Ein Thread, weil ich die Frage in den letzten Tagen immer wieder gestellt bekam:

Viele sind ermüdet von den Diskussionen in der Familie, mit Freund*innen, die Verschwörungsmythen glauben - bringt es überhaupt was, zu diskutieren, dranzubleiben?

Ich möchte kurz darauf eingehen..
Es stimmt, dass Fakten oft abprallen, wenn Leute Falschmeldungen oder Verschwörungsmythen glauben. Wenn ich das im Umfeld erlebe, gibt es leider keine Garantie, dass jemand wieder erreichbar für Fakten wird, umdenkt. Aber es gibt Fälle, wo das passiert. Ich schildere kurz einen..
Ich habe für mein Buch mit Anja Sanchez Mengeler gesprochen, eine ehemalige Verschwörungsgläubige. Und sie erzählte mir davon, dass der Ausstieg bei ihr passierte, als langsam wieder die Zweifel in ihr heranwuchsen. Sie sagte: Das war ein schrittweiser Prozess
Was half ihr? Einerseits gab es zB einen Faktencheck, den sie plötzlich ernstnahm. Als sie selbst Zweifel spürte, wurde sie empfänglich für Information, die ihrem bisherigen Vorstellungen widersprach. Sie merkte dank der Aufklärung: „Ich wurde belogen, manipuliert“
Deshalb ist die Arbeit von Faktenchecker*innen wie @ZDDK_ & @correctiv_fakt so wichtig: Faktenchecks sind kein Wundermittel, aber wenn jemand (wieder) nach Fakten und der näheren Analyse sucht, warum etwas falsch ist, können die extrem wichtig sein
Und zweitens: Sie erzählte mir, dass ihre Familie, zB ihre Schwester wichtig war. Weil diese einerseits durchaus kritische Fragen stellte, aber auch darauf achtete, eine positive Beziehung zu pflegen
Angela Sanchez Mengeler sagte zu mir, ihre Schwester agierte nach dem Motto: „Ich lass dich nicht fallen, du bist mir wichtig“

Und in diesen normalen, schönen Familiensituationen wurde sie aus der Welt der Verschwörungsmythen auch ein bisschen herausgeholt - erlebte Normalität
Es gibt auch Beratungseinrichtungen, die Angehörigen/Freund*innen zur Seite stehen, wenn die versuchen, auch wenn das schwierig ist, den Kontakt aufrecht zu halten, das Gespräch zu suchen. Hier helfen zB Sektenstellen in einigen Ländern, oder der Verein Zebra in Baden-Württemberg
Und wenn man hier weiter das Gespräch sucht, die Hand ausgestreckt hält, dann gibt es ein paar Erkenntnisse, die einen zB besser verstehen lassen, wie der Sog von Verschwörungsmythen wirkt - auch welche unterschiedlichen Taktiken es in Diskussionen gibt
Nüchtern betrachtet sind viele Verschwörungsmythen leicht widerlegbar

Aber Verschwörungsmythen wirken nicht auf der Fakten-Ebene, sondern auf der emotionalen Ebene - deshalb ist es so wichtig,nicht rein auf die aufklärende Wirkung von Fakten, sondern auch auf Empathie zu setzen
Wenn ich jemanden erreichen will, ist der schwierige Spagat: In der Sache widersprechen, aber der Person Wertschätzung zeigen

Ich habe mit @dlfnova auch darüber gesprochen - hier gebe ich ein paar Tipps für das Gespräch mit Verschwörungsgläubigen: deutschlandfunknova.de/beitrag/diskus…
Es gibt nicht das eine Wundermittel gegen Desinformation - es gibt keine Garantie, dass jemand umdenkt

Aber ich denke, manche Menschen sind einem so wichtig, dass man dranbleiben will. Und wenn die Person doch wieder Zweifel spürt, ist gut,wenn sie wen hat,der mit ihr diskutiert

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18 Nov 20
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Ich stimme zu: Es sind nicht alle Demonstrierenden gleich, manche sehen aus wie Hippies, viele wie DurchschnittsbürgerInnen. Ich hab mit einigen gesprochen - was sie eint, ist, dass sie die Ernsthaftigkeit des Coronavirus anzweifeln (manche stellen die Existenz des Virus infrage)
Die zweite große Klammer ist, dass viele der Meinung sind, ihr Land baut die Rechtsstaatlichkeit ab (das reicht bis zur Meinung, es wird zur Diktatur)

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28 May 20
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(1/2)

foxnews.com/media/facebook…
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Das klingt im ersten Moment gut - aber genau mit einer solchen Argumentation streifen Plattformen Verantwortung ab...
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