Leute, es wird ernst! Der Jahreshöhepunkt steht bevor! Am 22.12. wird Wissenschaftsgeschichte geschrieben: Das James Webb Telescope verlässt die Erde. Welche Bilder es zurückfunken wird, weiß noch niemand. Aber zu erwarten ist: Es wird großartig und revolutionär. (Thread)
Lange Zeit konnte man Bilder vom Weltraum nur von der Erde aus aufnehmen - da ist aber die störende Atmosphäre im Weg. Viel besser ist, ein Teleskop im All zu platzieren, wie etwa das berühmte Hubble-Teleskop.
Das James Webb Teleskop unterscheidet sich von Hubble aber deutlich. Wichtig: James Webb ist auf den Infrarotbereich spezialisiert, also auf Licht mit großer Wellenlänge, das unsere Augen nicht wahrnehmen können.
Das hat mehrere Vorteile. Erstens: Das Universum dehnt sich aus. Je weiter Galaxien von uns entfernt sind, umso schneller entfernen sie sich von uns. Daher entsteht der berühmte Dopplereffekt:
Lichtwellen, die uns von dort erreichen, haben nicht mehr ihre Original-Wellenlänge, sondern eine größere. Man sagt, sie sind "rotverschoben", weil rot eine größere Wellenlänge hat als andere Farben.
Eigentlich müsste man "infrarotverschoben" sagen, weil die Verschiebung bis weit in den Wellenlängenbereich geht, der für uns unsichtbar ist. Und genau in diesem Infrarotbereich wird James Webb Bilder aufnehmen.
Man kann also extrem weit entfernte, extrem rotverschobene Galaxien abbilden, die für andere Teleskope unsichtbar sind - und das ermöglicht gleichzeitig auch einen Blick in die Vergangenheit: Dieses Licht entstand, als das Universum noch ganz jung war.
Es gibt aber auch noch einen zweiten wichtigen Vorteil, der dafür sprach, das James Webb Teleskop speziell für Infrarotstrahlung zu optimieren: Es ermöglicht einen Blick auf die Chemie ferner Objekte:
Verschiedene Moleküle können verschiedene Schwingungen ausführen: Die Atome können vibrieren oder rotieren. Und zu all diesen Bewegungen gehören ganz bestimmte Schwingungsenergien, die man quantenphysikalisch ausrechnen kann.
Genau diese Energien können von diesen Molekülen dann gut absorbiert werden. Wenn also eine Wolke aus diesen Molekülen zwischen uns und einem Stern schwebt, dann wird die Wolke aus dem Sternenlicht genau jene Wellenlängen herausfiltern, die diesen Energien entsprechen.
Daran kann man also z.B. die Zusammensetzung von galaktischen Gas- oder Staubansammlungen studieren, bloß indem man das Sternenlicht untersucht. Und diese charakteristischen Wellenlängen sind besonders oft im Infrarotbereich zu finden.
Und genau mit derselben Technik wird man sogar die Atmosphäre ferner Planeten studieren: Wenn sich ein Planet zwischen uns und seinem Stern befindet, durchdringt das Sternenlicht seine Atmosphäre, bevor es zu uns gelangt.
Indem wir untersuchen, welche Wellenlängen des Sternenlichts fehlen (also in der Atmosphäre herausgefiltert worden sein müssen) können wir herausfinden, welche Moleküle es dort in der Atmosphäre gibt.
Besonders spannend wäre es, wenn man so eine Kombination von Molekülen finden würde, die eigentlich instabil ist, die nur von andauernden komplexen chemischen Prozessen aufrecht erhalten werden kann. Das wäre ein starkes Indiz auf Leben auf diesem Planeten.
Es kann also sein, dass die Infrarotstrahlung, aufgenommen vom James Webb Teleskop, nicht nur Rätsel um die Entstehung des Universums löst, sondern auch die ersten Indizien auf außerirdisches Leben liefert. Man darf jedenfalls gespannt sein - ich freue mich sehr darauf!

