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Dr. Blume hielt am 16.09.2018 in Stuttgart vor der DIG einen Vortrag zum BDS, in dem er auch Antisemitismus erläuterte. Er sprach ein religiös/konfessionell gemischtes Publikum an. Zum besseren Verständnis des Kontextes empfehle ich das Original, zB hier:
"Antisemitimus [...] der Hass auf Juden und andere Angehörige semitischer Religionen..." - Auch ich halte Antisemitismus für eine Gefahr für den Rechtsstaat, aus verschiedenen Gründen. Dennoch halte ich diese Auffassung von Antisemitismus für irreführend, schon historisch gesehen
Er spricht sich zu Recht gegen verschiedene fragwürdige Haltungen zu Israel aus. Dennoch wünschte ich mir hier eine Einschränkung: das Wort "auch".
Das ist ein Gedankenexperiment: War der Mörder von Rabin ein Antisemit? Dieser Zusammenhang wird mit dem vorangehenden Satz hergestellt.
Dr. Blume beschreibt zutreffend die Entstehung des Begriffs Rassismus im Spanien des 14. Jhdts. und später. Dann folgt sein Plädoyer, für ihn ist Antisemitismus eine Form des Rassismus, die mit Verschwörungsmythen verbunden ist. Dann erfahren wir, wann der AS entstand.
Ich halte fest: Der AS entstand deutlich nach Erfindung der Brunnenvergifterlegende (und Ritualmord., Christusmörder u.s.w.). Ich kann Dr. Blume in vielem folgen, und werde dann doch immer wieder irritiert.
Hier nicht dargestellt: Dr. Blume spricht von semitischen Religonen und möchte dem AS den Semitismus entgegensetzen. Es ist neu für mich, dass Juden-, Christentum und Islam als semitisch zusammengefasst werden. Bisher galt das nur für Altreligionen, aber vllt. bin ich nicht...
up to date. Semitismus hat eine Vergangenheit als antisemitischer Kampfbegriff, so weit ich weiss; das war, er kam von Marr und seinen antisemitischen Kumpanen.
Auf dem scilogs-Blog schreibt Dr. Blume über den Hooton-Plan, der auf ein Zitat eine US-Amerikaners in den 40ern zurückgeht. Er nennt ihn zutreffend einen Verschwörungsmythos und lässt ihn solitär stehen.
scilogs.spektrum.de/natur-des-glau…
Tatsächlich ist der Hooton-Plan nicht solitär. Die Behauptung, in Deutschland solle eine Mischrasse ("Völkerbrei") williger Industriesklaven durch "Vermischung" "gezüchtet" werden, findet sich bei den Antisemiten der 20er Jahr wie dem Haus Ludendorff. Hooton war damit nicht
originär, vielmehr bestätigte er die Verschwörungsideologie und ermöglichte die Ausdehnung der Verschwörer auf die USA, denen DE im WWII unterlegen war. Alles nicht neu, sondern Versatzstück der New World Order, die als Mutter der Verschwörungsideologien nach dem Ende des
real existierenden Sozialismus ab 89/90 zunächst in den USA entstand. Ich bin verwundert, dass Dr. Blume die Einordnung in die "Ideengeschichte" der antisemitischen Verschwörungsideologien nicht gelingt.
Im o.a. Artikel zitiert Dr. Blume sich selbst (s. Bild). Auch wenn die Argumentation im Einzelfall - abhängig vom jeweiligen Antisemiten - richtig sein kann (Camus, der Erfinder des neuen "großen Austausch" argumentiert anders), ist die Feststellung von Dr. Blume in vielen...
historischen Zusammenhängen nicht haltbar. Die Pogrome und die nachfolgende Vertreibung der deutschen Juden nach der Pest um 1350 richteten sich gewiss nur gegen Juden, und das müsste auch Dr. Blume bewusst sein.
In einem weiteren Blogbeitrag erläutert er sein Konzept des Ethnonationalismus (neuer Begriff für Ethnopluralismus bzw. Ethnozentrimus), und dass dies die global dominierende Variante des heutigen Antisemitismus sei.
scilogs.spektrum.de/natur-des-glau…
Tatsächlich ist es fragwürdig, ob global zutreffend ist angesichts der vielen Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit und der Bevölkerung in China, Indien u.s.w. Das die Umvolkungsthese im Westen leider erfolgreich ist, lässt sich nachvollziehen. Wie diese Vermutung für den
Rest der Welt quantifiziert werden kann, ist mir schleierhaft.
Noch einmal zu Begrifflichkeiten: Dr. Blume führt den Begriff des Ethnonationalismus ein für Verschwörungsideologien wie die vom "großen Austausch". Warum? Der Begriff würde bereits gängig, liest man, zuvor heisst es, das andere Begriffe wie Ethnopluralismus verwendet würden. ...
Selbstverständlich kann man den letzten Begriff als zu positiv ablehnen, er ist ein Begriff der Neuen Rechten aus dem Jahr 1973. Ob man dann mit Ethnonationalismus einen Begriff wählt, der bereits verwendet wird, und das mit einer eindeutigen Zuschreibung, ist was anders. ...
"Ethnonationalismus bezeichnet damit das Streben einer sich selbst als Nation auffassenden Ethnie nach Staatlichkeit.", weiß zutreffend die Wikipedia. Der Begriff meint also tatsächlich etwas anders als das, was Blume damit verbindet.
de.wikipedia.org/wiki/Ethnonati…
Ein Absatz aus Blumes neuem Buch "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht". Ich interpretiere: Eine antisemitische Gesellschaft könne keine Fortschritte erzielen. Europas Kultur war von Antisemitismus durchtränkt, und dennoch gab es den allgemeinen Landfrieden. Arndt war...
bereits rassischer Antisemit und trat für das Ende der Leibeigenschaft ein. Linker und "Menschenrechts"-Antisemitismus lässt sich mit B.'s Text nicht begründen.
Möglicherweise fehlt hier nur das Lektorat, und er hätte seinen Ethnonationalismus ergänzen müssen, aber auch dann...
fiele der AS von Ernst Moritz Arndt durch's Raster.
Zitat: E-Book-Position 1570
Die Textpassage unmittelbar zuvor. Blume bezieht den zuvor zitierten Absatz mit dem Wort "dagegen" unmittelbar auf diesen Text. Tatsächlich kann ich aus "Recht für den Sklaven" und "Schütze den... Sklaven" keine Forderung nach dem Ende der Sklaverei herauslesen.
War das Römische
Reich aufgrund der Sklaverei antisemitisch? Wurde es antisemitischer, als mit dem Zerfall die Leibeigenschaft begann? Die amerikanischen Gründerväter erkannten das Problem der Sklaverei, engagierten sich aber nicht, weil sie dachten, es würde sich aus ökonomischen Gründen von...
selbst erledigen. Immerhin könnten sie so nach Blume knapp als Nicht-Antisemiten durchgehen.
Hier beschreibt Blume das Ende der Weimarer Republik anhand der Serie "Babylon Berlin". Die große Zeit des Berliner Nachtlebens, das unmittelbar nach dem WWI begann, waren die Jahre 1929 bis 1929. Das Ende der kurzen "goldenen Jahre" war die Weltwirtschaftskrise von 1929. ...
Ab 1930 wird mit Notverordnungen regiert. Dennoch kann der Reichstag Notverordnungen aufheben, Gesetze erlassen, Regierungen absetzen. Das Ende der Demokratie ist die Ernennung Hitlers 1933. Es liegen also vier Jahre zwischen dem "letzten Aufbäumen" und dem Zusammenbruch.
Und natürlich hatte die Weimarer Republik nicht nur unter Hitlers Gefolgschaft zu leiden, sondern ebenso unter dem Extremismus der KPD, der sich gegen die als "sozialfaschistisch" diffamierte SPD und die Weimarer Republik wand.
Halten wir fest: Konfrontation mit dem Mauerbau 1961, der Brief von Chruschtschow von 61, dann gelang ein Jahr später die Lösung der Kuba-Krise, als hätte dies schon längere Zeit bestanden. Dabei meine ich, dass die getarnten sowjetischen Boote mit Militär und Ausrüstung erst...
im Juli 1962 in Kuba eintrafen. Anders als Blume nahelegt, nahm die Sowjetunion die "Gefahren eine solchen Kampfes" auf sich. Und beide Parteien sassen nicht wegen Briefen in der Situation, sondern generell. Eine schöne Geschichte, aber mE wissenschaftlich nicht sonderlich seriös
Ich weiss tatsächlich nicht, was "klassisch-antisemitisch" für das 11. Jahrhundert und den von B. geschilderten Vorwurf bedeuten soll. Den gelben Ring mussten Juden hie und da in Europa schon vor dem Konzil tragen.
