(2) Dass wir auch 2020 noch in einem Patriarchat leben, ist eine Kernidee im feministischen Diskurs. Die These ist: Frauen werden auf eine Weise strukturell benachteiligt, die Männer nicht erleben müssen. Gleichberechtigung existiert zwar im Gesetz, nicht aber in der Praxis.
(3) Gender Pay Gap oder Unterrepräsentation von Frauen in Wirtschaft und Politik: Objektive Ungleichverteilungen aus dem deutschen Alltag sind Brot und Butter der Patriarchats-These. Die Kernfrage ist dann: Was bewirkt denn, dass die Welt so ungleiche Ergebnisse produziert?
(4) Häufige Antwort: Trotz formaler Gleichstellung sind misogyne Vorurteile in den Köpfen der Leute fest verankert. Das führt dazu, dass Frauen nicht so häufig befördert werden oder als weniger kompetent und belastbar gelten. Männer werden insgesamt höher bewertet als Frauen.
(5) Aktuelles Beispiel: In "Down Girl. Die Logik der Misogynie" (2019) beschreibt K. Manne Frauenfeindlichkeit als integralen Bestandteil der Gesellschaft. Männer hingegen profitieren von "Himpathy", sinngemäß: ungerechtfertigte Sympathie für misogyne und asoziale Männlichkeit.
(6) Soweit die Theorie. Jetzt zur Empirie. Nach allem, was wir aus der Forschung wissen: Ist es fair zu sagen, dass bestehende Geschlechtervorurteile so sehr zu Lasten von Frauen gehen, dass man die Gesellschaft --insgesamt-- als frauenfeindlich beschreiben kann?
(7) Die Ausgangsbasis für die folgende Liste (und die Grundlage für diesen Thread) bildet eine Literatursammlung von Clark/Winegard für Quillette: quillette.com/2020/07/27/the… Weitere Studien werden Schritt für Schritt hier ergänzt.
(8) Eine letzte Vorbemerkung zur Einordnung der Ergebnisse: Was folgt, ist natürlich kein Beleg dafür, dass Frauen nicht an vielen Stellen benachteiligt sind. Oder dass sie insgesamt weniger benachteiligt sind als Männer. Darum geht es hier nicht im Kern.
(9) Die Frage ist, ob die These von der grundlegend frauenfeindlichen Gesellschaft aufrecht erhalten werden kann, wenn man sich die Ergebnisse der empirischen Forschung ansieht. Kleiner Vorgriff: Ich denke, als Minimum muss man ein Fragezeichen hinter die Idee setzen.
(10) Los geht's: Wen soll der Algorithmus in einem selbstfahrenden Auto im Fall eines unvermeidbaren Unfalls eher opfern? Die 2 Millionen Teilnehmer eines wissenschaftlichen Online-Surveys würden mehrheitlich eher Männer als Frauen opfern. DOI: 10.2478/nimmir-2019-0015
(11) In Experimenten zu moralischem Verhalten werfen Teilnehmer Männer häufiger als Frauen vor fahrende Züge, fügen ihnen gegen Bezahlung stärkere Stromstöße zu, retten sie seltener von sinkenden Schiffen und helfen Männern generell seltener in Not. DOI: 10.1177/1948550616647448
(12) In einem Experiment mit unterschiedlichen Aggressionsszenarien bewerteten die Teilnehmer weibliche Aggression als moralisch akzeptabler als männliche Aggression. Die Ergebnisse stehen direkt im Kontrast zur "Himpathy"-These. DOI: 10.1023/A:1019665803317
(13) In einem Experiment mit mehr als 800 Teilnehmern vergaben sowohl männliche als auch weibliche Entscheider MINT-Lehrstühle an Universitäten mit einer Präferenz von 2:1 bei gleicher Qualifikation eher an (fiktive) Frauen als an Männer. DOI: 10.1073/pnas.1418878112
(14) 4 Experimente zeigen Unterschiede in der Bereitschaft der Probanden, auf mehr Geschlechtergerechtigkeit hinzuarbeiten. Teilnehmer waren eher bereit, männerdominierte Berufe für Frauen zu öffnen als frauendominierte Berufe für Männer, DOI: 10.1016/j.jesp.2019.03.013
