Auch wenn alle gerade mit dem #Ukrainekrieg beschäftigt sind, ist es wichtig zur Kenntnis zu nehmen, dass gestern die vermutlich letzte öffentliche Anhörung des #Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das #Kapitol am 6. Januar 2021 (@January6thCmte) stattgefunden hat.
Deshalb ein Thread dazu, was wir über Trump(ismus) und die Demokratie wissen und warum sollte uns das interessieren sollte: (1) Auch wenn Trump hierzulande hauptsächlich durch seine rhetorischen Entgleisungen ("grab 'em by the pussy") bekannt geworden ist, war seine
Präsidentschaft durch systematische Angriffe auf demokratische und rechtsstaatliche Normen und Institutionen geprägt (z.B. Anerkennung von Wahlergebnissen, Gewaltfreiheit als Norm, Trennung von Privatinteressen und Amt, Unabhängigkeit der Rechtsprechung usw.), die die liberale
Demokratie in den USA so stark geschwächt haben, dass sich das in verschieden Demokratieindikatoren niederschlug. Der bekannte Polity Index etwa stufte die USA 2020 erstmals auf eine partielle Demokratie zurück.
In der Tat waren Trumps Normbrüche schon vor January 6th so zahlreich, dass in dem ganzen Getöse das Ausmaß des Schadens gar nicht ins Bewusstsein vieler vorgedrungen ist. Das heißt aber nicht, dass Trumps Amtszeit nich auch ohne den Sturm auf das Kapitol schon Richard
Nixon im Vergleich wie einen gesetzestreuen Bürger aussehen ließe. Allein der Mueller-Bericht hätte wohl als Grundlage für eine Strafverfolgung ausgereicht, gäbe es nicht ein internes Memorandum des Justizministeriums, nach dem amtierende Präsidenten nicht angeklagt werden.
(2) Trumps Angriffe fanden ihren Höhepunkt am 6. Januar 2021, dem Sturm auf das Kapitol, bei dem Trump treibende Kraft war. Zwei Punkte sind relevant hier: (a) Trump hat den Angriff durch die monatelange (falsche) Behauptung, die Wahl sei "gestohlen" worden provoziert und die
Angreifer weiter angestachelt gegen Vizepräsident Pence, obwohl er wusste, dass sie tw. Schusswaffen dabei hatten. Die Nachricht, seine Anhänger*innen wollten Pence dafür hängen (not kidding), weil er nicht einfach Trump zum Sieger erklären wollte, kommentierte Trump
damit, Pence habe "es verdient" (again: not kidding).
(b) Der Angriff selbst war nur der extremste Auswuchs einer monatelangen Kampagne Trumps und seiner Verbündeten, das Wahlergebnis zu manipulieren und ihn illegal im Amt zu halten. Trump & Co.:
- setzten u.a. Pence und für
Wahlen zuständige Amtsträger*innen in Bundesstaaten unter Druck (ebenso wie Abgeordnete),
- versuchten, das Justizministerium dazu zu bekommen, die Wahl für manipuliert zu erklären, obwohl sie als die sicherste in der US-Geschichte gilt,
- strengten über 60 unbegründete Klagen
vor Gericht an
- versuchten, gefälschte Listen mit Wahlleuten in den Kongress zu schleusen. (3) Bei allem wurde Trump tatkräftig von republikanischen Eliten in Partei, Regierung und Medien unterstützt, von führenden Abgeordneten wie @GOPLeader McCarthy und @LeaderMcConnell über
Justizminister Bill Barr (der bei der Wahlmanipulation dann letztlich doch eine Linie fand, die er nicht zu überschreiten bereit war, und in Ungnade fiel) bis hin zu FOX-News-"Journalist*innen" wie Tucker Carlson oder Laura Ingraham, die bis heute
Verschwörungserzählungen über gestohlene Wahlen und angebliche Pläne, weiße Amerikaner*innen zu ersetzen, verbreiten (einiges davon wäre hierzulande Volksverhetzung). Die Botschaft hier ist:
*Die Republikanische Partei ist inzwischen mehrheitlich keine konservative, sondern
eine illiberale und antidemokratische Partei.* Reagans GOP existiert nicht mehr.
