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Feb 19 26 tweets 5 min read
#Histaminintoleranz

Histamin hat einen schlechten Ruf, dabei ist es nicht nur mit Allergiesymptomen, Quaddeln & Migräne assoziiert - sondern auch ein wichtiger Botenstoff & Neurotransmitter.

Einige Fakten & Missverständnisse möchte ich daher in diesem Thread thematisieren🧵
Histamin ist ein biogenes Amin mit vielfältigen Funktionen und wohl am bekanntesten als Vermittler „allergischer“ Symptome.

Neben Juckreiz, Niesen & Quaddelbildung beeinflusst Histamin aber auch maßgeblich Herzrhythmus, Gefäßpermeabilität & den Zirkadianen Rhythmus.
Es hat Einfluss auf die neuronale Entwicklung sowie Signalweiterleitung und steigert im ZNS Konzentration & Gedächtnisleistung.
🧠
Dies sind ein paar Beispiele dafür, dass Histamin nicht nur negative Auswirkungen in unserem Körper hat & auch ein „zu wenig“ Probleme bereiten kann.
Aber wo kommt das Histamin eigtl. her und wann bereitet es uns mehr Probleme, als dass es hilft?

Histamin ist ein körpereigener Stoff, der grundsätzlich in unserem Körper gebildet wird, im/am Gewebe wirkt & durch Enzyme wieder abgebaut wird

+ auch in der Nahrung vorhanden ist
Histamin wird also

1) durch Immunzellen/Mikrorganismen im Körper gebildet (endogen) +

2) über die Nahrung aufgenommen (exogen) +

3) durch bestimmte „Trigger“ (LM, Stress,…) vermehrt freigesetzt
1) Endogen stammt Histamin aus körpereigenen Zellen (Mastzellen, Blutplättchen, histaminerge Neurone & enterochromaffine Zellen des GI-trakts) oder darmeigenen, histaminbildenden Mikroorganismen. Hier wird es in Vesikeln gespeichert und bei Bedarf oder sofort ausgeschüttet.
2) Histamin in der Nahrung findet sich besonders in fermentierten Lebensmitteln (gebildet durch Mikroorganismen, z.B. Rotwein, gereifter Käse, gepökelte Wurst).

Besonders viel Histamin ist so auch in verdorbenen (tierischen) Lebensmitteln, durch histaminbildende Bakterien
🥩🐟🍖
Histamin ist ab einer best. Konzentration für jeden Menschen „giftig“.

👉🏻Grundsätzlich ist also jeder Mensch „histaminintolerant“ im Vergleich zu Aasfressern wie Löwen/Hyänen, die lediglich die nötige enzymatische Ausstattung besitzen um diese großen Histaminmengen abzubauen.
🦁
3) Bestimmte Lebensmittel fungieren als sog. „Histaminliberatoren“ und können eine vermehrte Histaminausschüttung aus Zellen induzieren (auch dann, wenn sie selbst histaminarm sind).

Ähnlich können sich auch Stress, Kälte & andere Reize auswirken.
Probleme entstehen somit also wenn zu viel Histamin…

1) aufgenommen wird und/oder

2) gebildet/sezerniert wird und/oder

3) aus dem Darm in den Körper/ ins Gehirn gelangt (Barrierestörung) und/oder

4) nicht effizient abgebaut wird (Abbaustörung)
Exkurs zur Barrierestörung:
NM-/GI-vermittelte kognitive Beschwerden können ein starker Hinweis auf eine Barrierestörung sein, sowohl die Darmbarriere als auch die Blut-Hirn-Schranke betreffend. Vermutet wird hier, dass diese Barrierestörungen uU Hand-in-Hand gehen könnten.
Histamin entsteht durch das Enzym HDC aus der Aminosäure L-Histidin & ist dann im Gewebe (innerhalb & außerhalb der Zellen), im Blut oder auch im Stuhl/Urin zu finden.

Abgebaut wird Histamin durch die Enzyme Diaminoxidase (extra-) & Histamin-N-Methyltransferase (intrazellulär).
Gendefekte beider Enzyme sind hetero- und homozygot möglich & führen uU zu entsprechenden Abbaustörungen.