(15) Leistungsbewertungen am Arbeitsplatz sind weniger akkurat, wenn die bewertete Person weiblich ist. Grund ist eine höhere Bereitschaft bei Vorgesetzten, Bewertungen von Frauen nach oben zu korrigieren als bei Bewertungen von Männern. DOI: 10.5465/ambpp.2016.18003abstract
(16) Fiktive Forschung zu biologischen Geschlechtsunterschieden wird unterschiedlich bewertet. Positives über Frauen (künstlerische Fähigkeiten, Tendenz zu Lügen) wird als relevanter, glaubwürdiger und hilfreicher eingeschätzt als Positives über Männer. DOI: 10.1111/bjop.12463
(17) In Experimenten bewerten Probanden Tests, in denen Männer besser als Frauen abschneiden, eher als sexistisch, unfair und inakzeptabel als Tests, in denen Frauen besser abschneiden als Männer DOI: 10.2139/ssrn.3175680
(18) Teilnehmer an einem Experiment wollen eher ein Buch zensieren, das Männer evolutionsbedingt als bessere Führungskräfte beschreibt, als ein Buch mit der gegenteiligen Aussage Quelle: researchgate.net/publication/33…
(19) In Surveys erhalten hypothetische Vergewaltigungsopfer mehr Empathie, wenn der Täter männlich ist. Empathie mit weiblichen Tätern größer -- insbesondere, wenn das Opfer männlich ist. Männliche Opfer erhalten die wenigste Empathie. DOI: 10.1007/s11199-010-9919-7
(20) In einem Experiment beurteilen juristische Laien die strafrechtliche Relevanz von sexualisierter Gewalt und Zwang je nach Geschlecht des Täters unterschiedlich. Weiblichen Tätern wird weniger Schuld zugewiesen als männlichen Tätern. DOI: 10.1891/0886-6708.26.6.799
(21) In fiktiven Gerichtsprozessen vergeben Jurys für dieselben Taten schwerere Strafen für Männer als für Frauen. Besonders groß ist der Unterschied, wenn das Opfer weiblich ist. DOI: 10.1111/j.1559-1816.1994.tb01552.x
(22) Quantitative Auswertungen von tatsächlichen Strafprozessen bestätigen diese theoretischen Erkenntnisse: Weibliche Sexualstraftäter erhalten vor Gericht weniger signifkante Strafen als Männer für vergleichbare Taten. DOI: 10.1007/s10940-019-09416-x
(23) Dasselbe Bild auch bei anderen Verbrechen: Eine Auswertung von rund 77.000 Strafprozessen in den USA ergibt, dass Männer für dieselben Taten seltener Bewährungsstrafen erhalten als Frauen. Gefängnisstrafen für Männer sind außerdem länger als für Frauen. DOI: 10.1086/320276
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Am Wochenende wird mal wieder die Uhr umgestellt, wir bekommen eine Stunde Schlaf geschenkt. Na und?, denken Sie jetzt vielleicht, was kann die eine Stunde mehr oder weniger schon ausmachen?
Mehr als Sie denken. Ein Thread über die wahrlich furchteinflößende Schlafforschung (1)
(2) Damit Sie mal ein Gefühl für die Dimensionen bekommen: Eine Studie mit 42.000 Patienten über 3 Jahre zählt an Montagen nach der Sommerzeitumstellung 24% mehr Herzinfarkte als üblich, nach der Umstellung auf Winterzeit dafür 21% weniger. DOI:10.1136/openhrt-2013-000019
(3) Eine Studie aus Spanien ermittelt ein um 30% gesteigertes Risiko für einen tödlichen Autounfall am Tag nach der Sommerzeitumstellung und schätzt, dass die Zeitumstellung auf diese Weise jährlich 5 Spaniern zusätzlich das Leben kostet. DOI:10.1097/EDE.0000000000000865
So einem Tweet ist hier jeder schon begegnet: "Forscher sicher: Gender ist ein soziales Konstrukt."
