Léon Profile picture
Mar 18 23 tweets 5 min read
Mir scheint, es ist mal wieder Zeit für einen längeren Text.

Was ist #Technologieoffenheit und warum wird dieses Thema (im Wahlkampf) trotz der aktuellen Lage wieder ausgepackt?

Ein Thread.
@Stefan_Hajek @stang2k @kkklawitter @DerGraslutscher
Die aktuelle Lage mit Putins Krieg in der Ukraine und allen Folgen, die das mit sich bringt, führt uns gerade sehr eindrücklich vor Augen, in welche Situation wir* uns mit der Abhängigkeit von fossiler Energie manövriert haben.
Dennoch scheinen auch in Anbetracht dieser
dramatischen Lage einige nicht müde zu werden, die #Technologieoffenheit im PKW zu fordern (das haben sie auch schon vorher getan, die Forderung ist in der aktuellen Lage aber einfach mehr als absurd).

Aber worum geht es nun eigentlich? Was ist Technologieoffenheit?
Dazu möchte ich etwas ausholen.

Es ist das Jahr 1910 - oder besser, das ganze Jahrzehnt.

Das Auto ist auf dem Vormarsch und gewinnt zunehmend an Beliebtheit. Was viele aber nicht wissen: Zu dieser Zeit war es keinesfalls nur der Verbrenner, der das Straßenbild bestimmte.
In dieser Zeit konkurrierte der Verbrenner noch stark mit dem Elektroauto und dem Dampfwagen (Dampfmaschinen-Auto).
Erst um 1920 setzte sich dann der Verbrennungsmotor dank des Startermotors, des recht einfach nutzbaren Tankstellennetzes und auch wegen
der damals noch nicht ausgereiften Batterien der E-Autos durch (diese sind mit heutigen Batterien in keinster Weise vergleichbar).

Wir haben also vor 100 Jahren dasselbe Szenario gehabt, in dem wir bis vor wenigen Jahren wieder steckten:
Welche Technologie eignet sich am besten?
Nur haben wir heute noch andere Herausforderungen, die diese Technologie erfüllen muss. Wir haben Klimawandel, Luftverschmutzung und eine Energiewende zu stemmen.

Auf dieser Grundlage müssen Lösungen gefunden werden, was uns zurückbringt zur Technologieoffenheit.
Technologieoffenheit meint im Wesentlichen erstmal, dass man ohne Einschränkungen (gesetzlich oder finanziell) nach technischen Lösungen für die Zukunft sucht.
So weit, so gut.
Einige sind jedoch der Ansicht, #Technologieoffenheit sei ein Selbstzweck. Dass man alle technisch möglichen Ansätze umsetzen und auch fördern sollte, bloß nicht auf irgendwas festlegen.

Dieser Ansatz widerspricht aber historisch allem, was bisher gemacht wurde.
Es hat sich seit jeher in einem Sektor eine Lösung für die Masse etabliert (Nischen natürlich ausgenommen). Das hat bisweilen Zeit gebraucht, war aber praktisch immer der Fall.
Im PKW war das 100 Jahre lang der Verbrenner, im Telefonmarkt aktuell das Smartphone, etc.
Die Frage ist, wieso das jetzt anders sein sollte.
Es gibt eine Reihe von Ansätzen, die werden ausprobiert und am Ende wird sich der beste Ansatz durchsetzen. Es gibt keinen Grund, warum ein schlechter Ansatz weiterverfolgt werden sollte.
Oder seht ihr in den Autohäusern noch Dampfwägen, neue Tastenhandys im Apple-Shop, Telefone mit Drehscheibe und Schreibmaschinen im MediaMarkt oder gar Holz/Kohleöfen für die heimische Küche?