Die Geschichte tödlicher Judenpogrome in Deutschland beginnt mit dem sog. Armenkreuzzug. Betroffen waren zuerst die jüdischen Gemeinden in Speyer, Worms und Mainz. Meines Wissens ist ein Vorwurf einer Zusammenarbeit mit Muslimen nicht überliefert. Der Vorwurf lautete, dass die...
Juden die Christusmörder seien.
Die Behauptung von B. ist für mich schlecht nachvollziehbar: Juden hätten sich mit Muslimen verschworen, wäre der Auslöser "für Pogrome und Vernichtung ganzer Gemeinden" zur Zeit der Kreuzzüge. Im Umkehrschluss dieser Behauptung hätte es keine Pogrome ohne die Behauptung der...
Verschwörung mit Muslimen gegeben, d.h. der Vorwurf des Christusmordes allein hätte nicht zum Pogrom geführt. Historisch ist das nicht korrekt.
Nach einer Darstellung der weiteren Entwicklung des AS in Europa schließt Blume auch die Verschwörungsideologie vom "großen Austausch" an, nebst der muslimischen, wonach die Zerstörung arabischer Länder auf die Juden zurückginge, und schließt den Kreis zu den historischen...
Ausprägungen des AS. Im speziellen Fall wäre - so ist die Abfolge im Buch - die historische Verschwörungsideologie für den "großen Austausch" die der Verschwörung von Juden und Muslimen aus der Zeit der Kreuzzüge. Tatsächlich habe ich in den letzten Jahren viel AS-Zeug gelesen,..
und da beginnt die Rothschild-Sache mit dem jüdischen Volk in Babylonien, aber einen Rückgriff auf eine jüdisch-muslimische Verschwörung ist mir nie untergekommen. Aber möglicherweise gibt es das ja doch. Allerdings ist die von B. angeführte Verschwörung der Juden mit den...
Muslimen zur Zeit der Kreuzzüge etwas anders als die Behauptung im "großen Austausch": Da geht es nicht um eine Verschwörung mit den Muslimen, sondern gegen diese und wahlweise Europa, die weisse Rasse u.s.w. B.'s Behauptung überzeugt hier nicht.
Zunächst: Die Aussage zum AS, der B. zustimmt, wurde im Text zuvor nicht getroffen.
Blume benutzt erneut das als dualistisch und gegensätzlich erkennbare Begriffspaar Antisemitimus und Semitismus. Semitismus kam als Begriff in Völkerkunde und Sprachwissenschaft vor, auch in der.
Religionswissenschaft, bis es Leute gab, die diesen Begriff ins Negative wendeten und sich dagegen "aufrechte" Antisemiten nannten. Begrifflich ist Semitismus verbrannt, wir sprechen heute z.B. von den abrahamitischen Religionen vor allem in der Islamwissenschaft. Aus meiner...
Sicht ist es schon bedenklich, Semitismus zu erzählen (viele Geschichten), ohne ihn exakt zu definieren und ohne auf die Begriffsgeschichte einzugehen.
Wenn es an eine Definition kommt, dann hier: Danach ist Semitismus "die Alphabetisierung von Religion und Recht und damit die..
Grundlagen unserer längst globalen Zivilisation."
Blume schränkt nicht ein: Er schreibt nicht, es ginge um völkischen Nationalismus (Ethnonationalismus), es ginge um den "modernen Antisemitismus", also muss sein Gegensatz Semitismus ebenso universal sein. Wer gegen den Semitismus
handelt, handelt damit antisemitisch. Auf den ersten Blick abstrakt: Wer etwas gegen die Verschriftlichung hat, wer etwas gegen das Recht hat, wird antisemitisch.
Konkret wird es im nächsten Absatz. Hier heißt es, Antisemiten würden ich radikalisieren und illiberal werden. Zurück zu Arndt: Wurde der aus Judenhass zu jemandem, der das Interesse an einem demokratischen Land verlor (easy speak)? Waren diejenigen, die in Russland der...
Oktoberrevolution zum Sieg verhalfen, Antisemiten? Einige sicher. Damals, 1917 fiel die Entscheidung zwischen Demokratie und bolschewistischer Diktatur. Dass Stalin später zunehmend antisemitisch wurde, lag sicher nicht in der spezifischen Diktatur begründet.
Was ist mit christlichem Antisemitismus? Selbst heute begegnen mir solche Überzeugungen in den Netzwerken; man muss die kurz angerissenen Bibelstellen z.B. aus der Offenbarung kennen oder nachschlagen. Christlicher Antisemitismus macht den Juden zum Vorwurf, nach aus christlicher
Sicht Menschwerdung Gottes in Jesus Christus das Auserwähltsein als Gottes Volk beibehalten zu haben, während sich Gott durch Jesus der ganzen Welt gegeben habe. Dazu gesellt sich gern der Vorwurf des Christusmords. Für einen solchen christlichen Antisemiten braucht es keine...
weitere Verschwörung, er muss nicht illiberal werden und Illuminaten fürchten.
Blume beschreibt viel in seinem Buch, es liest sich interessant, und er ist gut bei dem, was Nähe zur Religionswissenschaft hat. Es gibt eine kurze Geschichte des europäischen Antisemitismus, die...
jedoch abrupt endet, nachdem er mal hier, mal dort ein paar Bruchstücke aus dem 20. Jhd. eingestreut hat. Er beschreibt Antisemitismus in der modernen Form (Blumes Form), die für ihn aus völkischem Nationalismus plus Verschwörungsideologie besteht. Geht man auf den Begriff des...
Ethnopluralismus der neuen Rechten zurück, kann die "Umvolkung" auch ohne Verschwörungsideologie beschrieben werden. Hier mangelt es schon im Vorhinein an einer Begriffsanalyse.
B. schreibt über muslimisch geprägte Gesellschaften, die am Antisemitismus zerbrechen würden, und...
begründet das mit eigenen Erfahrungen im Irak. Hier stünde eigentlich eine Geschichte der Entwicklung des AS im Orient an, aber das Thema wird nur kurz angerissen. Wir erfahren nicht viel über die konstitutive Rolle des AS bei der Muslimbrüderschaft und ihren Nachfolgern.
Ausgangspunkt ist der Bludan-Kongress 1937, nicht Qutb, dort wurde das Pamphlet "Judentum und Islam" verbreitet, das das NS-Regime übersetzen liess und zum Lehrmaterial für NS-Kader machte. Und es spielt eine Rolle, ob die Quelle beschrieben wird oder ein späteres Dokument.
Blumes These lautet, der AS zerstöre islamische Gesellschaften und bilde ein Entwicklungshemmnis. Aber das ist eine Henne-Ei-Frage, und so sollte ausreichend geklärt und dargelegt sein, wie die Entwicklung des AS verlief und wann die Hemmnisse eintraten. Wenn der Iran bis heute..
keinen Astronauten zum Mond geschossen hat, ist das die Folge des AS als Entwicklungshemmnis? Ist der Iran theokratisch verfasst, weil der Ayatollah Antisemit war? Iran ist heute die grösste Bedrohung Israels, und man darf sagen, die größte antisemitische Bedrohung. Maßgeblich...
ist der vom Ayatollah entfremdete Schiismus, in dem die Wiederkehr des verborgenen Imams beschleunigt werden kann und muss. Dazu muss Israel von den Juden befreit werden, damit die waqf in den muslimischen Schoss zurückkehren kann. Diese Überzeugung ist antisemitisch genug, auch
wenn das Regime den Holocaust leugnet und antisemitische Äußerungen gang und gäbe sind (was Blume Recht gibt).
Blume führt nun an, wen er anhand seiner Taten für antisemitisch hält, und er führt da eine üble Verbrecherliste ein. Zunächst fällt Achmadinedschad auf: Der ist zweifellos ein Antisemit, er war als Revolutionsgardist im ersten Golfkrieg, aber lässt das den Schluss zu, dass er...
antisemitische More mit zu verantworten hatte? Anders Breivik zündete eine Bombe im Regierungsviertel und tötete 69 sozialdemokratische Jugendliche. Er wandte sich gegen die Regierung und die kommende Generation der Sozialdemokraten. Er hinterliess ein Pamphlet, das man sicher
als voll mit Verschwörungsideologien betrachten darf, aber es wird nicht berichtet, dass diese antisemitisch waren, auch wenn von Globalisten die Rede ist. Sein Tatmotiv war offenbar nicht Judenhass; das Attentat wird deshalb allgemein als Rechtsterror betrachtet. Um es...
antisemitisch werden zu lassen, braucht es allgemeine Betrachtungen wie die der Verschwörungsideologie, des Blumeschen Semitismus u.s.w.
