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Seit 15 Uhr läuft auf Instagram mit #evastories die Geschichte eines 13-jährigen jüdischen Mädchens während des Holocaust in Form einer Instastory (instagram.com/eva.stories/). Ich versuche mal, ein paar erste Gedanken zu bündeln #digsmem (Thread) 1/
Viele Informationen zum Projekt bietet dieser ausführliche Artikel in der @nytimes (nytimes.com/2019/04/30/wor…) und auf @heiseonline gibt es eine deutsche Zusammenfassung (heise.de/newsticker/mel…) #evastories 2/
Mehr zu Éva Heyman, auf deren Tagebuch die Geschichte beruht: de.wikipedia.org/wiki/%C3%89va_… (danke an @pallaske für den Link) #evastories 3/
Grundsätzlich begrüße ich die Idee, für historische Bildung/Holocaust Education dorthin zu gehen, wo sich die anvisierte Zielgruppe aufhält. Das tun viele Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen allerdings auch schon länger, auch auf Instagram. Neu ist das Format. 4/
In der Berichterstattung ist von "Millionen Schekel" die Rede, die Initiator Matti Kochavi privat in die Idee investiert habe. Erster Eindruck: Das Geld ist in die Ausstattung der Dreharbeiten und die Werbekampagne geflossen. Fast 400.000 Follower sind beeindruckend. 5/
Gerade Letzteres finde ich spannend, denn bei den Projekten zu digitaler Geschichtsvermittlung wird das meiner Meinung nach noch unterschätzt. Da werden tolle Produkte erstellt und dann nutzt sie niemand (@sachorjetzt war ein positives Gegenbeispiel). 6/
Zur Story selbst: Der Claim "What if a girl in the Holocaust had Instagram" ist vor allem Marketingsprech. Es werden in der Story zwar Stilelemente der "platform vernacular " (des instagramspezifischen Dialekts) genutzt, um dies zu suggerieren #evastories 7/
(Hashtags, Ortstags, Perspektiven, grafische Gestaltung, Filter, Boomerangs, Musik etc. sollen symbolisieren, dass hier eine Insta-Story läuft), aber in meinen Augen wird das eben nur symbolisiert und nicht bis zur letzten Konsequenz durchgezogen. 8/
Vielleicht lässt sich das am ehesten mit Found Footage im Film vergleichen, wo über das visuelle Erscheinungsbild auch eine Authentizitätsfiktion hergestellt wird. #evastories 9/
Was mir auch auffällt, ist die minimale Nutzung von Gifs und Fotos. Das ist ziemlich unrealistisch (und verschenktes Potential). Auch die Videos brechen immer wieder aus dem aus, was eine "echte" Instagram-Story ausmacht. 10/
Gerade die häufig genutzte Perspektive, in der die Kamera nicht in der Hand gehalten wird, sondern fest an einem Ort steht, um so eine Totale von Eva zu ermöglichen, zeigt, dass immer wieder die Vermittlungsabsicht und die visuelle Ästhetik Oberhand über die realistische 11/
Nutzung des Mediums Instagram gewinnen (ich gehe nicht davon aus, dass Eva einen "Instagram-Husband hat, der für sie filmt). Ein gutes Beispiel dafür ist die Tanzszene (schöne TikTok-Referenz BTW), in der die Aufnahme weiterläuft, als die Deportation der Cousine passiert. 12/
Das erinnert mehr an einen Livestream, als an eine im Anschluss bewusst hochgeladene Insta-Story. In der Szene finde ich die Schauspielqualität übrigens ziemlich mager, das wirkt auf mich trotz der kommunizierten hohen Produktionskosten sehr billig. #evastories 13/
Inhaltlich finde ich es bisher noch recht flach, bin aber gespannt darauf, wie sie es weiterhin schaffen, notwendige Informationen und Inhalte so zu verpacken, dass der Claim von Evas Story möglichst glaubhaft bleibt. Die Wochenschauvideos sind so ein Versuch. 14/
Interessant finde ich auch die Szene, in der Eva mit ihren Großeltern über die Deportation von Martha spricht. Das erinnert mich mehr an eine Szene aus einem First-Person-Game, als eine Insta-Story. #evastories 15/
Was ich mich gerade frage: Gibt es Beispiele für Jugendliche, die aus aktuellen Kriegen auf Instagram posten? #evastories 16/
Gut gelöst ist, wie beiläufig sich Antisemitismus bemerkbar macht und in der Story auftaucht. Die Szene mit dem knappen Kommentar eines Passanten ("dirty jew"), der die vorherige fröhliche Sequenz beendet, ist unangenehm genug, um die Botschaft rüberzubringen #evastories 17/
Beim Weiterschauen bestätigt sich das Muster, dass ohne Probleme mit der Plattformlogik als auch historischen Logiken gebrochen wird, wenn es die Geschichte erfordert (z.B. dass der Gestapo(?)-Mann es zulässt, offen gefilmt zu werden). #evastories 18/
Ergänzung: das in der Apotheke waren wohl noch Ungarische Polizisten, keine Deutschen. Mir fällt daran gerade auf, dass das stückchenweise Schauen es nicht einfacher macht, Chronologie und größere Zusammenhänge im Kopf zu behalten 19/
Was mir übrigens fehlt, ist eine Reflexion darüber, für wen Eva die Stories macht. Sie bekundet zwar irgendwann ihren Willen, alles dokumentieren zu wollen, aber für wen bleibt unklar. Wer sollen denn ihre Follower sein? #EvaStories 20/
Gut genutzt wird Instagram übrigens bei der Deportation ins Ghetto finde ich. Die absolute Ich-Perspektive ermöglicht einen Blick aus dem Inneren, die Unwissenheit/Unsicherheit der Deportierten wird spürbar (-> Unterschied zur distanzierteren Kameraführung in Spielfilmen) 21/
Im Anschluss an den Austausch mit @stephaniebillib weiter oben: Man hätte Einführung und Einbettung in den hist. Kontext meiner Meinung nach eleganter lösen können, nämlich indem man vor Beginn der Stories normale Posts absetzt, die Vorgeschichte, Familie usw. einführen 22/
Wer keinen Instagramaccount besitzt, kann die Stories hier anschauen: storiesig.com/stories/eva.st… #evastories
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