Natürlich nicht, warum auch?
Schlechtere Ansätze setzen sich nicht durch.
Zu fordern einen schlechten/veralteten Ansatz künstlich zu erhalten ist nichts anderes, wie den Erhalt der Schreibmaschine statt Fokus auf den Computer zu fordern.
Es ist schlicht realitätsfern.
Das hat im Übrigen auch nichts mit Verteufeln zu tun.
Keiner verteufelt Schreibmaschinen. Sie sind aber einfach nicht geeignet, um heutige Aufgaben zu erfüllen.
Genauso wenig wie der Verbrenner geeignet ist, eine lokal emissionsfreie, effiziente Mobilität in einer klimaneutralen Zukunft darzustellen (mehr dazu findet ihr in meinem pinned tweet).
Und das Lustigste an dieser Geschichte ist:

Die Industrie hat das auch längst verstanden.
Praktisch alle relevanten Autohersteller haben (von sich aus) Ausstiegsdaten aus dem Verbrenner beschlossen, weil sie genau wissen, dass diese Technologie nicht zukunftstauglich ist.
Die Industrie hat (überwiegend) die #Technologieoffenheit als das verstanden, was sie ist:
Eine Findungsphase.
Wir schauen uns alle Ansätze an, überlegen auf Basis von Fakten welcher der beste ist, und entscheiden uns dann aber auch, worauf wir setzen wollen.
Das ist nicht ideologisch, nicht einseitig oder sonst irgendwas. Es ist einfach nur logisch!

Und der Staat fördert hier imo auch nicht einseitig.
Die Vorgabe ist:"Findet Lösungen, wie man in Zukunft lokal emissionsfrei, CO2-neutral und wirtschaftlich Mobilität darstellen kann".
Da bleiben nicht allzu viele Lösungen übrig. Die werden gefördert, wenn auch sich praktisch 99% der Hersteller (global) in diesem technologieoffenen Prozess für eine Technologie entschieden haben.
Das gilt es zu akzeptieren und ist auch wichtig für unsere Wirtschaft, denn
wir sind Exportnation.
Andere Länder haben dieselben Learnings gemacht wie wir auch. Exportmärkte wollen mittelfristig keine Verbrenner mehr haben.

Die Industrie weiß das, aber auch (konservative) Politiker (bewusst nicht gegendert) täten gut daran, das ebenfalls zu verstehen.
Und ja, die Zulieferindustrie steht stark unter Druck in dieser Transformation.
Aber als Politiker herzugehen und mit leeren Phrasen im Wahlkampf einen Erhalt des Verbrenners zu versprechen (der nicht passieren wird) ist nicht nur unehrlich, sondern auch gefährlich.
Das schürt Unsicherheit und riskiert eben diese Arbeitsplätze, die man eigentlich erhalten will.
Erhalt funktioniert hier aber nur durch Wandel. Jobs, die in 15 Jahren keiner mehr braucht, sind weg.
Nur der konsequente Wandel sichert Arbeitsplätze in dieser Industrie und wir täten gut daran, das auch im Wahlkampf klar und ruhig zu kommunizieren!

Thread Ende.

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Léon

Léon Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @thestanceman1

Mar 18
Porsche sagt im Wesentlichen vorallem eines: Unsere Neuzulassungen sind bis 2030 ~90% elektrisch und wir machen eFuels für unsere Bastandsflotten.
Die sind zwar sehr teuer, aber unsere Kund:innen können das bezahlen
@christophploss
Diesen Wettbewerb, von dem @christophploss hier spricht, gibt es so nicht. Wettbewerb gibt es bei Neuzulassungen, da wird der Verbrenner absehbar irrelevant werden.

Wettbewerbsfähigkeit bei Faktor 7 Effizienzunterschied stelle ich mir auch eher schwierig vor.
Ich stimme zu, dass es Lösungen für die Bestandsflotte braucht, aber es ist fraglich, wer das umsetzen soll.

Das, was Porsche bis 2030 an eFuels plant, reicht in etwa für 1% der deutschen (!) Verbrennerflotte.
Read 4 tweets
Jan 29
Da es mir in den letzten Tagen und Wochen und auch allgemein im Zusammenhang mit neuer Technologie, im speziellen "CleanTech", sehr häufig begegnet:

Heute mal ein kleiner #Thread über den
"Trugschluss der perfekten Lösung"
(auch "perfect solution fallacy").
Dieses Phänomen beschreibt die Situation, wenn eine Argumentation annimmt, dass eine perfekte Lösung existiert, bzw. eine Lösung abgelehnt wird, weil sie nicht perfekt ist (also ein Teil des Problems immer noch bestehen würde).
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Lösung besser ist als der status quo, sie wird wegen ihrer Imperfektion abgelehnt.
Darin besteht der Trugschluss.
Read 14 tweets
Jan 15
Da es im Rahmen der Aussagen von Volker @Wissing zur E-Mobilität gerade wieder diskutiert wird, heute mal etwas über #eFuels.