Die Brüder Kouachi verübten das Massaker bei Charlie Hebdo, dass die Mohammed-Karrikaturen veröffentlicht hatte. Islamisten sind grundsätzlich
Antisemiten, das liegt in der DNA seit der Muslimbruderschaft. Dieser Terrorakt wird weithin als eine islamistische Tat angesehen. Es ist verständlich, dass angesichts der Motivlage hier der Islamismus ausschlagend war. Dennoch kann der Terrorakt nun umgewidmet werden, weil...
Verschwörungsmythos. Auf Biegen und Brechen und ohne weitere Erläuterung, die man angesichts der Tatsache, dass Blume endlich das Ding mit dem AS herausgefunden hat (als Erster), erwarten könnte.
Was auffällt ist, dass Charlie Hebdo als antisemitischer Anschlag aufgeführt,
Coulibaly im koscheren Hyper Cacher nicht erwähnt wird.
Auch der Anschlag auf das Bataclan wird nicht gewürdigt, den eine Minderheit aus guten Gründen als antisemitisch wahr nimmt. Es muss das islamistische Attentat auf Charlie Hebdo sein.
Weiter heisst es: "...sie konnten nicht siegen". Das stimmt sicher für den NS. Es stimmt nicht für Stalin, der war der Gewinner des WWII und starb in seinem Bett (oder in der Nähe). Es ist nicht klar, worauf Blume mit dieser Behauptung hinaus will- es gib auch Antisemitismus, der
nicht eliminatorisch ist, falls er das meinen sollte. Und die Attentäter von Charlie Hebdo hatten in ihrer Sicht gesiegt, nachdem der erste Mensch verstorben war.
Hier ist er also, dem es gelungen ist, einen Blick auf die "tiefen Ursachen" zu werfen.
Dass ich AS nicht nur gegen Juden richtet in aufgeklärten Gesellschaften, ist zutreffend. Aber ich habe Schwierigkeiten, die generalisierte Aussage auf die Historie zu beziehen wie z.B. die christlichen Pogrome in Deutschland oder in Russland.
Wenn nach Blumes Definition der Antisemitismus daran zu erkennen ist, dass er sich gegen den "Semitismus" richtet, plus einiges anderes, war dann der Widerstand der Priesterschaft gegen Echnatons Aton eine Vorform des Antisemitismus? Und Echnaton ein "Semitist" trotz Keilschrift?
Wenn man Blumes Buch bis zum Ende gelesen hat, findet man das Glossar und dann endlich seine AS-Definition. AS richte sich gegen den Semitismus, den Blume entdeckt oder erfunden hat. Es geht also um Sem und den Noahbund, die beide für Christentum und Islam nicht konstitutiv waren
Wir brauchen auch noch die Semitismus-Definition. Im Grunde postuliert Bume ein positives Gesetz der menschlichen Entwicklung (nicht neu, hat Marx auch gemacht), schreibt es Religionen zu und belegt dies mit Versatzstücken in seinem Buch, in dem er thematisch mäandert.
Dazu muss er bestimmte Thesen offerieren, wie die bereits von ihm bekannte, dass muslimische Zivilisationen in die Krise kamen, weil der Buchdruck lange Zeit verboten war. Historiker sehen für den Niedergang von Gesellschaften dagegen immer verschiedene Ursachen, und nur...
singuläre Ereignisse führen zu Monokausalität (wie der Vulkanausbruch in Pompeji, das Römische Reich existierte aber weiterhin). Die Buchdruckgeschichte hilft, den Islam in das "semitische" Wirken aufzunehmen, obwohl die Verfasstheit vieler Staaten mit islamischer Bevölkerungs-
mehrheit gegen seine These sprechen müsste. Fragwürdig auch die Behauptung, der AS in Spanien hätte nach der Reconquista zugenommen. Die Tatsache, dass die christianisierten Nachkommen von Juden und Mauren keine Ämter ausüben durften (ging schon unter Isabella los, was B. nicht
interessiert), muss man mit Zwangstaufe und Vertreibung vergleichen. -
Was vollkommen fehlt, nachdem B. nun endlich einen ersten einen "Blick" "auf die tiefen Ursachen" des AS werfen konnte, ist die Überprüfung seiner These, die in jedem wissenschaftlichen Werk vorausgesetzt...
werden muss: Die Erörterung von Fallbeispielen und natürlich die Einordnung der vielen verschiedenen Arten des AS in seine neue Definition. Er unterlässt es schlichtweg, und ich vermute, dass dies nicht gelingen wird.
Im Ergebnis steht allerdings ein extrem ausgeweiteter...
AS-Begriff: Was sich seiner positiven Deutung der Welt entgegenstellt, ist AS. Damit wird es möglich, den Terror von Breivik in die Nähe des AS zu rücken, ebenso den Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo. Weil die Täter auch antisemitisches Gedankengut hegten bzw. hegen.
Motivation ist wichtig für das Verständnis von Gewalt und wird u.a. von Gerichten untersucht. Wir kennen Motivlagen, und es können für eine Tat mehrere Motive vorliegen, die sich ergänzen und in unterschiedlicher Ausprägung zur Tat beitrugen. Die Charlie-Hebdo-Täter waren sicher
Antisemiten, aber sie wollten die Redaktion strafen, weil sie in Karrikaturen Mohammed darstellte, gegen das islam. Bilderverbot verstieß und ihn obendrein lächerlich machte. Der AS, den die Täter vertraten, spielt hier eine vollkommen untergeordnete Rolle.
Ähnlich verhält es sich mit Breivik. Er imaginierte Globalisten, und er traf sie mit der Bombe im Regierungsviertel und den Morden am Nachwuchs einer Partei. Breivik hat seine Tat lange geplant, und er tötete eben nicht Juden in einer Synagoge. Natürlich hat Blume recht, wenn er
schreibt, dass AS auch Menschen trifft, die nicht jüdisch sind. Auch dass in antisemitischen Verschwörungsideologien Nichtjuden als Helfer auftauchen, ist nicht neu, sondern sattsam bekannt. Das ersetzt aber nie die Frage nach dem konkreten Motiv, u für dieses kann der AS eines
Täters in einem Fall eine Rolle spielen, im anderen nicht.
Das gilt auch für den Christchurch-Täter. Wir finden die "Globalisten" auch bei ihm, aber er hat sich zwei Moscheen ausgesucht, keine Synagoge. Man darf vermuten, dass das AS-Motiv hier keine oder nur eine untergeordnete
Rolle spielt, obwohl der Täter nach dem, was wir heute wissen, mit seiner Tat in die AS-Definition von Blume passt: Gegen den "Semitismus" von einem "Verschwörumgsmythologen", das Attentat richtete sich "gegen jüdische oder nicht jüdische Individuen".
Blume schreibt vieles, was erhellend und richtig ist. Der Bogen jedoch, den er spannt, reicht weit, ist nicht ausreichend belegt und verlegt heutige Wahrnehmungen in die Vergangenheit. Ich halte persönlich die Thesen von B. zum AS für nicht haltbar und für nicht wissenschaftlich.
Ende.
P.S. Hier hab dich einen Fehler gemacht, "gegen jüdische oder...! stammt aus der IHRA-Definition. Blume braucht diesen Zusammenhang nicht.
Ergänzungen - Der IS und die Jesiden
Blume schreibt an verschiedener Stelle über die Jesiden, die vom IS verfolgt wurden und deren Schicksal mit seinem Wirken verbunden ist. Mehrere Textstellen belegen, dass B. deren Vernichtung durch den IS im Antisemitismus des IS begründet...
sieht. Er zieht Parallelen zur Verfolgung der Sinti und Roma unter dem NS und behauptet, dass Sinti und Roma verfolgt wurden, weil der NS ihnen Verbundenheit mit der "jüdischen Weltverschwörung unterstellt hätte. Fragen wir uns also, wie der NS mit den Sinti und Roma umgegangen..
wäre, hätte er die Juden nicht als "Weltverschwörer" gesehen. Tatsächlich war der Umgang des NS mit den Sinti und Roma von einem eliminatorischen Rassismus geprägt. Sie waren "rassefremd" und mussten allein deshalb sterben, es benötigte für den NS keine weitere Begründung. Die
"jüdische Weltverschwörung" war für das schwere Schicksal der Sinti und Roma ebenso wenig maßgebend wie für die Opfer der Euthanasie oder für die Hungertoten im Osten, die sterben mussten, um Platz für die deutschen Siedler im neuen "Lebensraum" zu schaffen.
Blume gibt übrigens die alte Schätzung der Todesopfer unter Sinti und Roma an, die nicht mehr Stand der Forschung ist.
Die Behauptung, die Sinti und Roma seien aus einer antisemitischen Motivation gestorben, hilft, die Analogie zum Umgang des IS mit den Jesiden herzustellen.