Die höchste DAO-Konzentration findet sich in Darm, Nieren & Plazenta/Uterus. In der Schwangerschaft lassen Allergie- & Histamin-vermittelte Symptome daher oft deutlich nach.
Kupfer ist ein wichtiger Kofaktor der DAO, Vitamin C & B6 können die Aktivität ebenfalls erhöhen. Ein Mg-Mangel erhöht potentiell die Allergiebereitschaft (mehr Histamin, weniger DAO)

🍋
VitaminC kann zudem DAO-unabhängig Histamin abbauen, wie in-vitro Studien zeigten.
Histamin wirkt über spezifische Rezeptoren in den Membranen der Zellen mit untersch. Effekten. Vier dieser Rezeptoren wurden bisher entdeckt (H1-H4, in der Reihenfolge ihrer Entdeckung benannt). Alle vier Rezeptoren sind sog. G-Protein gekoppelte Rezeptoren.
H1-Rezeptor: an Neuronen, glatten Muskelzellen (Atemwege, Magen/Darm, Blutgefäße), Endothelzellen & Vielzahl von Immunzellen.
—> Typische H1R-vermittelte Symptome sind daher Juckreiz, Quaddelbildung, Anaphylaxie, Urtikaria, „laufende Nase“ oder Atemnot.
H2R: in Gehirn, Magen, glatter Muskulatur, Herz & Immunzellen (s. H1R) —> Relaxation der glatten Muskulatur (Gegenspieler zum H1R) & immunmodulierende Wirkung (Förderung der Mastzellaktivierung, AK- & T-Zell-Proliferation). Das Fehlen von Histamin kann zum Abbau des H2R führen.
H3R: Immunzellen & ZNS
—> reguliert Histaminausschüttung & Ausschüttung anderer Neurotransmitter wie Dopamin, Acetylcholin & GABA. Schlaf-Wach-Rhythmus, Kognition/kognitive Erkrankungen, (Neuro)inflammation & Nahrungsaufnahme —> Bestandteil aktueller Forschung, insb. im ZNS
H4R: in Immunzellen (wie Leukozyten, Mastzellen, T-Zellen & Monozyten) zur Chemotaxis und Zytokinproduktion und im ZNS, vor allem in Mikroglia (Stimulation bzw. Inhibition von Mikrogliazellen, insb. im Zusammenhang mit Entzündungen) —> Bestandteil aktueller Forschungen
Histamin kann idR die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren (außer bei Barrierestörung).
Dennoch lässt sich Histamin hier finden, denn das 🧠 produziert sein „eigenes“ Histamin (in histaminergen Neuronen & Mastzellen) & alle 4 H-Rez. sind vorhanden. Histamin ist im ZNS ein wichtiger
Neurotransmitter, der Wachheit & Gedächtnisleistung vermittelt. Eine zu geringe Histamin-Konzentration im (!) synaptischen Spalt steht zB in Verbindung mit Narkolepsie & auch bei Alzheimer wird dieser Mechanismus im Zusammenhang mit neuroinflammatorischen Vorgängen diskutiert.
Bei „zu viel“ Histamin - insb. bei #HIT - liegt der Fokus idR auf einer Vermeidungsstrategie.

Aber Histamin-/Allergen-Kontakt lässt sich nicht gänzlich vermeiden & so sollte man auch eine „Systemstabilisierung“ & Steigerung des Abbaus in therapeutische Ansätze miteinbeziehen.
Durch DAO-„CoFaktoren“ (Vitamin C/B6, Zink, Mg & Kupfer) kann die enzymatische Aktivität erhöht/optimiert werden.

Eine Steigerung der tgl. Trinkmenge (oder auch 0,5l Wasser akut) sowie zB Heilerde reduziert die Histamin-Konzentration (im Darm) potentiell deutlich.
Die immunmodulatorischen/histaminabbauenden Eigenschaften darmeigener Bakterien kann man sich ebenfalls zu Nutze machen. Neben Probiotika spielen auch Präbiotika, Ballaststoffe, SCFAs, eine stabile Muzinschicht & insb. eine intakte Barriere (Darm & Gehirn) eine enorme Rolle.
🙌🏻
Es gilt therapeutisch alle Punkte des Histaminstoffwechsels zu bedenken

1. Weniger exogene Aufnahme 🍷

2. Weniger endogene Sekretion 💥
(MZ-Stab./Trigger meiden/Mikrobiom opt.)

3. H1/2R-Blockade 💊

4. Stabilisierung der Barriere 🧠
(Darm & Gehirn)

5. Steigerung des Abbaus ♻️
Dieser Beitrag entstand auf Grundlage umfassender Recherche über die letzten Jahre, mit Unterstützung dieses Artikels. Von den erwähnten Supplementen distanziere ich mich.