Das bringt uns zu Punkt (3). Der Angriff auf die Demokratie ist nämlich *nicht zu Ende*, sondern dauert an. Nach wie vor arbeitet die GOP daran, 2024 notfalls durch Manipulation
zurück an die Macht zu gelangen. Dafür haben z.B. GOP-dominierte Staaten schon Gesetze verabschiedet, die es unter dem Vorwand der Sicherheit von Wahlen (v.a. für Ärmere und people of color) deutlich schwieriger machen, an der Wahl teilzunehmen. Außerdem treten in diesem Jahr
zahlreiche Kandidat*innen für für die Durchführung der Wahlen zentrale Ämter an (Gouverneur*in, Secretary of State), die offen sagen, sie würden einen Sieg der Demokratischen Partei nicht zertifizieren. Das ist quasi Wahlmanipulation mit Ansage.
Wenn die GOP 2024 gewinnt, ist es wahrscheinlich, dass die USA dem ungarischen Modell folgen und zu einer Wettbewerbsautokratie degenerieren (damit wir uns nicht falsch verstehen: das ist fancy Politikwissenschaftssprech für "sich in eine Parteidiktatur verwandeln").
Damit ist ein Wahlsieg der Demokratischen Partei (der de facto einzig verbliebenen demokratischen Partei) für zentral für den Erhalt der US-Demokratie. Angesichts der Pro-🇷🇺- und Anti-#NATO-Stimmung in der GOP sind die Wahlen auch direkt relevant für die europäische Sicherheit.
Bedauerlicherweise sind wir auf dieser Seite des Atlantiks weitgehend zum Zuschauen verdammt. Das heißt allerdings nicht, dass wir nichts tun können. Was die Forschung gezeigt hat, ist dass Rechenschaft eine wichtige Rolle spielt: doi.org/10.1080/135103…
Das betrifft hauptsächlich Wahlen, Strafverfolgung usw., bezieht sich aber allgemein darauf, Kosten für Angriffe auf die Demokratie aufzuerlegen, und das können (begrenzt) auch wir, nämlich indem wir nicht einfach zu business as usual übergehen.
Das kann z.B. dadurch sein, indem europäische und deutsche Politiker*innen, Institutionen, Journalist*innen usw. die Dinge beim Namen nennen bzw. Autokrat*innen abstrafen. Das ist auch der Grund, warum es so fatal ist, wenn sich führende deutsche Politiker wie @_FriedrichMerz mit
Trump-Unterstützern wie @LindseyGrahamSC treffen. Das Gegenteil wäre richtig: Wer Angriffe auf die US-Demokratie unterstützt, sollte sanktioniert werden: durch offene Kritik, Ausladungen, ggf. finanzielle Sanktionen. Verhalten ändert sich nur, wenn es mit Kosten verbunden ist.
Abschließend ein paar Lese-/Folgeempfehlungen für diejenigen, die sich gerne eingehender damit beschäftigen wollen:
- zur (wichtigen) Rolle der Christlichen Rechten beim Angriff auf die liberale Demokratie in den USA: @ardenthistorian
- zur Mitschuld der GOP: @tzimmer_history
Letzte Woche wurde bekanntlich Donald J. #Trump vom Sonderermittler des U.S.-Justizministeriums (#DOJ) #Jack#Smith angeklagt. Mittlerweile habe ich die Anklageschrift gelesen und fasse im Folgenden kurz für die Nicht-Nerds unter uns die wichtigsten Punkte zusammen.
Trump ist angeklagt, weil
(a) er am Ende seiner Amtszeit geheime Regierungsdokumente (Verschlussachen) mit nach Hause genommen und trotz wiederholter Aufforderung durch das Justizministerium und amtlicher Aufforderung zur Herausgabe nicht
Wo hier gerade so viel über Populismus gesprochen wird: Ja, die Behauptung, eine "kleine elitäre Minderheit" wolle "der großen Mehrheit ihre Werte... Aufzwingen", ist ein Paradebeispiel für Populismus.¹ Allerdings finde ich es schwierig, wie hier (ebenso wie
bei anderen Kommentaren hier auf Twitter) der Begriff "Populismus" verwendet wird. Denn nehmen wir einmal @CasMudde|s einflussreiche Definition als Grundlage (ebenso böten sich Laclau oder Canovan an), dann besteht Populismus aus
(a) Anti-Elitismus und (b) der Forderung danach, Politik müsse die volonté générale, also am Gemeinwohl der Gesamtgesellschaft statt Partikularinteressen reflektieren.²
Daraus folgt, dass Populismus nicht per se und unter allen Umständen problematisch sein muss.
