CN #Antisemitismus im Neuen Testament und in der Kirchengeschichte. Heute: Das Gleichnis vom #Pharisäer und dem #Zöllner, #PredMed_Luk18. #twitterpredigt
Jesus schildert laut Lukas den Pharisäer als ein Bild der Selbstgerechtigkeit, den Zöllner als demütigen, reuigen Sünder. "Danke das ich nicht so bin wie der da" sagt der Pharisäer. Aber "der da" geht gerechtfertigt aus dem Tempel, ersterer dagegen nicht.
Ein Klassiker gerade für evangelische Theologen: Keine Werkgerechtigkeit, sondern Reue, Buße, Demut des Sünders zählt, "Wir sind Bettler, das ist wahr" soll Luther gesagt haben, famous last words.
Interessanterweise wird die Szene bildlich auch genau so dargestellt: Der Zöllner als Bettler, der Pharisäer als reicher - tja, was soll man sagen - als reicher Jude, denn Jude war er ja nun mal, was soll man da machen? Aber es ist infam und antisemitisch, I'll show you!
Gucken wir uns eines der wirkmächtigsten Bilder mal genauer an (meines Wissens Matthäus Merian, in tausenden Trau- und Familienbibeln abgedruckt). Der Pharisäer ist deutlich als Jude dargestellt. Der Zöllner wie ein Landstreicher. 
Er ist fett, gut gekleidet, zeigt egoistisch auf sich und gibt aus seinem prallen Beutel eine lächerliche Münze als Almosen (Anspielung auf ein anderes Gleichnis von Jesus Luk 21, da ist aber gar nicht von Pharisäern die Rede) und ist demnach auch noch geizig.
Das ist er, der (ewige) Jude! Dagegen wird der Zöllner wie ein einfacher Landstreicher dargestellt, nichts weist ihn als Juden aus, obwohl in der Geschichte von Jesus BEIDE selbstverständlich Juden waren. Das wurde in der Darstellung geflissentlich übersehen.
Hinzu kommt, dass nach aller Wahrscheinlichkeit die Vermögensverhältnisse umgekehrt waren. Sicher waren manche Zolleinnehmer arme Würstchen, aber die Geschichte vom Zöllner Zachhäus, die Lukas 19 erzählt geht von einem vermögenden Mann aus, der sehr spendabel werden kann.
Pharisäer dagegen waren eine sehr fromme Partei im Judentum, die aufgrund ihrer strengen Gesetzestreue eben nicht mit den Römern kollaborierten, und deshalb auf Geld, Macht und Chancen verzichteten. Und jeden Grund hatten, die reichen Zöllner kritisch zu sehen.
Der "reiche Jude" war also der Zolleinnehmer, der fromme und gläubige - und dabei ganz schlichte und einfache Jude war der Pharisäer. Matthäus Merian und die protestantische Auslegungsgeschichte stellen das Gleichnis Jesu förmlich auf den Kopf.
Wenn wir als Protestanten dieses Gleichnis verstehen wollen, dann müssen wir den Spiegel so drehen, dass wir nicht den anderen, den Juden, den Katholiken oder den lauen Christen im Pharisäer sehen, sondern uns selber.
Wir sind genau diejenigen, die ständig denken, dass wir besser glauben als die anderen. Wir sind diejenigen, die es anfässt, wenn Leute es mit Gottes Wort nicht so genau nehmen und dadurch womöglich sogar Vorteile haben, die in Macht, Geld, Chancen sichtbar werden.
Wir klammern uns dann an das Unsichtbare, und hoffen inständig, dass wenigstens der liebe Gott uns recht gibt, weil Rechthaberei unsere Erbsünde ist. Wir sind nur gute Zöllner, wenn wir einsehen, das wir Pharisäer sind. Gott sei uns Sündern gnädig!
Und wir müssen um Vergebung bitten, weil wir die Jüdinnen und Juden jahrhundertelang als Bild arroganter, selbstgefälliger Werkgerechtigkeit missbraucht haben, um von unseren eigenen Sünden abzulenken. Mit furchtbaren Folgen. Nicht nur Gott sei uns Sündern gnädig.
Und: Machen wir es bitte besser, wenn wir Sonntag darüber predigen. Denn wenn diese Geschichte uns nicht zur Buße führt, ist unser Herz verstockt und wir gehen nicht gerechtfertigt aus dem Tempel. Sagt Jesus. Und der meint das womöglich so. Amen