Was sind eFuels, wie funktionieren sie und welche Rolle spielen sie in der Mobilität (oder eben auch nicht)?

Ein Thread.
@Stefan_Hajek
@stang2k
Zunächst mal das Konzept grob erklärt:

Die Idee von eFuels ist es, eine strombasierte, synthetische Alternative zu heutigem Benzin, Diesel und Kerosin zu schaffen, die in Verbrennungsmotoren, Flugzeugtriebwerken etc. verwendet werden kann.
Im Zusammenhang mit eFuels fällt oft der Begriff "CO2-neutral". Das wird von vielen oft als "CO2-frei" missverstanden.

Um das Prinzip dahinter zu verstehen, muss man sich die Herstellung und Verwendung von eFuels ansehen.
Read 24 tweets
Jan 9
Ein Verein, der in seinen Kreisen seriöse Leute zu haben scheint, hält es wohl für nötig, ein schlecht gemachtes, verkürztes TikTok voller Falschaussagen zu teilen, um Wasserstoff positiv darzustellen, statt dies mit Fakten zu tun und stellt das als "Wahrheit" dar.

Faktencheck.
Das Video folgt eigentlich demselben Schema, dass man von allen Beiträgen dieser Sorte kennt.
Erstmal alles halbwegs gut darstellen und dann kommt der Hammer:
Das ist eigentlich total schlecht!

Angefangen mit Kobalt:
Man behauptet, Akkus bestünden aus Lithium und Kobalt.
Das stimmt für die meisten Akkus auch, ist aber verkürzt.
Die Menge Lithium und Kobalt, die man für einen Akku braucht ist sehr klein, im Vergleich zum Gesamtgewicht.
Read 24 tweets
Sep 14, 2021
Da mich Wolfgang Lohbecks Aussage zu 3l-Autos und deren angeblich besserer Eignung zur schnellen CO2-Einsparung vs. E-Auto dermaßen nervt, hier nochmal einige Fakten dazu.
@_mtiemann @Stefan_Hajek @sepp_reitberger
@Elektro_Robin @ZDF @emptysignifier
#emobility
[Thread]
Lohbeck behauptet im @ZDF, dass sparsame Verbrenner ("halbierter Verbrauch") besser geeignet seien um CO2 zu sparen als E-Autos.

Diese Aussage ist auf so vielen Ebenen falsch.
Sie geht erstmal davon aus, dass es einfach so möglich sei, ein heutiges Fahrzeug mit 3l Verbrauch zu bauen. Lohbeck macht das an einem Prototyp fest, der vor 25 Jahren gebaut wurde.
Dieser ist ein Leichtbau Kleinstwagen mit einem 0,36l Motor und 55PS. Verbrauch wohl 3,2l.
Read 14 tweets
Sep 13, 2021
Ich schaue mir jetzt mal diesen Beitrag vom @ZDF an.

Vorab: Meine Erwartungen waren niedrig. Nach dem Beitrag kann ich nur sagen: WOW.

Ein kleiner Fact-Check.
@Elektro_Robin @Stefan_Hajek @VQuaschning @HolzheuStefan @sepp_reitberger
#emobility
zdf.de/dokumentation/…
Es fängt schonmal gut an:
"Sind E-Autos wirklich so sauber wie alle denken?"

Diese Frage baut das komplette Framing dieses Beitrags auf. Man beginnt schonmal skeptisch, denn da kommt ja etwas Neues. Bei Neuem muss man vorsichtig sein. Könnte ja auch der falsche Weg sein.
Diese Frage nach der CO2 Bilanz wurde mittlerweile eigentlich dermaßen oft mit JA beantwortet, dass ich mich frage, warum wir noch darüber reden.

@Elektro_Robin sagt es im Beitrag treffend: EVs sind ein wichtiger Baustein hin zur CO2 Neutralität.
Read 34 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(