Aus aktuellem Anlass ein Thread 🧵 zum Epstein-Barr-Virus. ⬇️
Ich bin keine Virologin, aber wie ihr gleich sehen werdet, spielt das Virus in einigen Erkrankungen eine Rolle, die man nicht sofort mit Viren in Verbindung bringen würde.
Seit einigen Tagen geht durch die Medien, dass womöglich die Ursache (oder eine der Ursachen) von MS (#MultipleSklerose) identifiziert wurde. Die These, dass das Epstein-Barr Virus (#EBV) eine Rolle spielen könnte, ist dabei nicht neu, wohl aber das hervorragende experimentelle
Design der Studie (science.org/doi/10.1126/sc…), die über 20 Jahre lange mehr als 10 Mio U.S. Militärangehörige prospektiv beobachtete und bei den knapp 1000 im Laufe der Dienstzeit aufgetretenen Fälle ein mehr als 30-fach erhöhtes Risiko fand, wenn die Erkrankten EBV
Träger waren. Das Design lässt daher zu, nicht nur auf einen Zusammenhang zu schließen, sondern sogar auf ein Ursache-Wirkungsverhältnis.
Ich würde die Studie gerne im Detail diskutieren, leider konnte ich diese am Fr auf der Arbeit zwar öffnen, aber diese dann am Sa zuhause
trotz VPN nicht mehr lesen. Leider ist es bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen generell so, dass entweder die AutorInnen
den Verlag für die Veröffentlichung bezahlen, oder die Forschungseinrichtungen/Unis das Journal abonnieren müssen, sonst muss man die Artikel für viel
Geld einzeln kaufen. Bei Sars-CoV2 wurde diese Policy von den Journals ausgesetzt. Mehr dazu unter projekt-deal.de/aktuelles/.
@Chr_Schoeps wollte aber, soweit ich weiß, zum Science Paper einen Blogbeitrag erstellen, der sicher wie immer lesenswert sein wird.
Das EBV ist den meisten sicherlich als Ursache der infektiösen Mononukleose bekannt, auch Pfeiffersches Drüsenfieber oder Kissing Disease genannt, weil diese häufig bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftritt und das Virus durch Küssen übertragen werden kann. Die Betroffenen
können sehr starke Symptome entwickeln. Gefürchtet sind auch postvirale Symptome bei etwa 10%, wie chronische Fatique, was kürzlich das EBV auch als Ursache für Long Covid (im Zusammenhang mit einer Reaktivierung) ins Gespräch brachte (ncbi.nlm.nih.gov/labs/pmc/artic…).
Die Evidenz dafür ist jedoch noch sehr niedrig.
Interessant ist das Virus zudem, weil es unfassbar weit verbreitet ist. Mehr als 90% der Menschen infizieren sich im Laufe des Lebens, etwa die Hälfte vor dem 6. Lebensjahr durch Küssen der Eltern.
EBV ist ein DNA Virus und kann
die andere Herpes Viren, sowohl als kreisförmige DNA innerhalb des Zellkerns persistieren, als auch direkt in die menschliche DNA integrieren.
EBV verursacht aber nicht nur akute und chronische virale Infektionen, es ist auch eine Ursache für viele Krebserkrankungen. Etwa
150.000 krebsassoziierte Todesfälle gehen jährlich auf das Konto von EBV (bmjopen.bmj.com/content/10/8/e…). Ingesamt sind etwa 1% der Krebserkrankungen mit EBV assoziiert, vor allem bestimmte Blutkrebsarten und Krebs in Rachen und Magen.
Wenn das Virus in die menschliche DNA integriert, dann passiert das nicht zufällig. Es integriert in Gen-arme, instabile chromosomale Regionen. Zusammen mit bestimmten Viruseiweißen verursacht das zusätzliche chromosomale Instabilität.
Zudem können Regionen betroffen sein,
in denen Gene liegen, die mit Immunzellaktivierung und Teilung oder mit Tumorsuppression (ja, es gibt Gene, die einer Krebsentstehung entgegen wirken) zusammenhängen (Details hier ncbi.nlm.nih.gov/labs/pmc/artic…).
Was passiert dann? Da viele Blutkrebsarten dadurch charakterisiert sind,
dass ein Gen, dass die Zellteilung fördert durch eine Art Chromosomen-Neukombination an eine Stelle gelangt, wo es besonders stark aktiviert wird und diese Aktivierung der sogenannten Onkogene eigentlich von Mechanismen der Zellen, die durch die Tumorsuppressoren gesteuert
werden, aufgehalten werden können, fällt der Kontrollmechanismus EBV-bedingt aus. Somit kann sich eine (in diesem Falle B-Zelle) unkontrolliert teilen und zu Krebs führen.