Danach mussten die Jesiden sterben, zwangsbekehrt und versklavt werden, weil sie mit der "jüdischen Weltverschwörung" unter einer Decke stecken würden. So wiederholt sich bei Blume Geschichte. Aber die Ideologen des IS würden eine ganz andere Auskunft geben. Der IS berief sich..
wie andere islamistische Bewegungen auf die Rechtsschulen des Islam - wer den islamischen Ursprungszustand wiederherstellen möchte und die bestehende Ordnung stürzen muss, muss Legalität für seine Handlunge schaffen. Deshalb hat der IS dazu in einem Magazin Stellung genommen. ..
Unter der Überschrift "Die vorzeitige Wiedergeburt der Sklaverei" wurde verkündet, dass die Jesiden Träger einer heidnischen Religion seien, und dass deshalb die Frauen und Kinder versklavt werden dürften. Der IS fand eine religiöse Rechtfertigung seines Vorgehens, sie kommt...
ohne "jüdische Weltverschwörung" aus. Das sollte Blume als Religionswissenschaftler bekannt sein. Dennoch argumentiert er hier nicht einmal, er lässt alles aus, was seiner These entgegen steht. Fraglich, warum. Vielleicht möchte er den Islam entlasten, der im Westen unter...
Kritik steht. Könnte es sein, dass eine Würdigung der von ihm nicht angebrachten Argumente seine Vorstellung des Semitismus stört, zu dem er auch die "semitischen Mythen" des Islam zählt?
Auch hier ist Blumes Darstellung unvollständig, nicht schlüssig und nicht wissenschaftlich.
Das Dokumentationszentrum der Sinti und Roma zur NS-Rassenideologie:
sintiundroma.de/sinti-roma/ns-…
Dr. Blume hat seine Thesen in einem Vortrag vor Gymnasiasten vorgestellt. Presseberichte können nur einen Ausschnitt des Gesagten darstellen, und müssen sich notwendigerweise auf Kernthesen beschränken, und so lässt hier nachvollziehen, was letzen Endes...
stimme.de/heilbronn/nach…
bleibt. Wir lernen, dass der Antisemitismus in die Welt kam, weil die Juden sich in der Tradition des Sem bildeten. Beispiel: Als es in Mitteleuropa eine Welle der Pogrome gegen Juden gab, nachdem die Pest ausgebrochen war, waren die Anschuldigungen nicht Ritualmord und...
Brunnenvergiftung, sondern Bildung in der Nachfolge des Sem. Das Wort "Pest" kommt in Blumes Buch 1x vor, in einem ganz anderen Zusammenhang.
Auch die These, die Einführung neuer Medien führe zu einem Anschwellen des AS, wird wiederholt. Zitat: "Er hat sich angeschaut, wann in
der Geschichte Juden besonders verfolgt wurden und festgestellt: "Immer dann, wenn ein neues Medium aufgetreten ist, hat es die Welt erschüttert."
Die These selbst wird im Buch nicht besonders begründet, auch hier finden wir eine Reihe von Behauptungen, aber keine Belege, die
auch die Antithese verifizieren: Die Pogrome zur Zeit der Pest fanden in einer Zeit ohne neue Medien statt, und in Bezug auf den Buchdruck erklärt Blume zwar, dass auch antisemitische Werke gedruckt und verbreitet wurden. Er bleibt aber den Nachweis einer praktischen Auswirkung
schuldig. Wuchs die Verfolgung der Juden in Europa durch den Buchdruck an? Welche Wirkungsgeschichte hatten die antisemitischen Drucke, und welche hatten projüdische Bücher, die auch gedruckt wurden? Wie liessen sich die Machthaber durch die antisemitischen Bücher beeinflussen?
Blume behauptet einen Anstieg des AS durch das neue Medium gedrucktes Buch, und spricht später über die gesetzliche Gleichstellung der Juden, in DE 1871. Blume spricht über den Bildungserfolg jüdischer Studenten, der im Kaiserreich erstmalig zur Entstehung dezidiert...
antisemitischer Parteien und Bewegungen führte, deren Ziel es war, die Gleichstellung der Juden zunichte zu machen (auch in Österreich). Historisch dürfte die Anwesenheit sich als antisemitisch verstehender Parteien in Parlamenten einen neuen Höhepunkt des AS darstellen, der...
historisch ohne neue Medien auskommt. Auch dieser Punkt spricht gegen die These von B., vielmehr dafür, dass soziale und auch psychosoziale Gesichtspunkte in der Genese des AS eine Rolle spielen, ohne Berücksichtigung in den Thesen von B. zu finden.
Die "neue Medien"-These von B. wird von ihm auch mit dem Beispiel des NS belegt. Danach steht der Holocaust in Verbindung mit dem Aufkommen von Radio und Film. Hitler war ein moderner Führer, er benutzte Auto und Flugzeug, um in Wahlkämpfen schnell reisen zu können, seine...
Ideologie nah für sich in Anspruch, modern und wissenschaftlich zu sein - sie war pseudowissenschaftlich- und das Regime nutzte Film und Radio zur ständigen Indoktrination. Die fürchterlichen Filme über Juden mussten Schulklassen ebenso ansehen wie Kompanien. Das trug zur Ent-
menschlichung jüdischer Mitbürger bei, das steht außer Frage. Aber: Wäre der NS weniger mörderisch geworden ohne Radio und Film - das ist die Gegenthese, die B. nicht bespricht. Wenn wir als Grund der Radikalisierung des NS auf dem Weg zum Holocaust die Überzeugungen führender..
Repräsentanten nehmen, müssen wir fragen, wann diese gebildet wurden und ob dafür die Medien Film und Radio notwendig waren. Hitler, Himmler, Rosenberg brauchten weder Film noch Kino, um zu Antisemiten zu werden. Ludendorff brauchte keinen Radiosender, er bzw. seine Frau
schrieben Bücher. Radio und Film waren für den NS ein Mittel zur Indoktrination und Radikalisierung der Bevölkerung, und trotz dieser machte Himmler in der Posener Rede deutlich, dass der Judenmord geheim bleiben müsse.
Dass die Nazis Film und Radio missbrauchten, ist gerade
kein Beweis für die These, dass der AS mit Einführung neuer Medien zunimmt. Der NS war nicht wegen Radio und Film an die Macht gekommen, und hätte es Radi und Film nicht gegeben, hätte sich der NS eben nur auf die alten Medien Buch, Zeitung, Vorträge u.s.w. gestützt.
Es macht keinen Sinn, den durch neue Medien ausgelösten AS anhand einer Erziehungsdiktatur wie dem NS nachweisen zu wollen. Blume müsste sich freie Gesellschaften suchen: Nahm der AS in GB aufgrund Film und Radio zu? In den USA? In Frankreich und Polen (das in 20ern Züge einer...
Autokratie hatte)? Blume sagt hierzu nichts, und das würde seine These in Frage stellen.
Zweifellos hat B. damit recht, dass die derzeitigen neuen Medien zu einem Anstieg des AS geführt haben und führen. Das ist sicher unumstritten.
Das Kino der Weimarer Republik
Wenn Blume recht hat und neue Medien zu einem Anstieg des Antisemitismus führen, muss dies kulturhistorisch nachweisbar sein. Er führt neben dem Radio auch den Film an. Filme, die den AS ansteigen lassen, müssen antisemitische Stereotype...
reproduzieren; anders liesse sich der Anstieg des AS nicht erklären. Welches waren z.B. die zehn erfolgreichsten Filme der Weimarer Republik, und welche antisemitischen Stereotype wurden transportiert, fragte ich mich. Leider ohne konkretes Ergebnis.
1919 setzte mit 500 Produktionen der Höhenflug des deutschen Kinos an. 1926 und 1927 lagen die Zuschauerzahlen bei 330 Mio. B. hätte hier also eine repräsentative Stichprobe zur Prüfung seiner These. Seit 1925 gibt es Statistiken über die Besucherzahlen einzelner Filme (mir nicht
zugänglich). Wir können aber versuchen, in den noch heute bekannten Filmen nach dem Bilder Juden zu suchen (siehe unten - einige Filme).
Der Film über den Golem (aus den Sagen um Rabbi Löw) war nicht der erste zur Thematik, aber er war einer der erfolgreichsten Filme des dt.
Stummfilms. Sicher kein Beweis für den ansteigenden AS. Auch der nicht angeführte österreichische Film "Stadt ohne Juden" ist ein Gegenbeispiel, zeigt der Film doch, dass die Vertreibung von Juden negative Folgen hat und am Ende zurückgenommen wird.
Ob Orlok in Nosferatu ...
AS-Klischees transportiert, ist umstritten. "Im Westen nichts Neues" verursachte Debatten und heftige Gegenwehr konservativer und antisemitischer Kreise. Die Fassung musste nach der Filmprüfstelle erheblich gekürzt werden, die Namen jüdischer Schauspieler wurden entfernt. Auch...
das ist ein Beispiel gegen Blumes These.
