Jetzt erzähle ich also doch mal meine persönliche #MECFS-"Heilungsgeschichte" - die hoffentlich verdeutlicht, weshalb ich persönlich von entsprechenden Geschichten, vor allem mit einer klaren Ursachenzuschreibung, so gar nichts halte.
Ein Thread.
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Bei mir nahm #MECFS seinen Anfang im Jahr 2006 mit Pfeifferschem Drüsenfieber. Ein Klassiker also.
Zwei Ärzte sagten damals: "Kein Problem, ein paar Wochen Ruhe, danach ist das vorbei."
Ich war damals im letzten Drittel meines Jura-Studiums, eine wichtige Prüfung stand an.
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Ich war ehrgeizig und erfolgreich, also keinen Tag zu lange gewartet, wieder losgelegt. Die Klausur lief sehr gut. Aber am Tag danach kam es zum kompletten gesundheitlichen Zusammenbruch.
Für mich damals unerklärlich. Rückblickend weiß ich: das war die erste #PEM-Episode.
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Die nächsten Jahren wurden zum Albtraum meines Lebens: unzählige Ärzte versicherten mir stets beste Gesundheit, ich müsste nur wollen. Und das tat ich, mehr als sonst irgendwas. Aber nach jedem Aufbäumen gegen Krankheit und Entkräftung kam ein weiterer Einbruch.
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Von #MECFS und #PEM hatte ich in allen diesen Jahren nie etwas gehört. Kein Arzt erwähnte es und von eigenen Recherchen im Internet hatte man mir ja ärztlich dringend abgeraten.
Irgendwann hatte ich es aber nach vielen, vielen Wiederholungen auch so verstanden:
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Ich musste meine Aktivitäten auf ein gewisses Niveau herunterfahren, um diese Zusammenbrüche zu vermeiden. Ich musste also mit jedem Sport aufhören, auch Radfahren im Alltag ging nicht mehr, mein Studium musste ich unterbrechen u.v.m.
Diese Strategie hatte Erfolg, die gesundheitlichen Einbrüche wurden viel seltener und mein Zustand stabilisierte sich mit den Jahren.
Und irgendwann merkte ich: es ging langsam wieder mehr, ich konnte mehr tun, ohne dass es zu einem gesundheitlichen Einbruch kam.
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Niemand brauchte mich dazu aufzufordern. Ich war nicht zuletzt ein junger und lebenshungriger Mensch. Es ist absolut fernliegend zu glauben, dass man sich in irgendeiner Lebensphase mehr einschränkt, als es unbedingt nötig ist. Wir alle haben doch nur dieses eine Leben.
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Rund zehn Jahre nach dem Pfeifferschen Drüsenfieber hatte ich den Höhepunkt meiner Remission erreicht. Sport ging zwar immer noch nicht, aber davon abgesehen war ich wieder sehr leistungsfähig. Ich dachte, ich könnte jetzt endlich mein Leben so leben, wie ich es immer wollte.
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Aber dann kam eine Influenza. Ich machte mir noch nicht mal Sorgen, denn: diese gesundheitlichen Probleme lagen doch in der Vergangenheit!
Aber direkt nach überstandener Infektion setzten die bekannten Symptome wieder ein. Schlagartig, von einer Sekunde auf die andere.
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Mir war sofort klar, dass diese alte Geschichte - deren Namen ich immer noch nicht kannte - wieder da ist, denn es fühlte sich exakt identisch an und ich hatte dieses unverwechselbare Krankheitsgefühl sofort wiedererkannt.
Ich wusste: mein schönes Leben war gerade entgleist.
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Erste Bemerkung: Wie soll dieses schlagartige Einsetzen von Symptomen zu steilen Thesen von Dekonditionierung und iatrogener Chronifizierung bzw. Fixierung passen?
Es passt natürlich gar nicht, das ist einfach nur hanebüchener Unsinn, am Schreibtisch aus den Fingern gesogen.
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Zweite Bemerkung:
Meine Phase der Stabilisierung und des Übergangs in eine Remission wurde begleitet von einem selbst erdachten #Pacing-Konzept. Von sonst nichts und wieder nichts. Keine medizinische Intervention, keine Reha, erst recht keine Aktivierungstherapie.
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Für eine gewisse Zeit hätte ich aufgrund meiner Geschichte aber behaupten können:
Es war meine Willensstärke, die mich geheilt hat. Oder ein Schamane. Oder "vorsichtig" aktivierende Reha. Oder Selleriesaft.