Diesen Thread schreibe ich, damit Sie das nächste Mal, wenn Sie so einer Behauptung begegnen, mit viel Gewissheit und wissenschaftlicher Autorität sagen können: Bullshit! (1)
(2) Eine Vorbemerkung: Die empirische Forschung in Psychologie, Biologie, Soziologie und Neurowissenschaft zu Geschlecht, Sozialisierung und sozialen Rollen ist gut: nuanciert, konstruktiv, hochwertig. Gender ist Teil Biologie, Teil Kultur und niemand weiß genau, wie viel wovon.
(3) Nur in Gender Studies und bei Aktivisten will man davon nichts wissen. Nach der bekannten Feministin Ruth Bleier ist Gender "an arbitrary, ever-changing socially constructed set of attributes that are culture-specific and culturally generated." ISBN:0880481366, S.178
Die UNO kämpft nicht nur gegen Armut und Krieg, sondern neuerdings auch gegen „Manterruption“: wenn Männer Frauen ins Wort fallen.
Bevor wir zum Sondergipfel einladen, sollten wir kurz empirisch klären, ob Männer wirklich solche Sprachrüpel sind. Wollen Sie's wissen? Thread (1)
(2) Antworten finden wir auf dem Territorium der Soziolinguistik und der Sozialpsychologie.
Vermutlich ist niemand überrascht, wenn ich berichte, dass zahlreiche Studien Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Kommunikationsmustern beschreiben.
(3) Dazu gehört, dass Frauen Sprache mehr auf Beziehungsaufbau ausrichten, Männer auf Statuserhalt und Problemlösung. Entgegen dem Vorurteil sind Männer wohl etwas gesprächiger als Frauen. Diese Unterschiede sind aber klein und extrem kontextabhängig. DOI:10.1177/1088868307302221
Ich möchte Ihnen gerne eine kleine Geschichte erzählen, die ich im Beruf erlebt habe und die meine Haltung zu Themen wie Vorurteilen, sozialer Benachteiligung und Chancengerechtigkeit radikal geprägt hat. Ein Thread (1)
(2) Ich habe viele Jahre intensiv mit Jugendlichen gearbeitet, die vom Schicksal ziemlich miese Karten bekommen haben. Die Geschichte handelt von einem dieser Pechvögel. Nennen wir ihn Tom.
Tom war ein typischer Hartz IV-Junge: ca. 18, Hauptschule ohne Abschluss abgebrochen ...
(3) … dann langzeitarbeitslos. Familie ein Alptraum: Vater weg, Stiefvater gewalttätig, Mutter drogensüchtig. Dazu Depressionen, Selbstverletzungen, die falschen Freunde und immer Ärger mit der Polizei.
Tom wollte sein Leben ändern, eine Ausbildung finden. Was Kaufmännisches.
Mädchen sind besser in der Schule als Jungs, liest man immer wieder. Stimmt das? Und wie soll man sich das erklären, wenn Frauen doch strukturell benachteiligt sind? Das hat mich interessiert. Ein paar interessante Ergebnisse aus der Forschung ohne Anspruch auf Ausgewogenheit (1)
(2) Vorneweg: Mädchen sind tatsächlich besser in der Schule. Eine Meta-Analyse über 369 Samples ergibt einen messbaren weiblichen Vorteil in Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften. Der Unterschied ist nicht riesig, aber konsistent und über Zeit stabil. DOI:10.1037/a0036620
(3) Warum? Der erste Verdächtige ist IQ, denn IQ korreliert mehr mit schulischem Erfolg als jeder andere Faktor. Studien zeigen aber deutlich, dass der Notenvorteil für Mädchen stabil bleibt, auch wenn man statistisch IQ als Variable miteinbezieht. DOI:10.1007/s10212-012-0127-4
Mein großes Interesse ist die Schnittstelle von Biologie und Gesellschaft. Was sagen uns Genetik, Evolution und Psychologie über Gerechtigkeit, Chancen und Politik in der offenen Gesellschaft?
Dieser Thread sammelt meine Twitter-Beiträge dazu. Ich freue mich über einen Retweet.
An welchen Stellen Frauen von gesellschaftlichen Vorurteilen profitieren und Männer negativer bewertet werden: