktiv (vgl. Christian Fuchs u.a.), Facebook- und Prosumer-Arbeit aber nicht, und warum ist diese Frage für Ökoscifi interessant
(#Oekoscifi)?
[1] https: // jacobinmag . com /2011/12/four-futures/
Für Lohn gekaufte menschliche Arbeit zahlt Lohn für die Reproduktion des vorgeschossenen Kapitals im Produktionsprozess. Nur variables Kapital (darum sind "wir" das "Kapital" (vgl. Timo Daums
und anderes Material zum mikrobiologischen Klassenkampf in China
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch WRKSHP, 2021
In diesem Sinne zeigt der Ausbruch zwei Möglichkeiten
der Reflektion auf: Erstens stellt er eine lehrreiche Öffnung dar, mit der wir möglicherweise substanzielle Fragen über das Verhältnis der kapitalistischen Produktion zur nicht-menschlichen Welt auf grundsätzlicher Ebene durchgehen können – kurz, dass
die "natürliche Welt", ihre mikrobiologischen Substrate inbegriffen, ohne Bezug zur Frage, wie die Gesellschaft Produktion (denn tatsächlich sind beide nicht getrennt voneinander) organisiert, nicht verstanden werden kann.
und anderes Material zum mikrobiologischen Klassenkampf in China
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von WRKSHP, 2021
Ein Auszug:
Der evolutionäre Dampfkochtopf kapitalistischer Agrikultur und Urbanisierung. Er bietet das ideale Medium, in dem zunehmend verheerendere Seuchen enstehen, transformiert, in zoonotische Übersprünge induziert und dann aggressiv durch die Bevölkerung verlaufend.
Dazu kommen ähnlich intensive, an den Rändern der Ökonomie auftretende Prozesse, wo "wilde" Züchtungen von Menschen* angetroffen werden, die immerfort in das extensive agroökonomische Eindringen in lokale
* Anm.: Züchtungen durch Menschen.
Diese allgemeine Form des Kapitals, die Aristoteles in der Analyse des Kaufmanns- und Wucherkapitals entdeckt hatte und die dann von den Merkantilisten mit Hochschätzung versehen wurde, lautet: Geld – Ware – Mehrgeld (Der Kaufmann schießt Geld vor, kauft damit
Waren, die er zu einem höheren Preis verkauft) oder für das Zinsgeschäft: Geld – Mehrgeld, d.h. Geld, das nach Ende der Leihfrist vergrößert (Zins) zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Unsere heutige Welt ist dadurch gekennzeichnet, dass diese Kapitalform die Produktion
einschließt, das Kapital also auch die Quellen des Reichtums (Natur und Arbeit) beherrscht und für sich nutzbar macht. Die gekaufte, sich in der Produktion betätigende Arbeitskraft ist die Quelle des