Aber das ist nicht der Fall, solche Narrative sind brandgefährlich.
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Man sieht an meinem Verlauf nur eines: So ist diese Krankheit!
Vor allem bei jungen Menschen kommt es eben manchmal zu (vorübergehenden) Spontanremissionen. Darüber sollte man froh sein, solange sie noch anhalten. Alle weiteren Behauptungen sind unsubstantiiert und unseriös.
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Dritte Bemerkung:
Auch #Pacing ist keine kurative Therapie. In den letzten fünf Jahren bemühte ich mich mehr darum als je zuvor, aber dennoch ging es stetig abwärts.
#Pacing ist unverzichtbar und bedeutet, zusätzliche und vermeidbare Verschlechterung zu verhindern.
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Aber weder ist #Pacing dasselbe wie "vorsichtige" Aktivierung. Noch ist #Pacing zu verstehen als Nichtstun.
#Pacing bedeutet, die krankheitsbedingten Grenzen zu achten und so #PEM zu verhindern. Dazu auch dieser Thread. 17/
Vorbemerkung:
Vor rund einem Jahr gab es im Bundestag bereits eine Anhörung zur #SIGNforMECFS-Petition. Diese fand im Petitionsausschuss statt. Die Aufzeichnung hänge ich an diesen Tweet an.
Heute dagegen berät der Bundestag erstmals im Plenum über #MECFS.
Vorbemerkung:
Der heute zu beratende #MECFS-Antrag der @cducsubt ist mit einem Überweisungsvorschlag verbunden. Dann würde heute nicht abschließend über den Antrag entschieden.
Wichtig ist dann vor allem, wie sich die MdB zum Thema #MECFS heute inhaltlich positionieren.
Weiter @ECMOKaragianni1:
"Unser riesiges Defizit sind Diagnostik und Therapie von Long Covid und #MECFS. Letzteres betrifft übrigens auch andere Viruserkrankungen und sollte daher ein Hauptaugenmerk zukünftiger Forschungsförderungen sein."
Ferner @C_Scheibenbogen:
"Die am stärksten Betroffenen leiden häufig an [#MECFS], einer komplexen und stark behindernden Erkrankung, an der auch schon vor der Pandemie geschätzt 250.000 Menschen erkrankt waren, oft infolge einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus oder einem ...
Immer wieder wird bei Fragen nach #MECFS mit Maßnahmen für #Longcovid geantwortet.
#MECFS und #Longcovid sind eng miteinander verbunden. Aber beide Themen sind zugleich eben nicht identisch und dürfen daher auch nicht so behandelt werden.
Bereits im Dezember hat @CortJohnson einen sehr lesenswerten Beitrag über die #MECFS-Forschung von Dr. Nath veröffentlicht.
📄➡️healthrising.org/blog/2022/12/0…
Das Manuskript des zentralen Papers steht demnach kurz vor der Einreichung und viele weitere Beiträge werden danach folgen.
"The intramural study – created entirely by and within the NIH – was produced with the implicit promise that if the study found something, the NIH would pursue it. That promise made it potentially the most important study in the history of #MECFS."
"Each group has written up its own section which is being amalgamated into a big paper that is pretty close to being submitted. There won’t be just one manuscript, though. Some of the researchers got excited enough about their findings to write papers on their own." #MECFS
Was ich in diesen Tagen wieder einmal so gar nicht mehr begreifen kann:
Wie konnte es bloß jemals zu dieser völlig bizarren Verzerrung kommen, zu dem Auseinanderfallen der realen Schwere von #MECFS und der Art, wie man darüber zu sprechen pflegt?
Bei anderen Erkrankungen schaut man insbesondere auf deren schwerste Ausprägungen, um sich ein Bild von ihnen zu machen.
Bei #MECFS bedeutet dies: dauerhaftes, qualvolles Dahinvegetieren in Dunkelheit über Jahrzehnte, in manchen Fällen auch Tod in jungen Jahren.
Im Fall von #MECFS muss man konstatieren, dass ausgerechnet die schwersten Fälle in besonderem Maß ignoriert werden. Stattdessen redet man vom Schreibtisch aus gerne über "Müdigkeit" sowie "Erschöpfung", bejubelt Genesungen von Einzelfällen, die zT womöglich nie an #MECFS litten.