Dieses 30-sekündige #Merz-Video lässt Schlimmes befürchten, was den Stil deutscher Wahlkämpfe betrifft. Es ist die Inszenierung des Politikers als Heilsbringer und Übermensch nach amerikanischem Vorbild bei gleichzeitiger Inhaltsleere. 1/18
Wer Lust hat, schaut und hört sich den Clip zunächst kurz an und liest danach hier weiter. Dann kümmern wir uns nämlich um die cineastische Ausführung und die direkten und impliziten Botschaften. 2/18
Basis des Videos ist das Grußwort von Friedrich Merz beim NRW-Tag der Jungen Union in Köln. Für Merz war der Besuch dort eine Art Heimspiel: Er ist der erklärte Favorit der JU für den Parteivorsitz der CDU. 3/18
Merz betritt unter großem Applaus die Bühne. Wir beobachten das Geschehen nicht aus der üblichen Frontalperspektive der Saalmitte, sondern sind mit ihm auf der Bühne. Auftritte von Pop-Stars oder Live-Konzerte werden oft ähnlich gefilmt. 4/18
Die ellipsenartige Kamerafahrt bei gleichzeitiger Annäherung schafft eine mitreißende Dynamik. Die Szene endet bei Sekunde 5 mit einer Einstellung, die nicht symbolträchtiger sein könnte: Merz als Lichtgestalt mit Heiligenschein. 5/18
Im Hintergrund baut sich spannungssteigernde Musik auf. Ohne Ansatz legt Merz los: „Jetzt sind wir mit Corona in einer weltweiten Rezession!“
Damit die angstmachende Botschaft auch wirklich beim Allerletzten ankommt, wird sie in Blockbuchstaben eingeblendet. 6/18
Jeden Tag sterben in Deutschland hunderte von Menschen an den Folgen von Corona, infizieren und erkranken tausende. Doch Empathie, Mitgefühl und Solidarität kommen im Merz-Kosmos dieses Videos nicht vor: Nicht die Menschen sind erkrankt, die Wirtschaft ist erkrankt. 7/18
(Dass wir uns nicht falsch verstehen: Als rendite-orientierter Unternehmer kann man das so sehen. Aber als Parteivorsitzender einer Volkspartei mit dem Anspruch auf das Kanzleramt sollte man das große Ganze und das Wohl aller im Auge haben.) 8/18
Wechsel auf die Publikums-Ebene: Die Kamera vollzieht einen Seitwärtsschwenk und bildet einige der Delegierten ab. Sie filmt die Teilnehmer nicht von oben, sondern bleibt auf ihrer Augenhöhe: Jetzt sind wir Teil des gebannt zuhörenden Publikums, das ihn anhimmelt. 9/18
Nun startet die Kamera mit einem Schwenk vom imposanten Deckenleuchter auf die Bühne. Streicher setzen rhythmisch ein. Mit beiden Händen hackt Merz seine Botschaft ins Pult: „Da fest zu stehen, mit Grundsätzen und Überzeugungen und trotzdem etwas Neues zu wagen“ 10/18
Merz steht für die alte CDU, die von vielen als überlebt wahrgenommen wird. Deshalb sind die Label "Moderne" und "Aufbruch" so wichtig für ihn. Und deshalb wird als visueller Anker quer über den Bildschirm der Schriftzug „ETWAS NEUES“ eingeblendet. 11/18
(Kurzer Einschub: Schon aufgefallen, dass die Corporate Identity des JU-Parteitags in Farbgebung und Symbolik dem NATO-Logo ähnelt?) 12/18
Merz macht weiter „Und in dieses dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zu gehen und zu sagen: Wir trauen uns das zu. Wir haben die Kraft etwas Neues zu entwickeln!”
Die Botschaft: Merz denkt in geschichtlichen Dimensionen!
Begeistert jubelt das Publikum ihm zu. 13/18
Merz ist der Erlöser, der uns durch die düstere Zeit führt. Entsprechend wechselt die Kameraperspektive. Wir sind jetzt ganz klein, und er ist ganz groß...
Die geigen-dominierte Hintergrundmusik schraubt sich unterdessen dem Höhepunkt entgegen. 14/18
Im wörtlichen Sinne von oben herab spricht der Erlöser zu seiner Gemeinde: “Und ich bin mir ganz sicher, dass wir das mit dem Fundament, auf dem wir stehen” (*weirde Pause*) “auch hinbekommen können.” 15/18
(Oh, The Irony: All das hätte er auch, und noch dazu wesentlich kürzer, in den Worten der ihm verhassten Bundeskanzlerin Merkel sagen können: "Wir schaffen das!"). 16/18
Schlusskommentar: Merz ist ein „One Trick Pony“ und setzt all seine politische Überzeugungskraft auf das Thema Unternehmertum und Wirtschaft. Doch selbst in seinem vorgeblichen Fachgebiet muss er sich in Seifenblasen-Sprech und inhaltsleeres Worthülsen-Geschwafel flüchten. 17/18
Das Video arbeitet mit der Helden-Ästhetik einer Netflix-Serie, samt trickreichen Schnitten und Bombast-Sound. Durch das Zuviel an Inszenierung und Inhaltsleere wirkt das Ergebnis wie eine Satire. Eine Satire, die bittere Wirklichkeit werden kann, wie das Beispiel USA zeigt. 18
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Familienministerin Franziska #Giffey (SPD) will künftig nicht mehr auf Plagiate in ihrer Doktorarbeit angesprochen werden und hat dazu eine bemerkenswerte Erklärung voller Finten, Opfersprech und Pathos abgegeben. Wir schauen uns das mal an. 1/17
Um es vorwegzunehmen: Giffeys Text ist eine Mischung aus uneinsichtiger “Nonpology” (Nicht-Entschuldigung ohne Reue), halbherziger Rückgabe von Diebesgut in der Hoffnung auf Straferlass und Vergesslichkeit, allerlei Opfer- und Märtyrer-Getue und Wahlkampf-Geklingel. 2/17
Ihre Intro soll nüchtern, objektiv und protokollarisch klingen. Das nachträgliche Prüfverfahren wegen Plagiatsverdacht stellt sie als “Entscheidung über mein Promotionsverfahren” dar. Die Metabotschaft: Eigentlich nur ein Verwaltungsakt wie viele andere. 3/17
Es gibt ein neues Interview mit Dieter #Nuhr. Dort verwendet er mal wieder eine seiner Lieblingsmethoden: Er verkauft Ignoranz und Borniertheit als Altersweisheit und Gelassenheit.
