#Gewalt (familiär wie straßenbezogen) ist zwar seit vielen Jahren ein (wellenförmig) rückläufiges Phänomen in Deutschland, aktuelle Entwicklungen in anderen europäischen Ländern & aktuelle Risikozuspitzungen lassen dennoch aufhorchen - ein #Thread 🧵
1/18
Dabei spielen drei #Risikofaktoren, die sich als eindeutig Gewalt begünstigend & provozierend erwiesen haben, eine zentrale Rolle:
1) Finanzielle Sorgen & wirtschaftlich-sozialer Abstieg von #Familien
2) gewachsene Bildungsdesintegration
3) Eskalierender Wohnungsmarkt
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Es ist durch vielfältige Studien belegt, dass nicht nur Armut, sondern auch der antizipierte wirtschaftliche/ soziale Abstieg Gewalt begünstigt. Dies gilt auf individueller Ebene für den Faktor familiärer Gewalt - vor allem bei Partnerschaftsgewalt spielen diese Faktoren... 3/18
...eine zentrale Rolle. Aber auch wachsende Armut in einer Gesellschaft oder bestimmter gesellschaftlicher Gruppen (z.B. regional in strukturschwachen oder von Wandel besonders betroffenen Gegenden) begünstigen Gewalt: innerfamiliär wie auch auf der Straße/ in den Quartieren.4/18
Insofern ist die #Inflation allgemein, vor allem aber die starke Haushaltsbelastung durch die #Energiekosten (denen nicht so ohne weiteres durch stärkeren Verzicht entgegengewirkt werden kann, ohne als Familie einen spürbaren Preis zahlen) ein direkter Risikofaktor... 5/18
...für eine potentielle Trendwende in der Gewaltentwicklung.
Als zweites zeigt sich, dass sich in Folge der Pandemie die #Bildungsungleichheit in Deutschland verstärkt hat. Die Integration ins Bildungssystem, verbunden mit einer positiv antizipierten Zukunftsperspektive... 6/18
...zeigen sich im Jugend- & jungen Erwachsenenalter als hoch relevant. So zeigten internationale Studien, dass gerade Bildungsperspektiven ein, wenn nicht der zentrale Faktor sind, damit Devianz im Lebenslauf nur eine Episode bleibt & sich nicht biographisch chronifiziert. 7/18
In einer eigenen Studie zur Straßengewalt in städtischen Problemquartieren konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass die Integration ins Bildungs- und Schulsystem stärker mit Straßen- & Gruppengewalt assoziiert ist als z.B. Geschlecht, Alter, ein eigenes Zimmer o.Ä. 8/18
Insofern könnte, wenn es uns nicht gelingt, diese Entwicklung wieder einzufangen, und das Schulsystem weiter durch Leistungsdruck & "Aufholen nach Corona" die "guten" SuS zwar stresst, aber vor allem die ins Trudeln geratenen Schüler*innen immer weiter ins Abseits drängt,... 9/18
...weil durch viele Tests & Noten Defizite bis ins kleinste Detail dokumentiert, nicht aber aufgearbeitet werden, Jugendgewalt als Folge unzureichender Bildungspolitik & psychosozialem Supports im Kontext der Pandemie begünstigt werden. 10/18
Als dritter Faktor zeigt sich der eskalierende Wohnungsmarkt vor allem im städtischen Raum als Problematisch. Diese Dynamik führt dazu, dass im Kontext von Stadtentwicklung wieder eine stärkere Segregation innerhalb der Wohnquartiere einsetzt & sich die Situation in... 11/18
...Quartieren mit besonderem Entwicklungsbedarf wieder durch eine Ballung von Armut & von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen auf dem Wohnungsmarkt systematisch benachteiligt werden (Alleinerziehende, Menschen mit Migrationsgeschichte), verschärft. Dies führt zu... 12/18
...Prozessen, die sich als "neighborhood disorders", "residential instability" & "poor social cohesion" in den Quartieren beschreiben lassen & in der Forschung als begünstigende Faktoren für lokale Gewalt-Hotspots bekannt sind. Etnische Heterogenität oder ein erhöhter... 13/18
...Migrationsanteil im Quartier konnten übrigens weder international noch in Deutschland als eigenständige gewaltbegünstigende Faktoren nachgewiesen werden - diesbezüglich ist der Forschungsstand eindeutig!