Ich bin alle weiteren Beispiele durchgegangen (und einige mehr), konnte bei der Kurzrecherche aber keine Beispiele für AS im Kino der 20er Jahre finden (was nicht heisst, dass es ihn gar nicht gab). Insgesamt scheint Blumes These am...
Beispiel des dt. Films vor 1933 nicht aufzugehen. Dabei mag eine Rolle spielen, dass es ab 1920 eine staatliche Zensur für Kinofilme gab. Dabei wurde auch geprüft, ob filme das religiöse Empfinden verletzen.
Auch hier finden wir, was Blumes These angeht, nichts, was für sie spricht. Die Tatsache, dass der NS den -Film missbraucht hat, ist kein Beleg für Blumes These; sie ist Beleg für die fürchterliche Ideologie des NS-Staates.
Semitismus - die intuitive Ahnung
Blumes These lautet, der AS richte sich gegen den von ihm proklamierten Semitismus (s.o.). Meine Frage beim Lesen war, woher der Antisemit nach B. weiss, wofür oder wogegen er eigentlich ist und handelt. Handelt der Antisemit nach Blume nur...
entsprechend den Verschwörungsmythen, an die er glaubt, oder ist ihm bewusst, dass er gegen den Semitismus eintritt. Die Frage ist zentral, weil die Antwort darauf Hinweise für den Kampf gegen AS gibt.
Freilich findet man dazu wenig. Aber B. gibt einen Hinweis im Zusammenhang...
mit der Bücherverbrennung der Nazis.Dort heisst es nebenbei, nicht die Nazis, sondern die Antisemiten allgemein hätten den Semitismus (Alphabet, Identität) "intuitiv erahnt" und dagegen "Feuer und Gewalt" entfesselt.
Antisemitische Gewalt war sicher im Spiel, als - ich komme darauf zurück - Pogrome gegen Juden entfesselt wurden im Zuge des Volkskreuzzuges und während der Zeit der Pest. Jeder Christ konnte sich auf Paulus berufen, der im NT die Juden als Christusmörder benennt und behauptet,..
sie stünden mit Satan im Bunde. Diese Antisemiten also, haben die intuitiv geahnt, dass sie gegen den Semitismus vorgingen? Wenn wir über 2 Jahrtausende der Judenverfolgung sprechen, über unzählige Antisemiten und deren Behauptungen und Handlungen, und Antisemiten "intuitiv
ahnen", dass sie gegen den Semitismus angehen, müsste es dazu nicht mindestens ein Zeugnis geben, dass die Behauptung von B. belegt? Hätte nicht mindestens einer über diese Ahnung geschrieben?
Die "intuitive Ahnung" des Semitismus ist die praktische Brücke zwischen beiden...
Begriffen, und wir finden eine Behauptung ohne jeden Beleg.
Wenden wir uns den Nazis zu, mit denen B. einleitet. AS war ein zentraler Bestandteil ihrer Ideologie, und "Verschwörungsmythen" ein Fundament. Nehmen wir ein Bruchstück der NS-Ideologie und betrachten es näher:
Der NS lehnte die Demokratie ab und behauptete, sie wäre "verjudet". Nach der Machtergreifung richteten sie eine Diktatur nach dem "Führerprinzip" ein. Nach Blume steht ein demokratischer Rechtsstaat, eine Demokratie wie die der Weimarer Republik, in der Linie des Semitismus.
Die Ablehnung der Demokratie kann damit antisemitisch sein. Und ganz gleich, auf welche Weise die Nazis zu der Überzeugung kamen, dass Demokratien "jüdisch" seien, haben sie den Zusammenhang, von dem Blume behauptet, er würde "intuitiv erahnt", offenbar begriffen und artikuliert.
Dass die Nazis, die völkischen Antisemiten, freilich aufgrund vollkommen anderer Überlegungen zu dem Schluss kamen, den B. nahelegt, liegt in der Natur der Sache.
Die von Blume behauptete "Ahnung" des Antisemiten, gegen den Semitismus zu handeln, klingt gut, ist aber nicht belegt
Die Sache mit den Bücherverbrennungen
B. zitiert zunächst Heine: "»Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen«. Dieses Zitat, das ist wesentlich, entstammt Heines Stück Almansor, es wird von Hassan ausgesprochen, nachdem dieser erfuhr, dass ein Koran...
verbrannt wurde. Derselbe Hassan erzählt zuvor im Stück, wie er mit Gleichgesinnten das "Christenvolk im Tal" tötete, "zermalmend": "... und wenn sie sterbend röchelten, die Buben, wenn ferne wimmerten die Trauerglocken, und Angstgesänge...
dumpf dazwischen schollen, dann klang’s in unsre Ohren süß wie Wollust.“
Blume zitiert Heines Bühnencharakter Hassan, einen, der mit Wollust Christen tötet, um dann das Verbrennen des Korans zu beklagen, das im Islam als Sünde gilt, weil dem Verbrennen von Büchern das Verbrennen
von Menschen folgen würde. Im Stück ist diese Aussage, vollständig: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.” wichtig für die Charakterisierung - ein Mann, der Christen "wollüstig" mordet, beklagt das Verbrennen eines Buches -
bedeutet darüber hinaus aber nichts. Heine hat anderer Stelle über eine reale Bücherverbrennung geschrieben, ohne das wir davon erfahren. Ich frage mich, warum B. das Zitat - mit Jahresangabe - gewählt hat und warum es unvollständig ist. Es kann tatsächlich nichts beitragen zu...
den Thesen des B.
Später finden wir folgenden Satz: "Öffentlich zelebrierte Bücherverbrennungen waren und sind die zutiefst antisemitische Tat, die der Menschenverbrennung vorangeht." Heine wird als Zeuge benötigt, und obwohl das Heine-Zitat nichts bezeugt als den Charakter des..
Hassan. B. verlinkt über Quellenangabe diese Seite zur Bücherverbrennung.encyclopedia.ushmm.org/content/en/art…
Halten wir fest: Bücherverbrennungen sind per se antisemitisch, und sie gehen dem Verbrennen von Menschen voraus. Tatsächlich gab es eine Reihe von Bücherverbrennungen, seit es Bücher gibt, siehe hier:de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCch…
Eine Bücherverbrennung wird im Neuen Testament geschildert (Apostel 19, 19): "Und nicht wenige, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre Zauberbücher herbei und verbrannten sie vor aller Augen. Man berechnete den Wert der Bücher auf fünfzigtausend Silberdrachmen."
Hier handelt es sich darum, Bücher zu vernichten, die nach damaliger Überzeugung leger gesagt zu nichts Gutem führen, als um eine gewissermassen "semitistische Handlung" nach B.
Bücherverbrennungen wurden von Akteuren mit Macht ebenso eingesetzt wie von Akteuren ohne. In beiden.
Fällen ist die Handlung ein Akt mit großer Symbolkraft, und auch, wenn ich das Verbrennen von Büchern ablehne, liegt die Bedeutung darin, welche Bücher verbrannt werden. Wenn öffentlich die amerikanische Verfassung verbrannt wurde, weil darin die Sklaverei nicht ausgeschlossen..
wurde, ist das kein antisemitischer Akt, sondern ein Protest im Sinne des von B. behaupteten Semitismus.
Außer Zweifel steht, dass die Bücherverbrennung von 1933 ein zutiefst antisemitischer Akt war, denn wie erklärten die Nazis?
„Die Deutsche Studentenschaft plant anläßlich...
der schamlosen Greuelhetze des Judentums im Ausland eine vierwöchige Gesamtaktion gegen den jüdischen Zersetzungsgeist und für volksbewußtes Denken und Fühlen im deutschen Schrifttum."
Blume entkleidet die Bücherverbrennung 1933 von den Umständen, indem er Bücherverbrennungen verallgemeinert; sie werden dehistorisiert. Das passt hevorragend in die Semitismus-These, ist aber nicht belegt.
Zu Hassan und Heine siehe auch @Buurmann:
tapferimnirgendwo.com/2013/05/06/dor…
Die tausend Jahre
Hier nur kurz einige Anmerkungen zu den großen Namen, die B. einwirft: Hitler hätte gespürt - etwas, was mich nicht interessiert - es geht darum was Hitler gedacht, gesagt und getan hat - dass es nach eigener Mythologie bestenfalls einen tausendjährigen Zyklus..
geben könnte u.s.w. Woher stammen die Zyklen? Vom nicht erwähnten Oswald Spengler und seinem "Untergang des Abendlandes", mit dem er ab 1918 eine positivistische Geschichtsauffassung ablösen wollte durch eine zyklische, nach der Zivilisationen keinen Bestand hätten, sondern...
