/1 Hier mein Problem mit den vorgesehenen Änderungen des #Infektionsschutzgesetzes (welt.de/bin/INESCGeset…). Eine konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage ab der weiterführende Maßnahmen ergriffen werden, soll nach dem Entwurf u.a. dann bestehen,...
/2 ...wenn aufgrund einer besonders hohen Anzahl von Neuinfektionen oder einem besonders starken Anstieg an Neuinfektionen eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten in der jeweiligen Gebietskörperschaft droht (§ 28a Abs. 8 IfSG-E).
/3 Was darunter konkret zu verstehen ist, wird im Entwurf nicht weiter ausgeführt (vgl. S. 21). @Karl_Lauterbach führte dazu aus, dass konkrete Schwellenwerte nicht zielführend sind, sondern es einer Gesamtbetrachtung bedarf.
/4 Damit hat er soweit recht. Womit er dann nicht recht hat, dass die Länder kluge Entscheidungen treffen können.
/5 Die Gerichte haben mehrfach beanstandet, dass die eingesetzten Kennzahlen und Grenzen keinen Sinn machten.
/6 So z.B. der OVG Lüneburg der beanstandet hatte, dass die Berechnung des Indikators "Intensivbetten" in Niedersachsen nicht nachvollziehbar war (vgl. Beschl. v. 08.12.2021 - 13 MN 463/21 -, Rn. 20 ff., rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal…).
/7 Der OVG Greifswald bemängelte, dass in Mecklenburg-Vorpommern das Gewichtungskriterium der „ITS-Auslastung“ fehlerhaft festgelegt wurde (vgl. Beschl. v. 07.01.2022 - 1 KM 661/21 OVG -, S. 15 ff., mv-justiz.de/serviceassiste…).
/8 Deshalb ist auch die Bewertung von @MarcoBuschmann, dass die genannten Kriterien sehr klar seinen, um zu angemessenen Entscheidungen zu gelangen, sehr optimistisch.
/9 Was soll eine besonders Hohe Anzahl an Infektionen sein? Was soll ein besonders starken Anstieg an Neuinfektionen sein? Was ist unter einer Überlastung der Krankenhauskapazitäten zu verstehen?
/10 Die ersten beiden Fragen dürfen dann die Gerichte beantworten, die dann erwartungsgemäß in Hauptsacheverfahren flüchten werden und den Universaljoker "Entscheidungsspielraum" ziehen werden. Eine Antwort auf die dritte Fragen werden sie wahrscheinlich nicht mal versuchen zu ge
/11 Dabei ist diese Frage nicht trivial (vgl. Leisner-Egensperger, JZ 2021, 913 (920)):
/12 Die Konkretisierung der Annahme einer drohenden Überforderung ist offensichtlich die Aufgabe des Gesetzgebers. Das wurde bisher unterlassen und zu erwarten ist, dass das hier auch so bleibt.
/13 Zwar ist die Festlegung starrer Grenzen unsinnig und kontraproduktiv, doch hier hätte man sich mehr mit den bisher gelernten aus zwei Jahren Pandemiebekämpfung auseinandersetzen müssen. Welche Indikatoren sind geeignet? Wie ist die Datenlage? Müsste sie verbessert werden?
/14 Das sind alles Fragen, denen hier ausgewichen wird und stattdessen weiter den Ländern einen Blankocheck ausstellt. Das sind auch Fragen, die man auch nicht so einfach den Länderparlamenten überlassen darf (vgl. Brocker, NVwZ 2020, 1485 (1488)):
/15 "Es reicht nicht aus, dass „irgendein“ Parlament ein hinreichend bestimmtes Gesetz erlässt, sondern es muss auch das zuständige Parlament sein. Dies ist im Kontext des IfSG und im Lichte von Art. 74 I Nr. 19 GG allein der Deutsche Bundestag."
/16 Noch krasser wird es beim anderen Kriterium der "signifikant höheren Pathogenität", welches nach Auffassung von @MarcoBuschmann schnell und einfach festzustellen ist.
/17 Gerade aus der Diskussion um den #Genesenenstatus hätte man seine Lehren ziehen können. Es wurde bspw. bemängelt, dass das VG Osnabrück eine Bewertung der wissenschaftlichen Grundlagen vorgenommen hatte.
/18 Wenn man seine Annahmen auf dürftige vorläufige Erkenntnisse stellt macht man sich angreifbar. Hier müsste der Gesetzgeber vorgeben unter welchen Bedingungen vertretbar von den vorliegen einer "signifikant höheren Pathogenität" ausgegangen werden kann.
/19 Auch die Tatsache, dass die Hotspotreglungen bei einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems ergriffen werden dürfen, führt indirekt zu dem Schluss, dass die sogenannten Basisschutzmaßnahmen gerade nicht mehr zu diesem Zweck ergriffen werden in Zukunft.
/20 Vielmehr zur Minimierung allgemeiner Lebensrisiken (vgl. Entwurf S. 14), welche mittlerweile als sozialadäquat anzusehen sind.