Der eskalierende Wohnungsmarkt trägt also zur Entstehung und... 14/18
...Manifestation von so genannten "sozialen Brennpunkten", die dann stigmatisiert werden (z.B. durch diese Bezeichnung) & somit zur weiteren Ausgrenzung ihrer Bewohnerschaft aktiv beitragen, bei. Das begünstigt die Entstehung sowohl familiärer & straßenbezogener Gewalt. 15/18
Diese drei Risikofaktoren stellen also ein reales Risiko für eine negative Entwicklung der Gewalt in Deutschland dar!
Dazu kommt, dass wir gerade eine extreme Bereitschaft in der Gesellschaft wahrnehmen, mittels einfacher Erklärungen, Desinformation, FalseBalance in der... 16/18
...Berichterstattung & medialer Wahrnehmung sowie der Konstruktion von Sündenböcken Prozesse sehen, die durch eine politische Instrumentalisierung die Situation noch gefährlicher machen. Rechtspopulistische Panikmache auf Grundlage von FakeNews, kommunikative... 17/18
...Aufweichung der Grenzen zur Selbstjustiz sind politisch brandgefährlich und können schon jetzt problematische Desintegrationsprozesse verstärken!

Wir könnten aber auch die Risikofaktoren verringern und Desinformation mit Wissen & Fakten entgegentreten!
🧵-Ende

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Jan 5
Härtere Strafen sind ebenfalls ein zahnloser Tiger in der Gewaltprävention – dass der Staat „ein Zeichen setzen müsse“ ist ein hartnäckiger Mythos ohne wissenschaftlichen Beleg. Natürlich: da, wo sich feste Gruppen oder Manipulationen ausbilden, muss anders gehandelt werden.63/68
Bezogen auf Gewalt gg Einsatzkräfte wären evidenzbasierte Strategien:
1. Entdeckungswahrscheinlichkeit erhöhen
2. Verstärkung der Sozialarbeit in Quartieren
3. Präsenz von Einsatzkräften in Stadtteilen, Schulen, Kindergärten
4. Schulungen im Umgang mit spontanen Synchronisationen
Zu 1: Es ist lange erwiesen, dass die Wahrscheinlichkeit, „erwischt“ zu werden, Gewalt reduziert – unabhängig von der zu erwartenden Strafe. Zu 2: Langeweile & das Gefühl, sozial abgehängt zu sein, sind nachwsl. problematisch. Soziale Arbeit ist die effektivste Strategie… 64/68
Read 8 tweets
Jan 5
So, wie angekündigt ein Thread über #Gewalt gegen #Einsatzkräfte von #Feuerwehr, #Rettungsdienst & #Polizei unter dem besonderen Eindruck der #Silversternacht – aus Sicht der #Gewaltforschung.

Es wird lang und komplex…
1/68 Image
Ich bitte aber dennoch, ganz zu lesen, oder aber an dieser Stelle abzubrechen, denn Einzelaussagen werden der Sache nicht gerecht. Wer nicht wirklich interessiert ist, sondern nur Narrative anheizt – Ich blocke alles weg, was Aussagen verfälscht!