Phasen von Aufstieg bis Niedergang erleben würden, und das Buch war ein Renner. Es gibt dort keinen "weiteren" Zyklus, anders als Blume behauptet, und warum sollte gerade Hitler in Zyklen denken, der eine arische Rasse von Beginn der Welt an imaginierte? Hitler las Spengler 1924
im Knast in Landshut, Rudolf Heß schrieb, dass Hitler die Theorie Spenglers nicht gefiele, und am 01.05.1935 sagte Hitler während einer Rede: „Nicht Untergang des Abendlandes muß es heißen, sondern Wiederaufstehung [sic!] der Völker dieses Abendlandes!“
Wir haben es hier also mit
einer völligen Fehlinterpretation der Ideologie des NS durch B. zu tun.
Zusätzlich braucht es noch eine Würdigung der 1000 Jahre, die bei Blume anklingen, vmtl unter Bezug auf den Terminus 1000jähriges Reich, aus dem B. einen "maximal tausendjährigen Zyklus" macht, so dass die...
mythologischen Tausend Jahre ihrem Gehalt entkleidet und zu einer reinen Zahl gemacht werden. Das erstaunt, denn B. wird als Religionswissenschaftler genau wissen, woher die 1000 Jahre stammen und was sie bedeuten: Aus der Offenbarung des Johannes im NT. Insbesondere im Mittel-
alter wurde aus der Offenbarung das tausendjährige Reich abgeleitet, ein Reich des Friedens, das der Wiederkunft Jesu Christi folgt. Danach gibt es noch Gog und Magog, und dann sind alle erlöst - so die Offenbarung.
Das 1000jährige Reich steht also für Erlösung, ist - in Blumes
Sinn - vmtl. semitistisch und wurde vom NS missbraucht, wie selbst die Wikipedia weiss: "In dem Begriff schwang also der Erlösungsgedanke mit, den die NS-Propaganda aufgriff, um der Herrschaft Hitlers einen quasi religiösen Anstrich zu verleihen und um den Anspruch auf eine nicht
mehr ablösbare, unendlich andauernde Herrschaftsordnung auszudrücken, die als Endzustand der deutschen und universalen Geschichte gedacht war."
Die tausend sind also keinesfalls wörtlich zu nehmen, wie es bei B. anklingt, sondern mythologisch. In Zyklen dachten die National-
sozialisten nie, sondern wie andere "Erlösungsideologien" der Zeit, in Ewigkeiten (siehe Kommunismus).
Anders, als Blume schreibt, war auch Heidegger kein Anhänger des nicht erwähnten Spengler.
Was B. dann über die "Mythen" des AS schreibt - "Zyklen", "Blut" - ist dann nicht mehr belegt und auch nicht nachvollziehbar. Und selbstverständlich gibt es im Antisemitismus eine "letzte Hoffnung" und eine "Erlösung" - das ist der Tod der Juden. Der Antisemitismus des NS war -
Erlösungsantisemitismus - und wir finden in diesem Begriff, was Blume verneint. Für die Nazis waren die Juden, gleich was sie dachten oder taten, die Träger des Bösen in der Welt, und wenn es keine Juden mehr gäbe, wäre auch das Böse verschwunden (einfach gesagt). Das ist für den
Antisemiten eine Erlösung, nichts anderes.
Wie verhält es sich mit dem christlichen Antisemitismus, dem Antijudaismus in Bezug auf Blumes These von den Zyklen und dem Fehlen der Erlösung, die Blume für den AS behauptet? Hätten die Christen, die an den Pogromen im Spät-
mittelalter teilnahmen, aufgrund der Tatsache, dass sie die Juden für Christusmörder hielten, ihnen das Vergiften von Brunnen nachsagten und das Töten von Kindern und sie deshalb umbrachten, abgelassen vom christlichen Glauben, vom Glauben an die Ankunft des Herren, die...
Auferstehung der Toten, das Kommen des Reich' Gottes? Wohl kaum. Eher waren sie wohl der Ansicht, sie hätten ein gottgefälliges Werk getan.
Auch der heutige, linke und Menschenrechtsorientierte Antisemitismus, der sich gegen Israel richtet, kann wohl kaum abgetan werden als...
ein Mythenbündel, welches Geschichte nur als Zyklus kennen würde. Die Zuschreibung antisemitischer Stereotype auf den jüdischen Staat gilt letzten Endes dem Wunsch, Israel möge als Staat verlöschen, und das ist ein Ziel und für die "israelkritischen" Antisemiten eine Erlösung.
Es lässt sich nur mutmassen, das B. mit seiner Behauptung vom zyklischen Geschichtsbegriff des AS die Analogie zur zyklischen bzw. linearen Zeitwahrnehmung, die er an anderer Stelle beschrieben hat, herstellen möchte, um seinen Semitismus-Begriff zu stärken. Das gelingt nicht.
Eine weitere Fundstelle verdeutlicht noch einmal Blumes Auffassung dort, wo er über die Wahrnehmung der Zeit als zyklisch resp. linear darstellt. Auch hier findet sich die Vorstellung, Antisemitismus verfüge über eine nur zyklische Zeitwahrnehmung. Das dies nicht stimmt, habe ich
bereits argumentiert. Wir finden nun auch die interessante Aussage, ein Buddhist wäre ähnlich semitisch und möchte aus der zyklischen Zeit ausbrechen, um Erlösung zu erlangen. Diese Erlösung wäre zeitlos, und die Zeitlosigkeit von Erlösung ist eine Vorstellung, die ich erwarte...
und der ich zustimme. Was nun aber für Religionen gilt, müsste für Quasireligionen ebenso gelten: Wenn ein Antisemit seinen Erlösungsantisemitismus gedanklich ans Ziel kommen lässt, muss die These der Zeitlosigkeit für den Antisemiten zulässig sein. Das "Aufwachen" des...
Antisemiten und der "gnadenlose Kampf" werden von B. nicht zu Ende gebracht. Er bricht einfach ab, ohne zu Ende zu denken, und damit wird Antisemitismus nicht vollständig erfasst und beschrieben. Und neben dem Antisemitismus des NS, den Blume über "Fortschritt" andeutet (z.B.
den demokratischen Rechtsstaat der Weimarer Republik; die Nazis verstanden sich selbst als modern, fortschrittlich und wissenschaftlich), fehlen damit viele andere Arten des AS: den christlichen, der sich schon aus dem NT herleiten lässt, den muslimischen mit einer ...
Endzeitvorstellung, die sich gegen Juden richtet (gibt es auch in der Offenbarung), den linken der Anti-Imps und anderer, und den der Mitte, der latent vorhanden ist und anlassbezogen ausbricht (wie 2014) und nur verstanden werden kann als eine kulturelle Tradierung aus 2000
Jahren AS, die sich in unserem Unterbewusstsein festmacht und gelegentlich die Herrschaft über das Ich übernimmt (nun, ich bin kein echter Freund der Psychoanalyse). B.s Bezugspunkt für allgemeine Aussagen über den AS scheint immer wieder der AS des völkischen Nationalismus.
Die lesende Christin
Wir finden nach einem zu Zitaten Hitlers aus "Mein Kampf" folgenden Absatz. Hier wird die "seit Jahrtausenden" "lesende Christin" bemüht. Es sollte bekannt sein, Blume nennt auch Zahlen zur Alphabetisierung, dass die "lesende Christin" in den Jahrtausenden
die Ausnahme, nicht die Regel war. Blume setzt sie in ein lineares Zeitverständnis, womit er eine positivistische Geschichtsauffassung verbindet: die "Er-Lösung" in einer besseren Zukunft, mit anderen Worten, einer Zukunft als verbesserte Gegenwart - anders lässt sich nicht...
interpretieren. Was aber spricht die "lesende Christin", wenn sie betet, wie es das NT fordert? Sie spricht: "Dein Reich komme." Gemeint ist das Reich Gottes, das einer als Belastung empfundenen irdischen Realität entgegengesetzt ist.
Für Christen ergibt sich die Zeit als eine..
Zeit bis zu Erlösung - die Zeit hat ein Ziel. Es ist mir vollkommen unklar, weshalb dies unterschlagen wird. Sicher, die Christen haben nach vielen Enttäuschungen, was das Kommen des Gottesreichs angeht - zuerst dachte die Urchristen, es käme gleich morgen, später konnte ganz..
Europa in Unruhe und Erwartung kommen, z.B. als Johannes von Toledo den Weltuntergang auf 1186 taxierte - das Warten gelernt, dennoch bleibt christlicher Glaube Erlösungsglaube.
Was B. beschreibt, klingt in Bezug auf das Christentum eher nach Säkularisierung.
