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jetzt, wo sie nicht mehr in der #wienbibliothek steht, will ich euch noch eine kurz virtuelle führung durch die #karlkraus-ausstellung geben. in den ersten vitrinen ging es um die PRESSE, darum wie kraus arbeitet, was et gegen die presse hat, wie er falschmeldungen berichtigt...
in der I. republik kommt mit bekéssy die boulvardpresse nach wien - kraus' kampf gegen den »schuft« ist hier thema wie auch die berichtigung von wengrafs diktum, kraus lese tagaus tagein nur zeitungen - in form einer leseliste, die u.a. das österreichische strafgesetzbuch enthält
weiter die straße entlang kommen wir zu den politischen parteien, deren gegnerschaft die I. republik prägt. kraus reüssiert mit lesungen aus d »letzten tagen« vor arbeiterInnen, ruft 1919 zur wahl der sozialdemokratie auf, fühlt sich in antimonarchismus u pazifismus verbunden...
nach einem letzten zusammengehen gegen den polizeipräsidenten johann schober bricht kraus spätestens mit der rede »hüben und drüben« mit der SOZIALDEMOKRATIE, deren anschlussrhetorik er anklagt.
im gegensatz dazu ist kraus kein fan der CHRISTLICHSOZIALEN, über deren antisemitische, nationalchauvinistische u katholisch frömmelnde »reichspost« er regelmäßig spottet er erfindet den kasmader als idealen leser der reichspost...
seine parteinahme für dollfuß kommt dann also 1934 für viele überraschend. von ihm erhofft er sich die rettung österreichs vor dem nationalsozalismus...
der rechten in ö und d ist kraus als pazifist u jude bekannt. er erhält antidemitische schmähbriefe, wir regelmäßig in den zeitungen der hakenkreuzler angegriffen u schafft es 1928 sogar auf die titelseite des »völkischen beobachters«
*wird - und #karlkraus schau oba, was die tippfehler angeht. ich schreibe gehend...
in der »dritten walpurgisnacht«, seiner posthum erschienenen analyse des NATIONALSOZIALISMUS zeigt #kraus, das man 1933 schon sehr gut erkennen konnte, wie brutal u schrecklich der nationalsozialismus werden würde - einfach indem man zeitungsmeldungen u das darin beschriebene...
leid anderer ernst nahm. dazu musste man kein genie sein, wie der @krieghofer immer sagt.
so, nachdem wir also die straße des kontexts entlanggegangen sind, kommen wir zu #kraus' räumen. zuerst zum BÜHNENRAUM. er wollte mal schauspieler werden, schrieb neben über 22.000 seiten »fackel« u den »letzten tagen« noch 5 weitere stücke u las ab 1910 eigene u fremde texte vor
tw hatte er über 50 auftritte/jahr, er las in ganz mitteleuropa u füllte mehrfach den großen konzerthaussaal. sein verhältnis zur theaterbühne bleib aber gespannt u er hatte meist einwände, wenn seine stücke od nachdichtungen von nestroy, offenbach u shakespeare inszeniert wurden
ab 1918, nach rechtsreformen, trug kraus seinen »kamf ums recht« auch gern in den GERICHTSSAAL. abseit von 922 nummern der fackel u 700 vorlesungeprogrammen sind 203 aktenkonvolute seiner anwaltskanzlei oskar samek erhalten. meist ging es um mediendelikte, ehrenbeleidigung oder
urheberrecht. kraus klagte leute wie alfred kerr, anton kuh, emil ludwig, peter lorre (dem er geld geborgt hatte) u.v.m.
diese rechtsakten edieren wir nun mit dem @ACDH_OeAW bis 2021.
wenn einer zwischen 1899 u 1936 22.500 seiten fackel schreibt (ab 1911 allein), 700 vorlesungen hält, 203 rechtsstreitigkeiten hat, dann kann er kein privatleben haben, oder? tatsächlich war kraus nie verheiratet u hatte keine kinder... ABER...
er hatte zumindest zwei wichtige beziehungen zu annie kalmar u sidonie nadherny von borutin sowie zahlreiche kürzere affären, er hatte freundeskreise u eine familie, ohne deren geld jedenfalls sein start so nicht möglich gewesen wäre.
all diese bilder hingen in seinem PRIVATRAUM.
an sidonie nadherny schrieb er 1065 liebesbriefe, die meist damit beginnen, dass er keine zeit hat zu schreiben, aber dann doch einige seiten umfassen... »ich glühe vor liebe und denken.« (oder umgekehrt)
obwohl kraus mit seiner dollfuß-unterstützung 1933/34 viele freundInnen verlor, waren da noch genug um ihn, die wußten, was zu tun war, als er 1936 starb - totenmaske anfertigen, trauerfeiern, grundstock für museum legen... wie ma halt so tut bei bedeutenden männern.
die ERINNERUNG an kraus lebte ab 1938 im exil - auch sein nachlass wurde großteils aus österreich gerettet, das gedenkzimmer zerstört.
viktor matejka, kpö-stadtrat gründete 1945 gleich wieder eine kraus-gesellschaft u holte den kraus archivar paul schick, einen exilanten, zurück.
bis heute gibt es kein kraus-institut für medienkritik, obwohl brecht das empfohlen hat.
gerda lerner, elfriede jelinek, jonathan franzen uvm berufen u beriefen sich in ihrem denken auf #karlkraus
phänomene wie fake news, spin usw. sind nicht neu u wurden von kraus aufgezeigt.
*kurze führung
*was er gegen...
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