Was man schön sehen kann: Viren interagieren mit Schnittstellen der zellulären Regulation, weshalb
niemand, der sich wissenschaftlich mit diesen auseinander setzt, komplett ohne Grundkenntnisse über Viren auskommt. Das relativiert ein wenig die Frage, ob nur jemand der virologisches Spezialwissen hat, die Biologie einer Viruserkrankung verstehen kann.
Letztlich virologisch
ist die Frage, warum es nach 40 Jahren immer noch keinen Impfstoff gibt, der vor einer Erstinfektion schützt, angesichts der massiven Schäden, die EBV in der öffentlichen Gesundheit anrichtet.
In der einzigen bisherigen klinischen Phase 2 Studie konnte für einen Impfstoff zur
Immunisierung gegen ein Oberflächeneiweiß nur ein Effekt gegen die Mononukleose erzeugt werden, nicht gegen Infektion selbst (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18190254/).
Da zwischen Infektion und Tumorentstehung Jahrzehnte liegen, sind klinische Studien
schwierig, weil diese immer einen Endpunkt haben müssen. Ein passendes Tiermodell jenseits von Nicht-Primaten gibt es aktuell nicht. Zudem wäre der Impfstoff im Kindesalter zu geben, um, ähnlich wie bei HPV eine Erstinfektion zu verhindern, dabei ergäben sich entsprechende
Schwierigkeiten bei der Rekrutierung für höhere klinische Phasen, die aber nicht unlösbar sind.
Im Januar startet nun die erste Phase 1 Studie mit einem mRNA Impfstoff von Moderna (clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT05…), der 4 Zieleiweiße von EBV umfasst.
Ich bin gespannt auf die Ergebnisse, denn eine präventive Impfung gegen EBV könnte eine sehr wirksame Waffe sein, nicht nur gegen sehr schwere akute und chronische EBV Infektion, sondern auch gegen einige sehr aggressive Krebsformen, die wir z.T. immer noch nicht gut behandeln
können und offenbar auch gegen MS.
Vielleicht ist es eine der wenigen positiven Folgen der #COVID19 Pandemie, dass wir sehr schnell sehr viele Daten zu einer neuen, relativ leicht modifizierenbaren Impfstofftechnologie gewinnen konnten, die uns nicht nur vor COVID19 schützt,
sondern mittelfristig auch Impfstoffen gegen andere schwere Erkrankungen einen technologischen Booster bereitet hat.
Wie immer: ich schreibe nach bestem Wissen und Gewissen, Fehler können passieren, daher macht mich gerne freundlich darauf aufmerksam wenn ihr welche entdeckt.
Nachtrag:
Die krebserzeugende Wirkung von EBV basiert weitestgehend auf den viralen Proteinen und nicht-kodierenden RNAs (die RNA selbst hat dann eine Funktion, es wird daraus kein Eiweiß gebildet). Diese interagieren dann mit Tumorsuppressoren und deren Bildung und der Zell-
teilungsmaschinerie.
Dabei ist gar nicht so relevant, ob EBV nun (in seltenen Fällen?) in die humane DNA integriert oder nicht, wie gerade mit @beatesodeik erörtert.
Ich habe das Gefühl, ich gehöre der peinlichsten Generation ever an:
die der wohlstandsverwahrlosten, hippen Moralisten.
Diese Generation hat es nicht geschafft, nennenswert gegen Studiengebühren auf die Straße zu gehen, oder gegen rechte Umtriebe, aber ist sich über einem
Gin Tonic mit Gojibeeren darüber einig, dass der NSU ne schlimme Sache war.
Mittlerweile fährt man mit dem SUV zum Biomarkt, um Avocados und Wintererdbeeren zu kaufen und spendet einmal im Jahr mobil per Smartphone nen Fuffie in den globalen Süden.
Natürlich schaffen Florian
und Sabine aus Prenzlauer Berg, den Wechselunterricht mit ihrer 40% Stelle zu stemmen, aber hey, das ist schon echt schwer, weil gerade 2G-bedingt die polnische Putzfrau nicht einreisen kann.