Am Ende dient der Satz nur, um Antisemiten als Gegenstück zu präsentieren. B. schreibt "Antisemit" und lässt diesen "brüllen" und "raunen". Wir lesen wieder von "Verfall" und "Verschwörung".
Im Grunde genommen wird der Antisemit hier selbst zu einer "mythologischen" Figur, um bei Blume zu bleiben. Erkenne ich den Antisemiten daran, dass er mal brüllt, mal raunt?
Die Passage ist eher lyrisch, einen wissenschaftlichen Gehalt kann ich nicht erkennen.
Der Antisemit gegen die Vorratshaltung
Der folgende Absatz gibt ein weiteres Beispiel für das Erkennen eines Antisemiten: Er hält Vorratshaltung für naiv oder verschwörerisch. Freilich ist hier im weiteren Sinne Zukunftsvorsorge gemeint. Weil eben Antisemiten einen zyklischen
Geschichtsbegriff hätten, würden sie nicht für die schlechten Jahre vorsorgen, sondern sich sträuben.
Die Frage ist, welche Belege gibt es für diese These? Was Josef betrifft, fällt auf, dass es in der Geschichte keinen antisemitischen Gegner gibt - der Pharao träumt, Josef
legt den Traum aus, der Pharao handelt entsprechend und macht Josef zum Manager und zweitwichtigsten Mann im Staat. Aus der Josef-Geschichte lässt sich der Antisemitismus als Gegner des "Semitismus" nicht herleiten.
Welche weiteren Belege haben wir, welche historischen
Situationen, in denen ein Antisemit gegen friedliche Vorsorge angesichts einer zukünftigen Notlage war? Ich finde keine. Es ist erneut eine lyrische Behauptung, die sich schön liest, ohne wissenschaftliche Unterlegung, ohne Beispiele, nicht nachgewiesen und belegt.
Man darf sicher auch die Frage stellen, ob Prepper, die sich den Keller mit Nahrung vollstellen, weil morgen die Katastrophe kommt, nun eher zum Semitismus oder zum Antisemitismus gehören. Ob Antisemiten die Rentenversicherung ablehnen, und was es bedeutet, dass die strategischen
Getreidereserven der BRD ein paar Tage bis ein paar Wochen reichen.
Natürlich liesse sich der Absatz von B. auch anders interpretieren: Dass Antisemiten z.B., da sie Zukunftsvorsorge ablehnen würden, gegen Maßnahmen wären, die den anthropogenen Klimawechsel abfedern sollen.
Dies würde der Antisemit für naiv oder verschwörerisch abtun, und stattdessen auf Rassismus und Gewalt zurückgreifen.
Es tut mir leid, aber für mich entbehrt dieser Absatz der Sinnhaftigkeit.
Hitler und die Bücher
Für B. sind Alphabet und Buch konstitutiv für den von ihm gefundenen "Semitismus", gehen den sich der AS richte. Es überrascht nicht, dass sich in seiner Darstellung nun auch der AS gegen die Schrift-buch-Kultur richten muss. Gegen diese Kultur würden sich
Antisemiten "emotional" wehren, wobei wir hier wieder einen gefühligen Begriff haben, der behauptet, ohne zu erklären. Zum Beleg der Ablehnung des "semitischen" Buches wird Hitler zitiert mit einem Satz aus der Einleitung zu "Mein Kampf". Hitler solle sich entschuldigt haben,dass
er die beiden Bände schrieb. Aber warum sollte Hitler Bücher verachten und dann selbst eines schreiben? Der in "Mein Kampf" folgende Satz zeigt, dass Hitler sich nicht entschuldigt hat: "Dennoch muß zur gleichmäßigen und einheitlichen Vertretung einer Lehre das Grundsätzliche...
derselben niedergelegt werden für immer. Hierbei sollen diese beiden Bände
als Bausteine gelten, die ich dem gemeinsamen Werke
beifüge."
Hitler selbst schloss die Realschule ohne Abschluss ab. Der weitere Bildungsweg war versperrt, und der werdende Hitler schlug sich in Wien, ...
dann in München ohne festes Einkommen durch. Er selbst betrachtete diese Zeit als die Zeit seiner Bildung, und stellte dies auch in "Mein Kampf" so dar.
Die Forschung sagt, dass Hitler in jenen Jahren vor dem WWI das eine oder andere Buch gelesen habe, darunter das antisemitische
Zeug von Chamberlain. Und ganz gleich, wie viele Bücher Hitler las, er stellt sich dar als Vielleser.
Das von B. angegebene Zitat wird von Hitler später erläutert. Hitler, der talentierte Redner, wird selbstverständlich die politische Rede vor das Lesen von Büchern setzen, und
er begründet es damit, dass seiner Meinung nach die französische Revolution wie die russische von 1917 durch die Rede, nicht durch das Lesen von Büchern gesiegt hätten. Die Rede dient ihm zur Beeinflussung des politischen Raums, dass er sie in Gegensatz zum Buch setzt, bedeutet
nicht, dass der NS auf Bücher verzichtet. Er kontrolliert aber die Inhalte und verbietet alles, was der Ideologie entgegensteht.
Das ändert nichts daran, dass Hitler als Redner ein Demagoge, ein Verführer, ein Menschenverderber ist.
Auch heute nutzen Politiker das Mittel der politischen Rede, um Wähler zu erreichen. Auch in der Demokratie ist die Rede ein akzeptiertes Mittel der Politik.
Es ist seltsam, dass B. seine allgemein gültige These hier mit nur einem Zitat belegt. Für Hitler mag das Schreiben eines
Buches eine ungeliebte Herausforderung gewesen sein; die Rosenbergs, die Ludendorffs jener Zeit haben viel und fleissig und Fürchterliches geschrieben. Und sie hatten offenbar kein "Unbehagen an der Schrift".
Eine These
des Dr. Blume. Ich will sie gar nicht diskutieren, sondern nur feststellen, dass ich keine Ahnung, wie sie verifiziert werde könnte. Zur zugrunde liegenden These, der Antiziganismus des NS sei eine Folge des AS, siehe oben.
Noch einmal - der Begriff Semitismus
Ich habe weiter oben bereits angegeben, dass der von Blume definierte Begriff "Semitismus" eine antisemitische Vergangenheit hat. Ich ergänze hier nur kurz den Nachweis in Form einer Textstelle aus Wilhelm Marrs Hetzschrift "Der Sieg des
Judenthums über das Germanenthum – Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus betrachtet". Marr, der Erfinder des Begriffs AS, hat semitisch, Semitismus u.s.w. häufig verwendet.
Unschärferelation

B. beruft sich auf eine "internationale Befragung" mit Quellenangabe und schreibt, Befragte "behaupteten" eine "nichtarabische Verschwörung" als Ursache für das Attentat auf das WTC. Während die Zahlen korrekt wiedergegeben werden, trifft dies für die Frage-
stellung nicht zu. Gefragt wurde lediglich, ob der Betreffende daran glaube oder nicht, dass 9/11 durch Araber ausgeführt wurde. Für den Fall, dass der Befragte ablehnt, ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten dafür: Er kann schlecht informiert sein, könnte behaupten, dass
al-Quaida norwegisch ist, oder er folgt den skeptischen US-Amerikanern und denkt, die US-Regierung hätte die Attacken angewiesen. Der Befragte muss keine Verschwörung behaupten, weil danach nicht gefragt wurde. Anschließend gibt B. weitere Zahlen der gleichen Studie an, die
Auskunft über eine "negative Haltung" der Befragten zum Judentum geben. Beide Werte zusammen sind dann Beleg für die jüngste Ausbreitung antisemitischer Verschwörungsidelogien in islamischen Ländern.
In der Maryland-Umfrage von 2010 wird stattdessen genauer gefragt,
wer denn 9/11 verursacht habe. Israel wurde dort angegeben mit 43% in Ägypten, 31% in Jordanien, 19% in den pal. Gebieten.
Angesichts der Tatsache, dass B. die Zunahme der Verbreitung von Verschwörungsideologien in der arabisch-muslimischen Welt zu einer

sueddeutsche.de/politik/intern…
zentralen Ausgangsthese macht, ist die Datenbasis schwach: Studie nicht richtig wiedergegeben, weiteres Material zur Differenzierung der These nicht genutzt. Auch wenn die von ihm angegebene Studie wie andere auch angibt, dass 9/11 in islamisch-arabischen Ländern zunehmend
anderen als al-Quaida in die Schuhe geschoben wird, meine ich, dass seine These nicht ausreichend belegt ist.