2/68
Also fangen wir an: Zunächst müssen wir zwei Fragen beleuchten, bevor wir auf die näheren Details eingehen: Erstens: Ist das überhaupt ein Phänomen, das heraussticht, oder ist es durch aktuelle Diskussion & mediale Aufmerksamkeit gepuscht? Zweitens: Mit was für einer Form… 3/68
Read 63 tweets
Dec 7, 2022
Aus Sicht eines Gewaltforschers ist es kaum auszuhalten, wie die Frage der Herkunft eines Täters politisiert wird. Sollten wir diese Frage stellen? UNBEDINGT – aber wir müssen die richtigen Schlüsse daraus ableiten. Ein #thread 🧵 über #Gewalt, #Herkunft & #Ursachen
1/47 Zeichnung einer geballten F...
Vorwort: Wenn Sie nicht bereit sind, diesen langen Thread bis zum Ende zu lesen, JETZT abbrechen – Antworten auf komplexe Fragen sind niemals einfach & aus dem Zusammenhang gerissene Kommentare unnötig!
ZUALLERERST: Mein Mitgefühl gilt den Familien der Opfer der Gewalt -
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…UNEINGESCHRÄNKT!
Und von dort aus erwehre ich mich JEDER Instrumentalisierung. Meine Äußerungen beziehen sich nicht auf den Einzelfall, sondern auf die generelle Frage, ob Herkunft & ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit beim Verstehen von Gewalt wichtig ist & welche… 3/47
Read 49 tweets
Nov 29, 2022
Da die Diskussion aktuell geführt wird, poste ich hier mal die vlt. wichtigste Grafik, die ich im Rahmen einer #Evaluation eines wirklich guten Modellprojektes an 2 durch besondere regionale Bedingungen ins Schleudern geratende Gesamtschulen erstellt habe:
#thread:
#twlz #schule Grafik mit der Gewichtung von Methoden, die zeigt, dass Bera
Zum Kontext:
Die Ergebnisse blieben unveröffentlicht, da die Schulen die berechtigte Sorge hatten, wenn sie sich als besonders belastete Schulen darstellen und öffentlich diskutiert werden, dies Einfluss auf die Entscheidungen von Eltern bei der Schulwahl haben könnte.
2/9
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Read 9 tweets
Aug 12, 2022
Seit Montag ist das Thema #Deeskalation nach einer #Eskalation in einer #Jugendhilfe-Einrichtung allgegenwärtig. Für alle, die das Thema WIRKLICH bewegt ein #Thread auf Grundlage der #Gewalt- & Eskalationsforschung & jahrelanger Erfahrung mit Gewaltsituationen in der Praxis. 1/53
VORWORT und zur Klarstellung: Der Tod des jungen Menschen erschüttert mich zutiefst, ohne dass ich faktenfrei ein Urteil fällen werde. Wer glaubt, klar sagen zu können, da sei ein kaltblütiger Mord geschehen – klicken Sie weiter, der Thread ist nicht für Sie! Genauso alle…
…die ohne jeden Kontext glauben sagen zu können, der junge Mann sei „selbst schuld“ und habe es „verdient“ – teils noch gepaart mit rassistsichen Narrativen – vergesst es! Nichts für Euch. Auch Maße ich mir nicht an, dem Vorfall in Dortmund beurteilen & analysieren zu können…
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Jun 13, 2022
Daten aus den Kinder- und Jugendpsychiatrien des Netzwerkes Universitätsmedizin in Deutschland aus der 2+3 Welle. Klinische und eine nicht-klinische (Vor-)Schulstichprobe und ein spannendes und differenziertes Ergebnis.
Ein paar wichtige Punkte: 1/10
link.springer.com/article/10.100…
Ich fange mal (fast) hinten an:
"Die mit Abstand stärksten Belastungen sehen sowohl Eltern als auch Kinder und Jugendliche durch die reduzierten Freizeit und Beschäftigungsmöglichkeiten – hier beschreiben rund 70–90% leichte bis starke Verschlechterungen." 2/10
Dies kam recht früh in internationalen Studien schon zum Vorschein und wurde entsprechend auch von pädagogisch-psychologischer Seite lange angemahnt (vgl. z.B. Baumann, Berghäuser, Bolz & Martens 2021). 3/10
socialnet.de/materialien/at…
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