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Im Bett liegen. Nicht schlafen. Die Wand anschauen. Kein Drang danach, aufzustehen. Frühstück? Viel zu anstrengend. Duschen? Auch zu anstrengend. Etwas Schönes machen? Was ist denn noch schön. Nichts. Etwas tun, das immer Spaß macht? Es macht nichts mehr Spaß.
Freunde treffen? Zocken? Daddeln? Sport? Abhängen? Kaffee? Bier? Alles keine Option. All die Dinge, die vorher Freude machten, sind absolut keine Option. Vorher, das war die Zeit, in der Du Dich vor unangenehmen Aufgaben drücktest, indem Du einfach rumsaßt. Faul warst.
Die Zeit, in der Du unangenehme Aufgaben aufschobst und stattdessen etwas machtest, das Spaß gemacht hat. Jetzt wird alles aufgeschoben. Jetzt gibt es nichts mehr, das Spaß macht. Jetzt wärst Du gern faul, denn faul hieße, Du hättest noch eine Absicht.
Die Absicht, etwas nicht zu tun, etwas zu vermeiden, stattdessen etwas anderes, Schöneres zu tun. Doch Du hast keine Absicht mehr. Du hast keinen Willen mehr. Willst nichts mehr. Doch, etwas willst Du: dass es aufhört. Dass Du wieder etwas willst.
Denn auch das Herumliegen macht keinen Spaß. Denn Du fühlst Dich elendig. Oder leer. Oder traurig. Oder verzweifelt. Du wärst gern faul, denn dann hättest Du wenigstens noch halbwegs gute Laune dabei. Wärst irgendwie präsent, hättest Pläne, wärst trotzig oder einfach entspannt.
Wärst Du faul, wäre es Deine aktive Entscheidung, nichts zu tun. Stattdessen entscheidet ein Teil von Dir, auf den Du keinen aktiven Zugriff hast, dass jetzt Antrieb, Entscheidungsfähigkeit, Lust, Freude, Aktivität und positive Emotionen abgeschaltet werden.
Es ist nicht Deine Entscheidung, Du bist ihr passiv ausgeliefert. Übrig bleibt die Hülle, die einfach da ist. Und die negativen Emotionen. Du bist das Auto, das kein Benzin mehr hat, das Fahrrad ohne Kette. Mit nur wollen im Tank ist noch nie ein Auto losgerollt.
Was Du brauchst ist Hilfe. Professionelle Hilfe von außen, die Dir erklärt, was mit Dir passiert. Die Dich verstehen lässt, dass anstrengen, zusammenreißen und weitermachen wollen wie vorher nicht hilft. Du brauchst jemanden, der Dir zeigt, wie Du wieder ins Wollen kommst.
Wo Du das Benzin findest und wie es in den Tank kommt. Wie Du die Fahrradkette aufziehst und wie Du die Pedale bedienst. Du brauchst Profis, die Dich verstehen und nicht wegmotivieren, sondern die den Weg mit Dir gehen. Die Dir beibringen, wie Du wieder Spaß haben kannst.
Profis, die Dir beibringen, wie Du aktiv werden und sein kannst, und wie Du faul sein kannst.
Faulsein ist ein zeitlich begrenzter Zustand, der aufhört, wenn Du es willst. Depressiv sein ist ein Zustand, der nicht aufhört, wann immer Du es willst. Es ist ein Gefangensein in Emotionen oder Emotionslosigkeit. Es ist ein Zustand, in dem niemand freiwillig ist.
Es ist ein schrecklicher Zustand. Einer, den niemand, der nur Faulheit kennt, haben wollen würde. Wer faul ist, kann mit einem Arschtritt oder Durchhalteparolen in Aktion gebracht werden. Wer depressiv ist, braucht professionelle Hilfe. Kein Arschtritt der Welt holt Dich da raus.
Wenn ihr nur Faulheit kennt, werdet ihr nicht verstehen, was depressiv sein bedeutet. Das ist nicht schlimm, denn niemand, der es nicht selbst kennengelernt hat, kann es wirklich nachvollziehen.
Schlimm ist es aber, wenn ihr von Eurer Faulheit oder Unkenntnis auf anderer Leute Depression schließt. Es ist nicht dasselbe.

Seid keine Bremsklötze, die motivierende Arschtritte verteilen. Seid die helfende Hand oder das empathische Ohr.

Seid keine Champignons.
Ich räume übrigens gerade meine Wohnung etwas auf und mache mir Frühstück. Danach wird das Bad etwas poliert. Mir geht es gut, ich habe Pläne. Der Weg hierher war lang und schwer. Arschtritte und Motivationsparolen haben mir auf diesem Weg übrigens nicht geholfen...
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