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14 Dec
Das James Webb Weltraumteleskop startet! Einer der Gründe, warum es sich um ein atemberaubend verrücktes Projekt handelt: Das Teleskop wird NICHT die Erde umkreisen. Es wird im sogenannten "Lagrangepunkt L2" geparkt.
Ein Thread über eine himmelsmechanische Besonderheit.
Wir Menschen haben ziemlich viel Erfahrung darin, Objekte im Erdorbit unterzubringen. Wettersatelliten etwa, die ISS oder auch das gute alte Hubble-Weltraumteleskop. Wenn man damit den Himmel fotografieren möchte, hat man aber ein Problem: Oft sind Sonne, Erde oder Mond im Weg.
Wenn man weit entfernte, schwach leuchtende Objekte abbilden möchte, ist es natürlich schlecht, wenn sie von Sonne, Erde oder Mond überstrahlt werden. Für das Webb-Teleskop hat man sich daher etwas anderes überlegt: Es kreist nicht um die Erde, sondern um die Sonne.
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12 Dec
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Es tut mir einfach weh, welche Dummheit hier den verantwortlichen Experten unterstellt wird. Wie kann man glauben, dass der Gedanke für sie neu ist? Einem Automechaniker erklärt man doch auch nicht, dass der Motor nur funktioniert, wenn er Treibstoff hat.
Ja, das COVID-Risiko bei Kindern ist klein. Aber es ist nicht null. (Und über Long-Covid-Risiko wissen wir noch wenig.) Die Impfung ist auch nicht ohne Risiko- aber das Risiko ist extrem klein. Diese beiden Risiken werden abgewogen: COVID-Risiko ist größer -> Impfempfehlung.
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26 Nov
Was weiß man über die neue Corona-Variante #B11529 und was nicht? 🧵 1) Sie verdrängt in Südafrika gerade die vorherrschende Delta-Variante, und zwar extrem schnell. Das spricht dafür, dass sie deutlich ansteckender ist.
Wichtige Frage: Ist sie auch ansteckend, wenn man geimpft oder genesen ist? Das kann man aus den steigenden Zahlen in Südafrika nicht unbedingt ableiten. Die Impfquote ist dort niedrig. Bis man das sicher weiß, wird noch einige Zeit vergehen.
Die Möglichkeit, dass bisherige Antikörper schlechter gegen die neue Variante wirken, ist gegeben: Das Spike-Protein, das die Antikörper angreifen, sieht bei der neuen Variante anders aus als bei bisherigen: Es gibt mehrere Mutationen. Was das aber heißt, weiß man noch nicht.
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21 Nov
"In Zukunft müssen wir viel härter mit antiwissenschaftlichen, esoterischen oder alternativmedizinischen Aussagen umgehen!"
Das höre ich jetzt oft, und es ist nicht falsch. Wir müssen hier aber vorsichtig sein, glaube ich. Ein Thread über die "Spaltung der Gesellschaft".
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17 Nov
Gestern verbreitete @SHomburg einen Blogartikel von 2 Statistikern, die beschrieben, dass die Wirksamkeit der Impfung bloß ein statistisches Artefakt sein kann. Nein, ist sie nicht. Aber sehen wir uns das Argument mal an. (Thread)
Zunächst: Ich verlinke hier zum Blogartikel, sage aber dazu: Ich finde ihn extrem schlecht. Alleine schon die Art der Datenaufbereitung ist haarsträubend. Bei einem Modellierungs-Seminar an der Uni würde das für Entsetzen sorgen. probabilityandlaw.blogspot.com/2021/11/is-vac…
Warum nur so wenige Zeilen? Warum diese Rundungsfehler, die dazu führen, dass die Linie verwirrend zittrig aussieht? Aber egal. Auch wenn es schlecht aufbereitet ist, kann die Aussage ja stimmen- hässliche Daten sind kein Argument. Man kann es ja selber hübscher darstellen.
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15 Nov
Ich bin immer noch gegen eine allgemeine Impfpflicht. Klar: Starke Einschränkungen für Ungeimpfte sind unvermeidlich. Aber allen Menschen eine Impfung unter Strafandrohung vorzuschreiben halte ich derzeit für höchst problematisch. (Thread)
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