Herzlichen Dank an Prof. Sadek aus AbuDhabi für die neuesten Erkenntnisse zum ZNS.

arktisbiopharma.de/blogs/magazin/…

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Jan 13
„Diese Studie sagt NICHT, dass die Symptome innerhalb eines Jahres verschwinden, die Berichterstattung stellt die Studienergebnisse falsch dar. Es heißt, Patienten werden entmutigt und hören auf, Symptome zu melden.“
👇🏻
news.sky.com/story/long-cov…
Wichtige Einschränkungen der Studie, die die Autoren angeben:

1. „Wir hatten keinen Zugang zu Diagnosen und Ergebnissen, die im Freitextformat angegeben wurden, so dass die Daten die angegebenen Diagnosen und Ergebnisse möglicherweise nicht vollständig widerspiegeln.“
2. „Aufgrund der Verwendung von Sekundärdaten kann die Häufigkeit von untergeordneten Diagnosen unterschätzt werden.“

3. „Symptome wie Schwäche, kognitive Beeinträchtigung,… sind weniger objektiv als klinische Diagnosen, daher möglicherweise nicht einheitlich & genau.“
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May 2, 2022
Wie hängen eigentlich
#LongCovid
#PostCovid
#EBV
#MCAS und
#MECFS
zusammen?

Oder warum #MCAS ein gemeinsamer Nenner sein könnte:
🧵 Image
1. #PostCovid & insbesondere #LongCovid sind an sich keine Krankheiten, sondern rein beschreibende Begrifflichkeiten.

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Jan 28, 2022
Was genau ist eigentlich Pacing? Und wie vermeide ich Rückschläge? Wo lauern Stolpersteine und wie erkenne ich meine eigenen Grenzen?

Die 🌊11 rules of diving 🌊 können beim Erlernen von #Achtsamkeit und der Umsetzung von #pacing helfen.

🧵
@dg_mecfs @FatigatioeV @long_covid
#1 Dive within your limits

Individuelle (Tagesform beachten) Grenzen sollten unbedingt eingehalten werden um Rückschläge zu vermeiden. Aber dafür muss man sich & seinen Körper neu kennenlernen.
➡️ An #Grenzen rantasten, nicht einfach darüber hinweggehen & sich nicht vergleichen.
#2 Use the buddy system - do not dive alone

Als #team (oder Gruppe) ist vieles leichter und sicherer. Such dir eine(n) Leidensgenossen/-in oder tritt einer Selbsthilfegruppe bei, um deine Sorgen zu teilen und Feedback, Unterstützung & Tipps von anderen einzuholen. ➡️@LangzeitC
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Jan 21, 2022
#longcovid & #mecfs werden nach wie vor häufig von ÄrztInnen nicht ernst genommen oder fehl gedeudet & gern als somatoform/ psychosomatisch eingeordnet

Warum ist das eigentlich so?
Ein 🧵 mit Erklärungsansatz.
Spoiler: Der ICD-10 Katalog könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.
1. LC-typische Symptome wie zB Tachykardie, Dyspnoe, Fatigue, thorakale Enge, Flush, flüchtige/ spontane Schmerzen/ Brennen etc. sind recht unspezifisch und kaum objektivierbar oder einem Organ konkret zuzuordnen. Standarddiagnostik bleibt häufig (aber nicht immer!) ohne Befund.
2. Die Schlussfolgerung der KollegInnen: „Wo ich nichts sehe, da ist eben auch nichts“, ist soweit an sich erstmal nachvollziehbar. Bei unauffälliger „organischer“ Diagnostik (zB LuFu), kann eben auch keine organische Diagnose (zB Asthma) gestellt werden.
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