Und jetzt hat die @SZ, das Vorzeigeblatt der mittelalten Bürgerlichkeit, auch ganz
Jetzt wird’s wirklich peinlich. Der „Blogger“ @Ostprog muss ja wirklich viel glauben, wenn er meint, dass es „glaubhaft“ ist, dass eine diplomierte Frau so etwas wirklich sagt (und das nicht scherzhaft). Ich kenne Heike lange genug um zu wissen, dass sich hier jemand
völlig verrannt hat in seinem Wunsch, etwas mehr zu finden, als einen Fehler, für den sich die Ini schon vor längerer Zeit entschuldigt hat.
Wer bezahlt eigentlich diese „Journalisten“ die angeblich viele Stunden Recherche betreiben, um einer Elterninitiative zu schaden, die
sich für die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern in der Pandemie einsetzt?
Ich bin keine Politikwissenschaftlerin und möglicherweise sehe ich das alles aus einer oberflächlich-naiven Sicht, aber kann es sein, dass sich rechte und linke Narrative in dieser Pandemie umgekehrt haben?
Linke
- fordern einen harten Staat
- gewichten Sicherheit höher als
Freiheit
- stellen den Schutz von Kindern in den Vordergrund, ein Narrativ der sonst massiv von Rechten gespielt wird
- rufen zu Denunzierung auf
- lassen sich freiwillig überwachen und es gibt keinen Aufschrei wenn die Polizei auf Nachverfolgungsdaten zugreift
- Bildung und
Partizipation vor allem nicht-privilegierter Menschen wird geopfert
- Einschränkung von Mobilität wird hin genommen
- Homeoffice zu Bedingungen, die Gewerkschaften früher niemals akzeptiert hätten, läuft seit zwei Jahren ohne Kritik an den Bedingungen
- Meinungspluralismus wird
Ich bin in den letzten Tagen dazu übergegangen, die Kommentarfunktion zu meinen Tweets vermehrt auszustellen.
Ich äußere mich kritisch zu Pandemiethemen, aber ich stehe dahinter, dass wir (derzeit) Pandemiebekämpfungsmassnahmen brauchen, dass Impfungen
schützen und dass Medizin und Maßnahmen auf wissenschaftlicher Evidenz aufgebaut sein müssen.
Wenn ich einzelne Maßnahmen oder Personen kritisiere, oder auch für eine Impfpflicht eintrete, bedeutet das nicht, dass ich mich auf „irgendeine Seite“ schlage und deshalb irgendwelche
vermuteten Positionen „gleich mit“ vertrete.
Ich versuche, in meinen Aussagen meine Kritikpunkte sehr genau zu differenzieren und möchte nicht von einer generellen Position vereinnahmt werden.
Wenn dann aber unter meinen Posts wahlweise harte Coronaleugnerkommentare oder
Laut @welt haben für @Karl_Lauterbach#Coronaleugner „jedes Maß und Ziel verloren.“ Beim Maß stimmen wir sicher überein. Ziele kann ich durchaus erkennen, auch wenn ich sie nicht teile.
Was mir bei diesem Satz aber fehlt und warum er mir aufstößt, ist die fehlende Reflexion
darüber, dass die Bundespolitik bei den Maßnahmen selbst Maß und Ziel verloren hat. Mit Kanonen zu schießen mag in einer Pandemie durchaus auch an einigen Stellen Sinn machen. Aber spätestens mit dem Beschluss Inzidenz-unabhängiger (!) #2G Maßnahmen gestern wird eine weitere
#RoteLinie überschritten.
Ich weiß, @OlafScholz hat sie längst abgeschafft, aber Rote Linien unterscheiden uns eben von stereotypen Bananenrepubliken. #Inzidenzunabhängig 2G Einzuführen ist besonders daher absurd, da die Inzidenz als Maßstab eigentlich ohnehin abgeschafft sein
Ich mag nicht mehr über den politisch-gesellschaftlichen Umgang mit Covid diskutieren. Ich habe das Gefühl, seit 22 Monaten tauschen wir trotz medizinischem Fortschritt, trotz viel mehr Wissen, trotz Impfung, Masken, Tests exakt die gleichen Argumente aus. Nur immer mehr in einen
autoritären politischen Bereich verschoben & mit zunehmend Tabubrüchen auf beiden Seiten, manche so heftig, dass man
dazu gar nichts Adhäquates erwidern kann (und will), das über „ernsthaft?“ hinaus geht.
Es ist frustrierend, dass valide Argumente und Strategien als
„unsagbar“ geframt werden, anstatt sie inhaltlich in einer respektvollen Diskussion zu erörtern.
Und während sich die Faschos radikalisieren, weil man sie lässt,