Lasst uns das kurz aufdröseln... 1/8
Es ist das ewige Lied des alten weißen Mannes, der Änderungen in seinem Umfeld als persönlichen Angriff auffasst.
Feminismus, Diskriminierung, Genderthemen, Sprachsensibilität, Klimawandel, Umweltbewusstsein?
Alles nur Modethemen und "Hysterie". 2/8
Beliebtes Beispiel: Die Situation des Walds. Damit kann man Punkte machen beim unbedarftem Publikum.
"Seit Jahren stirbt der Wald, aber überall sieht man Bäume. Har Har Har!" 3/8
#Bild verfolgt in Sachen Corona eine besorgniserregende Agenda: Mit allerlei rhetorischen Tricks und dem Säen von Zweifeln werden dafür anfällige Menschen in ihrem Trotz gegen simple, aber effiziente Maßnahmen wie Maskenpflicht bestärkt. 1/13
Mal greift “Bild” zur Brechstange, mal setzt “Bild” auf das Mittel der kleinen Nadelstiche. Mal ist es Julian Reichelt mit seinen manipulierenden und suggestiven Meta- und Verschwörungsbotschaften, mal spricht z.B. Debattenchef Piatov zum Volk. 2/13
In seinem aktuellen Kommentar insinuiert Priatov einen Sinneswandel, den es nur in seiner Vorstellungswelt gibt. Schließlich sind sich alle Experten einig, dass Herbst und Winter ein weitaus größeres Ansteckungsrisiko und Erkrankungspotenzial aufweisen als der Sommer. 3/13
Der Corona-Kommentar von “Bild”-Chef Julian Reichelt ist durchsetzt von manipulierenden und suggestiven Metabotschaften. Lust auf eine kleine Textanalyse? 1/16
Schon der erste Absatz hat Einiges von dem, was man Verschwörungsgeschwurbel nennt. Eine unheimliche und - durch die grammatikalische Passivkonstruktion ungenannt gebliebene - Autorität, die die Bevölkerung diszipliniert und “Angst vor einem zweiten Lockdown schürt”. 2/16
Es entsteht das Bild des “drohenden Staates”: Auf der einen Seite wir ohnmächtigen Bürger und Bürgerinnen, auf der anderen Seite der übermächtige Staat. 3/16
Bei #Bild gibt es einen, wie ich finde, gefährlichen Kommentar zu den Corona-Regeln. Wenn Ihr Lust habt, gehen wir den mal gemeinsam durch. Wir lernen dabei verschiedene Techniken der Meinungsmanipulation durch Sprache kennen. 1/20
Hier der Kommentar im Zusammenhang. Er stammt von Christian Langbehn, einem Mitglied der “Bild”-Chefredaktion. Ein Kommentar, der „nur Fragen stellt“, jedoch ganz Anderes im Sinn hat.
Wir gehen das gleich - wie gewohnt - Stück für Stück durch. 2/20
“Bild” hat erkannt, dass wir schwer mit scheinbaren Widersprüchen umgehen können und uns nach einfachen Antworten sehnen. Dies gilt insbesondere in Krisenzeiten. Corona ist eine solche Krise. “Bild” nutzt die Krise, um Auflage und Stimmung zu machen. 3/20
Bei @dlfkultur erschien heute ein Pro & Contra zu #Moria mit einer verstörenden Argumentation. Lasst uns das Ganze mal sortieren. Ich habe dazu fünf Gedanken vorbereitet:
1. Zur Zeit gibt es keinerlei Beweise, wer für das Feuer bzw. wer für die Feuer verantwortlich ist. 1/12
Als Brandursache kommen die verschiedensten Dinge in Betracht: Es kann sich um Brandstiftung durch überforderte und genervte Inselbewohner handeln. Die dort herum vagabundierenden „Nazi-Touristen“ könnten Feuer gelegt haben. 2/12
Der Brand kann auf einen Koch-Unfall zurückzuführen sein, der durch die katastrophale Enge befördert wurde. Und ja, es ist auch denkbar, dass Geflüchtete Feuer gelegt haben. 3/12