Eine andere Frage aus der Studie hat es nicht in das Buch geschafft: Welche Religion gewalttätiger als alle anderen sei. In den untersuchten muslimischen Ländern führt
das Judentum, wobei in den Fällen, in denen ältere Ergebnisse vorliegen, der Wert mal gefallen ist, mal angestiegen ist, mal annähernd gleich blieb. Das ist ein Indiz dafür, dass die Sache vielleicht doch nicht so einfach ist. (Q32)
Die Studie:
pewresearch.org/wp-content/upl…
Podcast

Dr. Blume hat seine Thesen dem Podcast Hoaxilla vorstellen können. Die Folge wurde am 31.03. veröffentlicht. Nachfolgend einige Auszüge.
hoaxilla.com/hoaxilla-227-a…
1. Der AS des IS

B. stellt erneut dar, dass der IS den Genozid an den Jesiden aufgrund von Antisemitismus beging. Die Aussage ist ausschließlich, weitere Gründe werden nicht angeführt (etwa der des Vorwurfs des Unglaubens/der Apostasie z.B.).
2. "Antijüdische Tendenzen"
Sobald das "Ich bin doch auch Semit"-Argument kommt, entgegnet man in der Regel, dass der Begriff Antisemitismus, abgeleitet von der semitischen Sprachfamilie, sich nur und einzig gegen Juden richtete und leider richtet. Er wurde allerdings durch
Rassetheoretiker als "rassisch" aufgefasst, so dass der NS zur Vermeidung von Kollateralschäden bereits ab 1933 regelmässig darauf hinwies, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden und stattdessen auf "Judenhass" u.ä. auszuweiten. Es irritiert, dass B. die Begriffsgeschichte hier
erneut vollkommen außer acht lässt und den Begriff ohne Umschweife auf Sem zurückführt. Als die Sprachfamilie der "Semiten" entdeckt und benannt wurde, orientierten sich die Sprachwissenschaftler zwar auch an Sem, dem Urahn, jedoch ohne weitere "mythische" Überlegungen,
unterstelle ich. Was, wenn man damals nicht Sem, sondern den Berg Ararak als Namensgeber für die "arakische Sprachfamilie" gewählt hätte? Würde sich der AS dann nach B. gegen den "Arakismus" richten? Tut mir leid, aber die Frage muss sein.
3. Mythen, Religionen, Angriffe

Hier nur kurz die Feststellung, dass B. die von ihm postulierten "semitischen Religionen", deren Erbe bis zu Atheisten reicht, wenn sie denn Humanisten sind, hier als abrahamitische Religionen erläutert. Mit dem AS wurden immer wieder unsere
"Gesellschaften" und "Zivilisationen" angegriffen, sagt Blume. Meines Erachtens wurden durch den AS immer wieder und zuerst Juden angegriffen. Herabgewürdigt, geschlagen, vertrieben, getötet. Es klingt wie Outsourcing: Der Angriff auf die Zivilisation durch die Nazis und ihre
allzu zahlreichen deutschen Helfer, die vielen Arisierungs-Gewinner, denen so wenige mutige Gegner gegenüberstanden, war damit ein Angriff auf die Täter selbst. B. schreibt im Buch, das sich der AS letztlich gegen die Antisemiten selber richte. In Konsequenz bedeutet das, dass
all die kleinen und großen Nazis des NS schließlich Opfer ihres AS waren. Ich möchte über die Konsequenzen dieser Betrachtungsweise gar nicht nachdenken. Es war kein "mythischer" Antisemitismus, der den NS an die Macht brachte, sondern konkrete Ereignisse, Mehrheiten, handelnde
Personen mit unterschiedlichen Überzeugungen und Zielen. Was B. postuliert, mag auf einer Metaebene stimmen; aber diese Ebene ist im Konkreten ahistorisch.
4. Die Hexen und der Frauenhass
Die Bedeutung der Mythen wird von B. anhand des Frauenhasses auf Fb dargestellt: Der überbordende Hass, dem Frauen dort immer wieder ausgesetzt sind, gehe auf die Hexenverfolgung und das damals Gedachte zurück. Das ist für mich zunächst nichts
als eine Hypothese, die nicht belegt ist und möglicherweise nicht belegt werden kann, solange man die Hetzer nicht auf de Couch des Psychoanalytikers hat. Der Psychoanalytiker könnte allerdings sagen, es gäbe ursächlich frühkindliche Defizite. Was dem Psychoanalytiker das frühe
Kind, mag dem Mythenforscher der Mythos sein, bis der Psychotherapeut kommt und behauptet, die gegen das weibliche Geschlecht gerichtete Hetze sei das Ergebnis einer Externalisierung eigener, im sozialen Umfeld nicht auslebbarer Bedürfnisse.
In Kürze: Ich halte das für weit...
hergeholt. Schließlich hat sich nach meiner Erfahrung auch nicht der "schwarze Blick" gehalten.
5. Der NS und die Demokratie
Der NS hatte vor 01/33 eine Stunde Sendezeit im Radio. Eine Stunde! Und die Demokratie wurde so abgeschafft:
30.01.33: Hitler wird zum Reichskanzler ernannt
01.02.33: Auflösung des Reichstages
28.02.33: "Reichstagsbrandverordnung"
05.03.33: Neuwahl zum Reichstag
24.03.33: Ermächtigungsgesetz
Dann war es vorbei mit der Demokratie. Voraussetzung für den letzten Schritt war eine Mehrheit im Parlament. Der "Volksempfänger" wurde im August 33 durch Göbbels vorgestellt. Die NSDAP produzierte vor 33 das eine oder
andere, im Wesentlichen Wahlwerbung, und Filme für die interne Verwendung; nach der "Machtergreifung" gab es dann Propagandakino.
Dass die Ursache für die Machtergreifung der Nazis die "neuen Medien" Film und Radio waren, ist eine unbewiesene These. Im Übrigen halte ich die
Implikationen für gefährlich: Denn kann bedeuten, dass immer dann, wenn neue Medien auftauchen, Krisen entstehen, denen die Menschen hilflos gegenüberstehen, die sie nicht verstehen können und dann vielleicht auch nicht verantworten müssen.
Im Übrigen hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass die These von B. für andere Staaten wie GB oder USA offenkundig nicht stimmt.
6. Der ÖR
Der Rundfunk der Weimarar Republik war reglementiert, auch die politische Berichterstattung. 1932 wurde der Rundfunk von von Papen zentralisiert und politisiert. Die Zentralisierung war Voraussetzung für die 1933 folgende Übernahme und Gleichschaltung.
Der ÖR wurde nicht von "man" eingeführt, sondern von den westlichen Alliierten. Die entschieden für ein gebührenfinanziertes System, da privat aufgrund mangelnder Werbeeinnahmen nicht möglich. Das sollte allgemein und staatsfern und unabhängig sein. Und das bedeutete, neben
Regionalisierung, Unabhängigkeit von der Staatskasse durch Gebühren, Kontrolle nicht durch den Staat, sondern die Gesellschaft u.s.w. In gewisser Weise kehrte man zum Zustand vor von Papen zurück. Es ging nicht gegen den "Niedergang des Mediensystems in der Weimarer Republik".
Es ging gegen den Staatsfunk des NS.
7. Die Zerstörung der Gesellschaften
Klare Ansage: Buchdruck und Radio/Film haben unsere "Gesellschaften" zerstört (Nr. 2 galt nicht für USA, GB, Schweiz, Schweden...). Also: Die Einführung des Buchdrucks hat unsere Gesellschaften zerstört. Die Nichteinführung des Buchdrucks im
Osmanischen Reich -oder die zu späte Einführung - hat den Islam in die Krise geführt. Könnte es sein, dass der Buchdruck mit Zerstörung und Krise vielleicht doch nicht so viel zu tun hat?
Und hier noch mal zur Wiederholung: Radio und Film haben nicht die deutsche Gesellschaft zerstört, sondern die NS, die NS-Ideologie und all die willfährigen Helfer. Und die alle zusammen haben viele andere Gesellschaften zerstört. In einem mörderischen Krieg und im Holocaust.
8. "Ich erleb das sozusagen auch selber"

Die Zahl der Antisemiten habe nicht zugenommen. Was ich nicht glaube, ist, dass die regelmäßigen Standardbefragungen ein belastbares Bild ergeben: Der Michel weiss, wo er sein Kreuz machen muss. Und wenn wieder was los ist in der Welt,
äußert sich die Latenz in einem Brief an die israelische Botschaft, das ist das Mindeste. Frau Prof. Schwarz-Friesel berichtet, dass Briefeschreiber heute die Anonymität verlassen. Könnte man erwähnen und gewichten, denn es bedeutet, dass diese Leute sich heute sicherer fühlen
als vor Jahren, dass sie also spekulieren, irgendwo fände ihr Tun Anerkennung. Und das führt zu dem Paradox, dass zu Zeiten, in denen AS stärker geächtet ist als zuvor, der AS auch stärkeren Rückhalt hat. Vielleicht schreibt mal jemand darüber ein Buch. Könnte wichtig sein.
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