/21 Der Entwurf ist das Ergebnis einer überstürzten Reaktion auf ein lange im Vorfeld bekanntes Problem. Durch die nicht mehr nachvollziehbare Eile mit der das ganze im Bundestag behandelt werden soll, ist auch nicht mit einer Behebung der Mängel zu rechnen.
/22 Diese Novellierung des IfSG bleibt insgesamt erheblich hinter dem zurück, was man angesichts der Dauer und Intensität der bisherigen Grundrechtsbeschränkungen für eine Vielzahl Betroffener hätte erwartet werden dürfen (vgl. Eibenstein, S. 858 ff., beckassets.blob.core.windows.net/productattachm…).
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/2 Zunächst behauptet die AfD es würde ein Zweiklassensystem entstehen, weil einige Ihrer Abgeordnete auf der Tribüne Platz nehmen müssen. Dem folgt das BVerfG nicht. Da alle Abgeordneten gleichermaßen von der Regelung betroffen sind (Rn. 46)
/3 Dann bemängelt die AfD in nicht nachvollziehbarer Weise eine Fehlinterpretationen verfassungsrechtlicher Maßstäbe durch die Regelung (Rn. 52).
/1 Eine Entscheidung des @BVerfG in Zusammenhang mit den Corona Maßnahmen, die immer mehr negative Beachtung bekommt, ist das Ablehnungsgesuch von @nhaerting gegen Präsident #Harbarth und Richterin Baer im Verfahren zur Bundesnotbremse (B. v. 12.10.2022 - 1 BvR 781/21 -).
/2 Es ging dabei um das Thema "Entscheidungen unter Unsicherheit", welches auf den Wunsch von Harbarth auf die Tagesliste bei einem Abendessen zwischen dem Gericht und der Bundesregierung gesetzt wurde.
/3 Die damalige Justiz- und heutige Verteidigungsministerin Lambrecht hielt dazu einen Vortrag (welt.de/bin/Rede_Lambr…). Ebenfalls einen Vortrag unbekannten Inhalts hielt Richterin Baer. Im Vorfeld gab es Bedenken der Bundesregierung gegen die Wahl dieses Themas:
/1 Stephan #Harbarth hat einen interessanten Aufsatz in der @JuristenZeitung veröffentlicht (JZ 2022, S. 157 - 162, mohrsiebeck.com/artikel/empiri…), unter dem Titel "Empirieprägung von Verfassungsrecht" geht es um Verarbeitung von Wissen vom BVerfG und der Politik.
/2 Als Beispiel dient der Klimaschutzbeschluss (BVerfGE 157, S. 30 - 177, bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Ent…), die Entscheidungen zur Bundesnotbremse, konnten wohl nicht so gut als Beispiel dienen. So führt er u.a. aus (JZ 2022, S. 158):
/3 "[...] Grundrechte schützen vor realen Gefahren für Freiheit und Gleichheit. Die [...] Einordung solcher Gefahren im Tatsächlichen [...] erfordert außerrechtliches Wissen, etwa über natur- oder
sozialwissenschaftliche Gegebenheiten und Wirkungszusammenhänge."
/2 sich sehr stark auf Sachverständigengutachten gestützt, bei der Begründung ihrer Entscheidung. Ohne diese Gutachten sind diese Entscheidungen deshalb sehr schwer bis gar nicht zu verstehen teilweise zu verstehen.
/3 Auf diese Problematik gehen hier @nhaerting und Oliver Lepsius ein (ab Minute 9:18). Da wird dann von Lepsius vorgeschlagen, die Stellungnahmen extra durch das Gericht zu veröffentlichen.
/1 Der VG Osnabrück hat jetzt die vollständigen Entscheidungsgründe seiner Entscheidung (Beschl. v.
04.02.2022 - 3 B 4/22 -) veröffentlicht, in der er die Verkürzung des #Genesenstatus auf drei Monate durch das RKI für verfassungswidrig hielt.
/2 Es verweist zu nächst auf die erhebliche Grundrechtsrelevanz des Genesenstatus (Rn. 11).
/3 Es führt dann die Gründe dazu aus, aus denen es die Verkürzung für verfassungswidrig hält. Es beruft sich dabei auf die Ausarbeitung der WD des Bundestags und führt unter anderem aus, das zumindest die Bundesregierung hätte dies regeln müssen (Rn. 15 bis 17).
/1 Der ThürVerfGH hat einen Eilantrag der AfD abgelehnt zahlreiche Coronamaßnahmen in Thüringen außer Kraft zu setzen (ThürVerfGH, Beschl. v. 04.02.2022 - VerfGH 5/22 -). Dabei macht es ein paar Anmerkungen zu Ausgangssperren.
/2 Der ThürVerfGH geht der Frage ob eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ungeimpften stattfindet aus dem Weg und lagert die ins Hauptverfahren aus (S. 31). Anders noch der BayVerfGH der dazu eine klare Meinung hatte:
/3 Der ThürVerfGH verweist den Verordnungsgeber darauf, dass er mal die Eingriffe - insbesondere die nächtlichen Ausgangssperren für Ungeimpfte - besser Begründen soll (S. 31).