Übrigens: wenn @andreasscheuer sich im Interview beklagt, die Bundesregierung sei "viel zu einseitig nur bei den Demokraten unterwegs", darf dabei nicht vergessen werden, dass es dafür einen guten Grund gibt: t-online.de/nachrichten/de…
Die 👏heutige 👏GOP👏 ist 👏eine 👏anti-demokratische 👏Partei!
Wer gerade mit #DeSantis gemeinsame Sache macht (linksgrüne "Wokeness" hin oder her), stellt sich auf die Seite der Gegner*innen der US-amerikanischen #Demokratie.
Das absolute Gegenteil davon ist zielführend, wenn die US-Demokratie erhalten bleiben soll: Wir brauchen ein breites Lager von links bis in die Union, das bereit ist, Antidemokrat*innen zur Rechenschaft zu ziehen, auch wenn in bestimmten Fragen ("Identitätspolitik") vielleicht
Ich weiß, ich wiederhole mich, aber der zentrale Punkt hier ist nicht, dass Juli Zeh nicht eine eigene Meinung haben und öffentlich kundtun darf. Das darf sie natürlich, denn alles andere wäre eine illegale und verwerfliche Einschränkung der #Meinungsfreiheit.
Aber ein verständigungsorientierter, rationaler¹ gesellschaftlicher Diskurs funktioniert eben auch nur, wenn wir zwischen unbegründeten Laienmeinungen und evidenzbasierter Fachexpertise unterscheiden. Wir fragen ja auch nicht Soziologinnen, was sie denken, wie ein Dach zu
bauen ist. Und wenn in talkshows das Thema Dachbau ist, dann laden wir ja auch nicht Soziologinnen und Dachdeckerinnen zusammen ein und lassen die Zuschauerinnen selbst entscheiden, wem von beiden eher zu trauen ist. Das ist Aufgabe von Redaktionen, denn die Zuschauer*innen
An dieser Stelle möchte ich noch einmal meine Hochachtung gegenüber den Kolleg*innen @ClaudMajor, @CarloMasala1 und @Ce_Moll dafür zum Ausdruck bringen, dass sie es schaffen, in Talkshows nicht einfach in Tränen auszubrechen oder ausschließlich mit Verbalinjurien zu antworten.
Ich persönlich weiß nicht mehr, wie man über die dt. Sicherheitspolitik noch sprechen soll, ohne pausenlos fassungslos mit dem Kopf zu schütteln oder sich ununterbrochen mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen. Die Weigerung, jemals eigene
Entscheidungen zu treffen oder in die Initiative zu gehen, ist angesichts der Lage schon arg suboptimal, aber gleichzeitig konsequent auf die eigene Führungsrolle zu pochen, ist geradezu surreal. Man kann wirklich nur hoffen, dass mit dem Wechsel im BMVg auch der Mut einzieht,
Für diejenigen, die #Politik in den #USA nicht regelmäßig verfolgen, eine kurze Einordnung zu Kevin #McCarthy, der gerade im 15. Anlauf (awkward) zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt worden ist. McCarthy gilt als Vertreter des "moderaten" Flügels der #GOP - im
Gegensatz zum (komplett frei drehenden) Rechtsaußenflügel um Marjorie Taylor Greene, Matt #Gaetz, Lauren #Boebert, Ted #Cruz usw.
In diesem Kontext ist wichtig zu verstehen, dass McCarthy absolut nicht mit moderaten Konservativen der Vor-Trump-Zeit vergleichbar ist, etwa
Senator John McCain oder auch nur George W. Bush (der allerdings aus anderen Gründen - *räusper* Irak, Folter *räusper* - ziemlich radikal war). Denn McCarthy hat sich wie kaum jemand sonst für seine eigenen Ambitionen in den Dienst Trumps und seines autokratischen Projekts